Die neunzehnte Nacht

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Die neunzehnte Nacht

Mein Nacken ist verkrampft, wie damals als ich noch so lange bis spät in die Nacht gelernt habe. Ich habe mich meist nur auf die Universität konzentriert. Es war mein Ziel und ich war zielstrebig.
Bin ich das immer noch?

Ich kann die Augen schwer öffnen, die Lider sind zu schwer, meine Nase ist zu, ich kriege kaum Luft. Ich bin nicht im Wagen. Das zu bemerken, verwirrt mich so sehr, dass ich zuerst den Kopf nach links, dann nach rechts drehe. Es ist ein leerstehender Raum. Nur die Matratze, auf der ich liege, das Kissen und die fetten Decken über mir, sind da.

Ich bewege die Beine, will aufstehen und spüre eine Wärmeflasche. Mein Kopf pocht. Ist das ein Traum? Bilde ich mir das ein? Ich starre zu meinen Armen, keine Fesseln, auch keine an den Beinen. Irgendetwas läuft hier schief.

Der Boden ist sehr dunkel. Der Raum allgemein ist abgedunkelt. Es kommt spärlich Licht aus dem breiten großen Fenster, das fast von der einen Wand zur anderen reicht.

Der Boden draußen ist bedeckt mit Schnee. Interessanterweise sind rechts mehr Tannen als links, sodass ein Farbverlauf entsteht. Rechts kräftig grün, links immer schwächer. Es sieht schön aus, friedlich.

Ich träume sicher.

Ich muss mit einem Mal husten, versuche es aber zu unterdrücken, weil ich nicht aufwachen will.

Die Tür wird geöffnet und Nasuh steht vor mir. Er hat den Bart kürzer geschnitten, die Haare zurechtgelegt. Es sieht alles ordentlicher aus, charismatischer.

»Wie lange schlafe ich schon?«, frage ich. Es ist hell, also kann es gar nicht so lange sein. Mein Hals ist so dick, dass ich kaum ein Wort herausbekomme. Ich öffne meine Arme, weil ich wissen will, ob die roten Flecken weg sind. Dort sind noch Spuren, bei denen ich bezweifle, dass sie überhaupt irgendwann weggehen.

»Du hast dich erkältet, leg dich hin«, erklärt Nasuh. Ich sehe die Pistole in seiner Hose, bevor er sie mir demonstrieren muss. Er tut es auch gar nicht. Er muss mir nicht drohen.

»Wo sind wir hier?«, will ich wissen, lege mich wieder hin und ziehe die Decke über meinen Körper.
»Du hast mehr als einen Tag geschlafen«, antwortet er. »Wir sind bei mir. Hier lebe ich, um mich zurückzuziehen.«
  »Ich mag es hier«, flüstere ich und spüre, wie der Druck in Kopf immer weiter wächst. »Hast du Schmerzmittel?«

Er nickt und verlässt den Raum wieder. Ich habe keine Kraft, mich aufzurichten. Aufstehen steht außer Frage. Aber wenn ich könnte, würde ich versuchen zu fliehen? Ich weiß es nicht.

Fatima hat einmal gesagt, wenn man verliebt ist, verwirren einen die selbstverständlichsten Sachen und so viel nicht selbstverständliches scheint klar zu sein. Bin ich verliebt? Nein, sicher nicht.

»Du hast mich nicht gefesselt«, erinnere ich ihn, als er mit Suppe, einem Glas Wasser und Tabletten kommt. Er zuckt mit der Schulter und stellt das Tablett, auf dem alles steht, ab. »Du musst erst etwas zu dir nehmen.«
  »Ich habe keinen-«
  »Iss.«

»Es ist schön hier, aber etwas einsam«, meine ich, wenn ich mir überlege, dass hier außer ihm normalerweise keine Menschenseele ist.
»Jeder Mensch ist dazu verdammt, irgendwann einsam zu sein.«
Ich schüttele den Kopf. »Ich glaube, manchmal kann man sich das selbst aussuchen. Wenn du gehst und den Mann umbringst, dann werde ich gehen. Aber tust du das nicht, bin ich hier.«

Er zieht die Brauen zusammen, kann meinen Satz nicht nachvollziehen, kann nicht nachvollziehen, wieso ich bleiben würde und um ehrlich zu sein, kann ich das selbst nicht.

