9 Latte Macchiato

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Als Stiles die Augen aufschlug, waren sein Gesicht und das schlafende von Derek so nah beieinander, dass Stiles eigentlich nur die Lippen hätte spitzen müssen, um ihn zu küssen.

Natürlich tat er es nicht, aber es war dennoch furchtbar aufregend, es sich vorzustellen.

Stattdessen beschränkte er sich darauf, Derek einfach nur zu betrachten.

Die langen, dichten, dunklen Wimpern lagen wie kleine Fächer auf den Unterlidern.

Und wie schaffte Derek es bloß, dass sein perfekter Drei-Tage-Bart jeden Tag exakt dieselbe Länge hatte?

Stiles hätte nur zu gern gewusst, ob er sich weich oder eher kratzig anfühlen würde, wenn er ihn berührte, doch vermutlich ließe sich Bartfummelei ebenso wenig erklären, wie ein Kuss wider Willen, falls Derek nun urplötzlich die Augen aufschlüge, also behielt er seine Finger bei sich.

Dereks Haut war einfach vollkommen. Jede Pore hatte scheinbar dieselbe Größe und sicher hatte keine von ihnen es zeitlebens gewagt, einen Pickel, oder etwas ähnlich Unappetitliches hervorzubringen.

Und dann waren da natürlich diese wundervollen, gemeißelten Gesichtszüge eines griechischen Gottes, der gerade vom Himmel herabgestiegen war, um arme Sterbliche wie Stiles selbst um den Verstand zu bringen.

Auch so ein besonderes Phänomen waren Dereks dichte, dunkle Augenbrauen, mit denen ihr Besitzer im wachen Zustand so unglaublich viel auszudrücken vermochte: Überraschung, Belustigung....und natürlich auch Ärger...und Rage...und Zorn...und Wut...und Raserei.

Im Vergleich zu Dereks Stimmbändern, die dieser wortkarge Mensch scheinbar unbedingt zu schonen versuchte, wie eine Operndiva vor der Premiere, es sei denn, er knurrte gerade, wie ein tollwütiger Wolf, waren diese Augenbrauen echte Plaudertaschen.

Vielleicht war es ja das?

Vielleicht war Derek ja Sänger von Beruf?

Das war jedenfalls ebenso gut, wie jede andere Vita, die Stiles sich für Derek ausdenken konnte.

Denn plötzlich wurde Stiles etwas klar: Er wusste so gut wie nichts über Dereks Leben: Tote Familie, bis auf einen durchtriebenen, ausgesprochen handgreiflichen Onkel, eine heiße Teilzeitfreundin, ordnungsliebend, in vielen Dingen sehr altmodisch - beinahe wie ein Relikt aus einer anderen Zeit. Und eine fast schon vehiklophile Beziehung zu seinem Camaro.

Das war alles, was Stiles mit Sicherheit über Derek sagen konnte, obwohl sie doch schon seit Wochen gemeinsam unter einem Dach lebten.

Ach, ja, und das Derek immer Geld zu haben schien, ohne jemals wirklich arbeiten zu gehen.

Derek könnte tatsächlich ein heimlicher Opernstar sein. Immerhin mochte er klassische Musik!

Oder er war ein inaktiver Geheimdienstagent?

Vielleicht auch ein Politiker a.D.?

Aber höchstwahrscheinlich gehörte er einfach bloß einem Verbrechersyndikat an!

„Gibt es eigentlich einen bestimmten Grund, warum du mich anglotzt, wie ein unheimlicher Spanner, Stiles?" knurrte Derek urplötzlich verschlafen.

Seine Augen waren dabei immer noch geschlossen.

Ertappt zuckte Stiles zusammen, doch er dankte den Göttern für sein loses Mundwerk:

„Den gibt es. Da ist so ein komisches, borstiges Haar mitten auf deiner Stirn. Es ist ein bisschen gruselig und es scheint mich zu beobachten."

Der Junge im BusWhere stories live. Discover now