may

17.

May saß am Rande des großen Felsens, mehrere Meter über der Tiefe.
Man hörte wie die Wellen gegen die Felsen schlugen und anschließend auf den schwarzen Sand rollten.
Es war, als hätten wir eine Verabredung.
Ich kam jeden Abend zur gleichen Zeit hier her, weil ich wusste, dass sie da sein würde.    

Ich hatte mir vorgenommen, heute mit ihr zu sprechen.
Ich wollte wissen, warum sie heute so gut gelaunt war.
Ich wollte wissen, was sie heute morgen mit Mike in einer Nebenstraße geredet hatte. 
Ich wollte wissen, ob sie das tat, was ich vermutete. 
Ich wollte wissen, ob sie Drogen nahm.
Ich wollte wissen, ob ihre Freundinnen darüber Bescheid wussten.
Ich wollte wissen, weshalb Mike ihr die Drogen verkauft hatte. 
Ich wollte wissen, wie sie ihn überzeugen konnte.
Ich wollte wissen, warum sie seit mehr als zehn Minuten durchgehend kicherte.

Wie jeden Abend ließ ich mich neben ihr nieder, die Beine über dem Abgrund baumelnd.
Wie jeden Abend sagte May nichts, als ich mich zu ihr setzte.
Wie jeden Abend redeten wir nicht miteinander; saßen bloß in einvernehmlichen Schweigen nebeneinander.
Wie jeden Abend fragte ich mich, ob sie meine Anwesenheit störte.
Wie jeden Abend saß ich so nahe neben ihr, dass ich ihren Geruch einatmen konnte.  

Heute war es Litschi.