Die zwölfte Nacht

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Die zwölfte Nacht

»Weißt du überhaupt, was du da tust!«, weckt mich eine unbekannte Stimme aus dem Schlaf.

Mein Nacken tut weh. Er sollte wehtun, weil ich wieder die ganze Nacht durchgängig gelernt habe und nicht, weil ich die ganze Zeit über in einem Wagen schlafen musste.

Ich liege aber nicht mehr im Wagen, sondern in einem ziemlich gemütlichen Bett. Die Decke riecht penetrant nach Waschmittel. Es ist dunkel, aber ich kann Umrisse der Möbel erkennen. Der Raum ist nur spärlich eingerichtet.

Ich überlege, was als letztes passiert ist. Mein juckender Ausschlag erinnert mich daran. Ich habe Tabletten genommen und geschlafen.

»Natürlich weiß ich das. Entweder hilfst du mir oder du tust es nicht«, beteiligt sich Nasuh lautstark. Sie müssen im Nebenraum sein.

Die Fesseln sind immer noch um meine Arme und Beine. Das Jucken ist immer noch stark, aber nicht mehr so intensiv wie am Anfang.

»Ich bin dir gar nichts schuldig, Nasuh.«

Ich richte mich auf und das sorgt dafür, dass mein Rücken noch heftiger schmerzt. Mein Kreislauf macht nicht einmal so eine kurze Bewegung mit. Mein Kopf pocht und meine Nase ist zu. Habe ich mich auch noch erkältet?
Normal, es ist schon verwunderlich, wie mein Körper das alles ausgehalten hat.

»Das habe ich nie behauptet«, raunt Nasuh. »Ich würde niemals hier vor dir stehen, wenn es nicht so dringend wäre.«
»Was hast du mit diesem Mädchen vor, bringst sie in Fesseln hierher?«
»Nichts. Die Fesseln sollen dafür sorgen, dass sie sich nicht kratzt.«

Mein Gesicht fühlt sich dick an. Gut, dass meine Zunge nicht angeschwollen ist. Ich weiß noch, als ich klein war, da musste ich ins Krankenhaus, weil es so schlimm war. Wie lange war ich dort geblieben?

»Dass ich nicht lache!«, ruft der Mann und ich stehe langsam vom Bett auf. Die Dielen geben ein Knatschen von sich, als ich aufstehe und deshalb traue ich mich nicht, mich weiterzubewegen. Schließlich müsste ich mit den Fesseln hüpfen, um mich fortzubewegen.

»Sie ist meine Braut, du kannst sie ja selbst fragen«, presst Nasuh hervor und ich halte den Atem an. Seine Braut? Was würde passieren, wenn ich losschreie? Oder wenn ich dem Mann irgendwie weismachen kann, dass ich entführt wurde?

»Sie ist wach«, meint der Mann dann und läuft hierher. »Ich hab ein Geräusch gehört.«

Ich verliere kurz das Gleichgewicht und falle auf das Bett. Ungeschickt richte ich mich auf, als der fremde Mann zu mir herkommt, Nasuh im Schlepptau.

»Wie fühlst du dich?«, fragt er mich und richtet meine Arme so, dass er die Schwellung beobachten kann.
»Es ist besser«, sage ich und er nickt.
»Ich bin Kardiologe. Das hier ist nicht meine Liga«, meint er und sieht mich mit einem schwachen Lächeln an. Er wirkt wie Mitte dreißig und hat ein vertrautes Gesicht. »Aber wir werden es schon hinkriegen.«

Dann sieht er wieder wütend zu Nasuh und zurück. »Bist du hier, weil du blind vor Liebe bist oder hast du einfach Angst vor der Pistole in seiner Hose?«

Ich sehe zu Nasuh, der mich intensiv anschaut. In seinen Augen steht eine Drohung geschrieben. »Zwei mehr oder weniger machen es auch nicht aus«, spricht er langsam und erinnert mich an die Worte, wie er meinte, dass eine Leiche ihn nicht weiter stören würde. Dieses Mal geht es wohl um zwei.

Nur diese eine NachtWhere stories live. Discover now