24. Alltag

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Alice hatte mich gestern nicht mehr angerufen. Stattdessen hatte ich die ganze Zeit grübelnd im Bett gelegen und nicht einschlafen können, weshalb ich jetzt mit roten Augen im Musikunterricht saß und Mister Clous bei seinem endlosen Geschwafel über Mozarts frühes Ableben zuhörte.

Dieser Tag war echt zum Kotzen. Erst Mister Clous, dann Mathe-Unterricht und dann auch noch Ethik, mit dem Thema: 'Finde deine Sexualität' zum krönenden Abschluss.
Luna neben mir war schon ganz aufgeregt auf die Stunde, denn sie würde mit ihrer Freundin Harper einen Vortrag über ihr 'Coming Out' halten und wie ihre Beziehung seitdem lief.
Das hieß: ich konnte mich nichtmal über den langweiligen Ethik-Unterricht beschweren, weil Luna sonst enttäuscht wäre und denken würde ihr Vortrag war schlecht und dann würde eins zum anderen führen und Alice würde mich schlagen müssen, denn keiner war gemein zu Luna in ihrer Gegenwart.

Ich seufzte, bei dem Klang des Klingelns.
"Harper kommt gleich mit zu uns an den Tisch, ist das in Ordnung?" Fragte Luna und wuselte an meine Seite.

"Ja. Ist schon gut." Sagte ich und rieb mir mein Gesicht. Ich war so froh, dass Alice Luna schon alles erzählt hatte, was passiert war und ich ihr das nicht mehr selbst erzählen musste.

"Was ist schon gut? Nichts ist schon gut!" Rief Alice, welche plötzlich auch an meiner Seite war. Sie schien einer Panikattacke nahe.
"Bald ist Prom! Genauer gesagt in 9 Tagen!"

Ich sah sie an. "Und das macht dir so zu schaffen?"

"Ja!" Sie wirkte fassungslos über mein Desinteresse. "Alle werden da sein! Alles wird perfekt sein, denn ich bin mit Organisatorin dieses Jahr!"

Bei dem Satz 'Alle werden da sein' zog ich eine Augenbraue hoch.
"Alle?"

"Ja. Alle. Auch du, Paige." Sagte sie mit einem Seitenblick auf mich.
"Ach übrigens. Ich konnte gestern nicht mehr zurückrufen, weil Daphne mir mein Handy weggenommen hat und sich damit auf dem Klo eingesperrt hat."

"Oh man.. Kleine Schwestern sind ätzend." Grummelte ich.

"Sie ist meine große Schwester..." murmelte Alice und lachte.
"Jedenfalls bin ich gestern zu Courtney rüber gegangen. Ich hab bei ihr geklingelt und sie ist an die Tür gekommen. Natürlich hab ich mir nichts anmerken lassen und hab nach einwenig Mehl gefragt, weil ich einen Kuchen backen möchte. Nach einer kleinen Diskussion, dass ich ja auch einfach zum Supermarkt gehen könne hat sie mich reingelassen und drinnen war das größte Chaos! Überall lag Tüll und Perlenketten und Glitter, ich bin kaum noch durch ihr Haus gekommen so viel lag da rum.
Im Wohnzimmer saß Hayes, mit einem Anzug im Arm und er sah ein wenig verärgert aus.. Ich hab keine Ahnung warum. Vor ihm lagen vier verschiedene Schlipse in verschiedenen Farben und zu den Schlipsen waren Kleider in den passenden Farben auf Schaufensterpuppen im Wohnzimmer aufgestellt. Weißt du was das heißt? Paige?"

Ich erwachte aus meiner Trance. So richtig zugehört hatte ich nicht.
"Mmh?"

"Courtney hat vor mir Hayes zum Prom zu gehen! Deswegen die Kleider zu dem passenden Schlips! Sie will, dass alle Farben aufeinander abgestimmt ist."
Alice wirkte aufgebraust, doch ich zuckte nur mit den Schultern.

"Soll er doch mit ihr zu diesem dummen Prom gehen. Ich kann nichtmal tanzen, also was würde ich da auch wollen?"

"Ist das dein Ernst?" Mischte Luna sich ein. "Du meinst doch, du empfindest noch was für ihn. Also warum bekommst du deinen verdammten Arsch nicht einfach hoch und kämpfst mal für ihn! Er muss doch nicht immer die ganze Drecksarbeit machen!"

Verdutzt sah ich sie an. "Aber.."

"Nein, nichts aber! Wenn du ihn noch magst musst du jetzt was machen!" Sagte sie entschlossen.

"Ok.. Und was soll ich deiner Meinung nach machen?" Fragte ich unsicher.

"Jetzt erstmal nichts. Aber Freitag feiert Harper ihre Geburtstagsfeier und alle sind da! Wir Schleusen euch irgendwie zueinander und dann redet ihr über alles!" Sagte sie und rammte ihre Siegerfaust in die Luft.
"Das wird funktionieren, vertrau mir!"

"Ich wusste gar nicht, das Harper Geburtstag hat." Sagte ich.

"Sie hat Montag allen bescheid gesagt. Da warst du noch nicht da."

"Aber Hayes auch nicht. Er weiß wahrscheinlich nichts über die Party." Murmelte ich.

"Oh doch.. Der kommt, dass kann ich dir versichern."

Ich nickte.
"Wenn man vom Teufel spricht." Sagte Alice und deutete in die entgegengesetzte Richtung. Hayes stand, mit seinen Freunden an die gegenüberliegende Mauer gelehnt und schaute zu uns hinüber.

"Soll ich zu ihm gehen?" Fragte ich unsicher.

"Nein." Sagte Alice entschieden. "Du redest erst an der Party wieder. Außerdem schaut er nicht zu uns, sondern zu der Person hinter uns."

Ich drehte mich vorsichtig um. Hinter mir lief Courtney. Na toll. Ganz toll.

Far away//Hayes GrierWhere stories live. Discover now