Kapitel 20

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Leyla war am Ende. Nach Irinas Tod war sie zu nichts mehr zu gebrauchen gewesen. Sie weinte oft und aß kaum noch. Revenbrook hatte sie zwar ein paar Tage in Ruhe gelassen, dann aber wieder wie vorher weitergemacht. Jedenfalls hatte er es versucht, Leyla wehrte sich jedoch gekonnt gegen die meisten seiner Versuche, sich an ihr zu vergnügen. Irgendwann war es ihm zu viel geworden und er hatte Astan angerufen. Dieser klingelte nun an seiner Haustür. ,,Na, hat dein Püppchen den Reiz verloren?", fragte er hämisch, als Revenbrook ihm die Tür öffnete. ,,Firat, ich weiß nicht, ob sie für deine Zwecke noch zu gebrauchen ist. Sie weint viel und wehrt sich konsequent." ,,Du bist einfach nur ein Weichei, das ist alles. Sie ist schwach, Minister, und das muss sie merken. Isst sie?" ,,Wenig, aber ja." Firat zuckte mit den Schultern. ,,Sie wird essen. Oder sich mehr anstrengen müssen, ihre Entscheidung. Bring sie hoch." Revenbrook gehorchte und machte sich auf den Weg in den Keller, um Leyla zu holen.
Als er die Tür zu Leylas Zimmer öffnete, zeigte sich ihm ein bezeichnendes Bild. Leyla saß mit dem Rücken zur Tür auf ihrer Matratze und hatte Irinas Kopfkissen fest im Arm. Auch wenn dieser Moment für sie sehr privat war, musste Revenbrook sie stören, ehe Firat kam. Er betrat also das Zimmer und räusperte sich. Leyla zuckte kurz zusammen. ,,Verschwinde!", zischte sie und wischte sich durch ihr Gesicht. Vermutlich hatte sie wieder geweint. ,,Nein. Du wirst mit mir kommen, Firat ist hier." Schon bei dem Namen gefror Leyla das Blut in den Adern. ,,Was will er?", fragte sie, um eine kalte Ausstrahlung bemüht. Ein Zittern in ihrer Stimme verriet sie jedoch. ,,Du wirst mit ihm gehen. Ich brauche dich hier nicht mehr." Endlich drehte sie sich zu ihm um. Ihre Augen waren rot und wirkten geschwollen, sie hatte also wirklich geweint. ,,Du brauchst mich nicht mehr?! Sehe ich aus, wie ein beschissenes Spielzeug, das man einfach weiterreichen kann, wenn man es nicht mehr haben möchte?!" Das Grün ihrer Augen leuchtete durch ihre Wut nochmehr als sonst. Revenbrook war so überwältigt von ihrem plötzlichen Ausbruch, das ihm die Worte fehlten. ,,Aha. Du kannst mich also an dieses MONSTER übergeben, einfach so. Noch dazu an IHREM GEBURTSTAG! Jedenfalls wäre er das, wenn du dich besser im Griff gehabt hättest. Aber etwas dazu sagen kannst du nicht?! Auf die Idee, das ich auch nur ein Mensch mit Gefühlen bin, kommt hier scheinbar niemand!" Weil ihm immer noch nichts einfiel, schlug Revenbrook ihr mit der flachen Hand ins Gesicht, was sie allerdings nur noch wütender machte. ,,Ist das das Einzige, was du kannst? Mich zu schlagen, weil ich Recht habe? Weil du auch ein Monster bist?! Glaub ja nicht, dass ich verschwunden bin, wenn du mich weggibst. Ich werde immer ein Teil deines kranken Lebens bleiben, das ich, und das schwöre ich dir, eines Tages eigenständig beenden werde!" Revenbrook nahm diese Drohung nicht ernst, packte Leyla am Arm und zog sie auf die Beine. Sie schaffte es gerade noch, das Kissen festzuhalten. Bei Firat angekommen, versuchte Leyla, ihren Hass und ihren plötzlichen Mit zu zügeln, was ihr nur schwer gelang. Sie wusste aber, dass Firat es ihr übel nehmen und sie ihre Worte bereuen würde. Ein kleines "Monster" konnte sie sich dennoch nicht verkneifen. Firat hörte sie zu ihrem Unglück und wandte sich an Revenbrook. ,,Ich