• Chapter 14 •

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Ich fühlte mich leer. Einsam. Hilflos.
Ich fühlte mich nicht komplett.

Es war alles eigenartig, es ist eigenartig, wenn man bedenkt, dass er und ich nur einige Wochen zusammen hatten.
Dass wir kein richtiges Liebespaar waren, das Liebespaar-Dinge getan hat.
Dass wir doch nur auf der Flucht waren und er seine Liste abarbeitete, als seien Morde tägliche Aufgaben, die man erledigen muss.

Es fühlte sich komisch an, allein zu schlafen. Ohne einen Arm, der sich um dich legt und dich an einem warmen Körper hält, dessen Herz du schlagen spüren kannst. Ohne den Atem in deinem Nacken, der dich wissen lässt, dass die Person neben dir am leben ist. Dass sie zufrieden schläft. Dass du dir keine Sorgen machen musst.

All diese Sorgen um ihn, die ich mir machen musste, kamen mir so verschwendet vor, als ich mir dann wirkliche Sorgen um ihn machte. Darum, was aus ihm werden würde. Was geschehen würde.

Und ohne, dass irgendwas passiert war, fühlte ich mich bereits schuldig, nicht die Wahrheit gesagt zu haben. Ihn im Gefängnis leiden lassen zu müssen und währenddessen die Freiheit zu genießen. Ich fühlte mich, als würde aus mir irgendwas hinaus schreien und mich umbringen wollen.

Dieses Etwas war mein schlechtes Gewissen. Es quälte mich, zerstörte mich und ließ mich mit keiner Sekunde Schlaf zurück, bis mein Telefon am nächsten Morgen klingelte und ich mit leiser Stimme ran ging, da ich mit keinem Menschen dieser Welt sprechen wollte, der nicht er war.

Ich sagte: "Hallo?", und die Stimme am Telefon sagte: "Sind Sie Frau Preuß?"; Ich sagte: "Ja", und die Stimme sagte mir, dass der Gerichtstermin, in dem ich anwesend sein und aussagen müsste, auf den Tag genau gelegt wurde, um 16 Uhr.

Ich fragte noch, wieso denn genau heute der Termin sein musste, da ich mich nur vergraben und weinen wollte, doch die Frau am Telefon meinte nur, dass es der schnellstmögliche Termin war und dieser wahrgenommen werden musste.

Und so ging ich allein um 16 Uhr zu der Adresse, die mir die Frau genannt hatte. Das Gericht sah von außen nur gewöhnlich aus, von innen machte es mir Angst. Es machte mir besonders viel Angst, da ich allein dort war.

Ich sprach mit keinem. Ich hatte meine Mutter über nichts informiert. Hatte keinem etwas gesagt. Und ich ignorierte Gary, als ich ihn im Saal sah. Er saß nicht weit von mir weg.

Die Richterin war eine der Ersten im Raum. Sie sah furchtbar unfreundlich aus, und das war sie auch. Sie redete nicht nett, sie schaute nicht nett und sie sah auf alle nur herunter. Sie zog keinen anderen Gesichtsausdruck, als den Grimmigen, den sie nie änderte.

Nach und nach kamen mehr Leute in den Raum. Mehr Menschen, die ich nicht kannte. Ich stellte mir vor, wie sie mich sehen mussten. Ob sie in mir die schlimme Frau sahen, die mit ihrem Äußeren keinerlei Eindruck machte. Die aussah, als hätte sie Wochen nicht geschlafen. Deren Haare nicht einmal wirklich entknotet und das dunkelblaue Hemd nicht gebügelt war. Die ein Pflaster an dem Hals kleben hatte, das unter ihrem Kragen hervor schaute.

Oder ob sie in mir nur die Frau sahen, die von einem Serienmörder beinahe ermordet wurde. Ich wusste es nicht.

Ich möchte es auch nicht wissen, noch wollte ich es in dem Augenblick.

Ich stellte mir auch vor, ob die Menschen, die ich nicht kannte, Angehörige der Toten waren. Schließlich war ich nie zuvor in einem Gericht und wusste nicht, wer alles geladen wurde. Wer anwesend sein musste und wer anwesend sein durfte.

Vielleicht waren manche auch noch aufgegabelte Zeugen von seinen Taten. Keine Ahnung. Ich weiß bis heute nicht, wer genau wer war. Keiner von ihnen sah freundlich oder in irgendeiner Weise etwas bemitleidend aus. Sie wollten alle nur so schnell wie möglich wieder gehen.

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