Die dritte Nacht

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Die dritte Nacht

Eiskaltes Wasser wird über meinen Kopf geströmt. Ich schreie auf, während die Kälte sich in meinen Körper bahnt und in die Hautzellen absetzt. Ich atme ein, als würde es das letzte Mal sein, dass ich diese Gelegenheit bekomme. Mein Haar klebt in meinem Gesicht und meine Sicht ist zur Hälfte verdeckt.

Ich sitze auf einem robusten Stuhl und mein Blick ist nach unten gerichtet. Fesseln schneiden sich in meine Haut an meinen Arme und Beinen. Meine Sicht ist benebelt, nur ganz langsam klärt sie auf.
Wo bin ich hier?

Schritte hallen auf dem Betonboden. Meine Sicht ist frei auf das Paar schwarze Schuhe, welche die Geräuschquelle darstellen. Sie bleiben genau vor mir stehen.

Die Kälte ist so einnehmend, dass meine anderen Sinne beschränkt sind. Ich presse die Beine zusammen, so weit es mir die Fesseln erlauben. Dadurch entsteht ein kleiner freier Fleck auf dem Stuhl, auf dem der Mann demonstrativ seinen Fuß legt.

Ich sehe zitternd hoch. Der Mann ist mindestens zwei Meter, trägt einen schwarzen Anzug und ein höhnisches schiefes Grinsen, welches seine weißen Zähne offenbart. Bevor ich noch mehr erkenne, senke ich den Kopf wieder. Er wiegt plötzlich so schwer und gleichzeitig ist der Raum ziemlich grell.

»Wie heißt du?«, hallt seine tiefe raue Stimme im Raum. Sie klingt wie ein Schlag, eine Drohung, die mir eine Gänsehaut verschafft.

Wie kleine Bilder kommen die Fetzen der Nacht in meinem Kopf. Ich sehe Fatima, ich sehe das Blut uns ich sehe den Mann von gestern. Er ist ein anderer als der heute.

Die Bedeutung seiner Worte erreichen mich spät, ich kann die Situation nicht einordnen, bin noch ziemlich benebelt. Haben die mir etwas gegeben?

Ich muss mir etwas einfallen lassen. Was soll ich bloß sagen? Ich bekomme ja nicht einmal meinen Mund auf.

Wo ist Fatima? Was haben sie mir ihr gemacht?

Der Mann schnalzt verachtend mit der Zunge. Legt den Fuß auf die Stuhlkante und stoßt mich damit rücklings nach hinten. Ich gebe ein Quietschen von mir, habe das Gefühl, dass ich so etwas wie eine Stimme gar nicht mehr besitze.

Nach dem dumpfen Aufprall sorgen meine Rippen dafür, dass meine Lungen streiken und ich hektisch nach Luft range. Mein Mund klappt auf, aber Sauerstoff fehlt mir trotzdem.

»Sie hat wohl die Stimme wieder gefunden«, kommentiert der Mann belustigt mein Quieken. Ich kriege die Augen kaum auf, sehe noch, wie er in eine Richtung sieht und dabei zu mir läuft. »Wie heißt die Schlampe?«

»Derin Şensoy«, kommt es als Antwort von einer Ecke. Ich kann nicht genau sagen, welche.
»Derin«, wiederholt der Mann und dieses Mal drückt er seine Schuhsohle gegen mein Gesicht. »Derin, çok derin bir kuyuya düştün [Derin, du bist in ein tiefes Loch gefallen]«, macht er ein Wortspiel aus meinem Namen. »Dipsiz, kaçımsız. [Ohne Ende, ohne Fluchtmöglichkeit.

Er nimmt den Fuß wieder von meinem Gesicht. »Richtet sie auf.«
Vier Arme strecken sich nach mir und mit einem Mal sitze ich wieder gerade auf mein Stuhl, aber die Welt dreht sich. Mir ist speiübel und der Druck in meinem Magen kommt so plötzlich und heftig, dass ich mich vor seine Füße übergebe.

Danach spüre ich einen heftigen Schlag am Hinterkopf und die Welt dreht sich nicht nur, sie schlägt Pirouetten und Salti und schwarze Punkte tanzen vor mir und lachen mich aus, weil ich gefesselt bin und langsam verschwimmt alles, bis ich in einen unsanften Schlaf falle.

Als ich wach werde, sind meine Haare nach hinten gebunden. Der Raum riecht nach irgendeinem Putzmittel und steht leer. Ich atme tief ein und bin dankbar, dass meine Lungen wieder gelernt haben, was ihre Funktion ist.

Nur diese eine NachtTahanan ng mga kuwento. Tumuklas ngayon