nehme das vorlaute Ding jetzt mit. Du weißt ja, wo du sie findest. Wenn neue Ware kommt, melde ich mich wieder." Er packte Leyla im Genick und zog sie nach draußen. Kaum, dass die Tür hinter ihr ins Schloss gefallen war, packte er das Kissen und entriss es Leyla. ,,Nein! Gib es mir zurück, das war Irinas!", kreischte sie aufgebracht. ,,Irina ist nicht mehr, das brauchst du nicht mehr.", antwortete er kalt. ,,Bitte", flehte sie kläglich, ,,heute ist ihr Geburtstag..". Er hielt kurz inne, hielt das Kissen in ihre Nähe, nur um es dann mit einem Messer einzuschneiden und zu zerreißen. ,,NEEIIIN!!!" Leylas Stimme drohte bei diesem schmerzerfüllten Schrei zu brechen. ,,Tote haben keinen Geburtstag, merk dir das!" Er packte sie erneut im Nacken und zerrte sie ins Auto. In ihrer Panik hatte Leyla nicht einmal bemerkt, dass er sie losgelassen hatte. Innerlich verfluchte sie sich jetzt für ihre Unachtsamkeit. Da sie an der Situation aber nichts mehr ändern konnte, schaute sie teilnahmslos aus dem Fenster, an dem das graue Hamburg vorbeiflog. Plötzlich hielt Firat an und stieg aus. Kurz darauf öffnete er auch ihre Tür und zog sie erneut hinter sich her hinein in einen kleinen schäbigen Laden, vor dem ein Plakat mit dem Titel "All you can fuck" prangerte. ,,Das hier ist dein neuer Arbeitsplatz. Du hast ein kleines Zimmer, in dem du deine Kunden auch beglückst, dazu kommen wir gleich." Firat zeigte ihr grob das Gebäude und schließlich ihr Zimmer, in dem er sie aufs Bett schubste. Er setzte sich auf sie und hielt ihre Arme fest. ,,Bitte nicht...", winselte sie. ,,Schätzchen, das wird dein neuer Alltag. Du musst dir nur eine Kleinigkeit merken: Kondom, keine Küsse auf den Mund und kein Augenkontakt während des Jobs. Verstanden?" Sie nickte eingeschüchtert und in der Hoffnung, wenigstens für heute in Ruhe gelassen zu werden. Doch sie lag falsch, den Firat kam nicht darüber hinweg, ihr ein weiteres Mal zu demonstrieren, wer von ihnen beiden der Überlegenere war. Als er fertig und Leyla ein Häufchen Elend war, zog er sich an und erklärte ihr, dass in einem kleinen Schrank Klamotten für sie lagen, ähnlich wie es bei Revenbrook der Fall gewesen war. Sie machte sich so gut es ging frisch und zog sich um, um dann in den "Aufenthaltsraum" zu gehen, in dem die Kunden warteten. Sie hatte sich gerade auf ein zerschlissenes Ledersofa gesetzt, als sie eine vertraute Stimme hinter sich hörte. ,,Da würde ich mich nicht hinsetzen, du willst nicht wissen, was darauf schon passiert ist." Angewiedert sprang Leyla auf und drehte sich zu der Stimme um. Sie hatte sich nicht getäuscht. ,,Corinna", hauchte sie, bevor sie ihre ehemalige Mitschülerin in den Arm nahm, erleichtert, ein bekanntes Gesicht zu haben. ,,Wo ist Irina? Wo wart ihr überhaupt?", fragte diese irritiert. ,,Lange Geschichte...", seufzte Leyla mit einem Kloß im Hals. ,,Ich hab gerade Zeit, erzähl doch mal.. Wir können uns dahinten hinsetzen, die Stühle sind okay." Leyla folgte Corinna also zur besagten Sitzgruppe und fing an, zu erzählen. Für Außenstehende mussten die beiden ein merkwürdiges Bild abgeben, knapp bekleidet, dicht aneinander gedrängt und tuschelnd. Als auch Corinna mit den Tränen zu kämpfen hatte, wurde das Bild noch konfuser. Letztendlich mussten beide kurz auf ihre Zimmer verschwinden, um sich neu zu schminken und auf mögliche Kunden zu warten...

Sie nannten mich EisprinzessinWhere stories live. Discover now