»Du musst das nicht tun«, versuche ich ihm zu erklären.
Nasuh jedoch blockt ab. »Ich habe schon angefangen, sie suchen nach mir, seine Männer. Sie werden mich finden und umbringen. Entweder sie oder die Polizei. Ich werde sowieso untergehen. Die Frage ist nur, ob ich den Mörder meiner Eltern mitnehme oder nicht.«

Er lacht bitter auf. »Ich bin widerlich. Mein Onkel hat Recht. Ich sorge dafür, dass du auch in Gefahr bist.«

Ich presse die Lippen zusammen. »Haben diese Männer dich gesucht, die im Wald?«
Nasuh schüttelt den Kopf. »Wir haben denselben Mann gesucht.«
  Ich denke nach. »Vielleicht hat er ja auch Familie. Vielleicht ist er deshalb in diese Bahn gerutscht.«

»Er hat eine Schwester«, erklärt Nasuh einfach. »Dieser ehrlose Mörder hat eine Schwester, die ihn einen Scheiß Dreck interessiert. Er hat sie einfach zurückgelassen mit den Schulden, die sie hatten. Der hatte sich wohl auch noch Geld von irgendwelchen Männern geliehen, die sie wohl tyrannisieren. Als ich dort war, dachte sie, ich sei deswegen dort. Du hättest sehen müssen, wie wehrlos sie war. Sie hat versucht die Starke zu spielen und doch hatte sie einfach nur Angst. Diese Männer würden sie ohne mit der Wimper zu zucken, töten, wenn sie sie geschnappt hätten. Wer weiß, wie lange sie noch zu leben hat.«
Es gibt nichts, was für diesen Mann steht.

Nasuh schüttelt den Kopf. »Welcher Mensch lässt die kleine Schwester so alleine? Er hat sie dem Tod überlassen.«

»Ich kann dich nicht abhalten, oder?«, frage ich. Als ob er jemals 'Du kannst' sagen würde.
  »Nein, kannst du nicht.«

Ich nehme die Suppe zu mir und schlucke dann die Tablette. Mein Kopf pocht immer weniger und ich schlafe, bis es Nacht wird.

Ich kann einfach aufstehen und zur Toilette, ich kann duschen und ich bekomme Wechselkleidung.
  »Das habe ich angezogen, als ich sechzehn war«, lacht Nasuh und packt eine Art Sporttasche. Er wird gehen und ich will das nicht. Ich will das aber auch nicht nicht-wollen. Verwirrend.

»Nasuh«, flüstere ich seinen Namen und er hebt schlagartig den Kopf an. Sein Name klingt so gewohnt aus meinem Mund, obwohl ich ihn gar nicht so oft nenne. »Kannst du die Nacht nicht hier bleiben?«

Er sieht mich eine Weile an. Sein Blick ist monoton, aber ich weiß, dass ihn meine Worte verwirren. Mich tun sie es auch. »Nur diese eine Nach?«

Nasuh sieht runter auf die Sporttasche und dann zu mir. »Nur diese Nacht.«
Bis jetzt hat es nie gehalten. Nur diese eine Nach, wurde mir gesagt, aber das hatte eine Kettenreaktion von Nächten ausgelöst, die einem Alptraum glichen.

»Du hast Fieber«, stellt er dann fest. Jetzt hat er einen Grund für mein komisches Verhalten gefunden. Vielleicht hat er Recht. Vielleicht macht das die Krankheit mit mir. Ich kann doch nicht mehr klar denken.

Er kommt zu mit, legt die Hand auf meine Stirn, um seine These zu betätigen. »Hab ich's doch gesagt.«
»Du solltest nicht zu nah zu mir kommen. Sonst wirst du noch krank.«

Seine grünen Augen, die mich nicht mehr an Gift, sondern an die Farbe der hellen Tannen erinnert, sind mir so nah, wie noch nie. Statt sich zu entfernen, verharrt Nasuh in der Position und starrt mir tief in dir Augen. »Ich werde es schon aushalten.«

Nur diese eine NachtHikayelerin yaşadığı yer. Şimdi keşfedin