13. Echo

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"Nein, ich möchte keine Anzeige erstatten. Und ja, sie hat einen Führerschein.", sagte mein Vater aufgebracht.

Nachdem Drew und Jace sich von mir verabschiedet hatten, war ich zunächst einige Stunden alleine auf der Wache. Meine Arme hatten immer noch eine Gänsehaut, nachdem mich Jace zum Abschied umarmt hatte. Ich wusste nicht was es war, aber dieser Junge brachte mich dazu über ihn nachzudenken und das obwohl er schon lange fort gewesen war. Ich kannte ihn noch nicht lange und trotzdem fühlte es sich wie eine Ewigkeit an. Er hatte etwas an sich, dass ich gerne wieder hier bei mir haben wollte.

Als er mich vorhin fragte, ob ich mit ihm ein Eis essen gehen wollte, war ich zum ersten Mal an diesem Tag wirklich glücklich gewesen.

Ich war schon oft glücklich gewesen, aber dieses Mal fühlte es sich wie das pure Glück an. Ich freute mich auf das Treffen, auch wenn es ziemlich schweigsam werden wird. Umso besser, dass Drew mitkommen würde.
Er war nicht einmal angespannt gewesen, als Jace mich gefragt hatte. Ihm schien es wohl wirklich nichts auszumachen. Drew war wirklich sehr nett und lustig obendrein. Ich denke, dass dieses Treffen zu dritt, wirklich erholsam und interessant werden wird. Außerdem fühlte ich mich durch Drew etwas sicherer, immerhin kannte ich Jace nicht wirklich. Das einzige was ich über ihn wusste war, dass er mich irgendwie verrückt werden ließ und dass er, wie Drew schon erwähnt hatte, ein leichtes Agressionsproblem hatte.

Dieser Junger schien mehr zu verbergen, als preiszugeben.

"Gut. Dann wäre das alles. Sie können ihre Tochter mitnehmen.", sprach der Polizist und ließ mich und meinen Vater gehen.

Zusammen liefen wir zu seinem Auto und setzten uns hinein. Zuerst blieb es still, ehe er aufgebracht auf sein Lenkrad schlug und schwer atmend Luft aus seiner Lunge ausstieß. Ich zuckte bei seinem Schlag zusammen und bekam eine leichte Gänsehaut auf meinem Arm. Mein Vater war schon immer leicht agressiv.

"Tut mir leid.", entschuldigte er sich sofort.

Dann ließ er den Motor an und fuhr nachhause. Ich rannte direkt in mein Zimmer und schmiss mich auf mein Bett.

"Wo warst du?", vernahm ich eine Stimme hinter mir, worauf ich heftig zusammen zuckte und aufsprang. Es war Dean. Mein Cousin, den ich in der Schule vergessen hatte.

Um ihn leicht zu beruhigen und mich zu entschuldigen, ging ich auf ihn zu und umarmte ihn.

"Also, wo warst du jetzt genau? Und wehe, ich erfahre es sowieso."

Dann hörte ich, wie mein Vater meine Mutter anschrie.

Leise deutete ich Dean an, dass er am besten bei meinen Eltern zuhören sollte. Dann würde er es schon erfahren. Dean nickte mir zu und zusammen setzen wir uns auf die Treppe, wo meine Eltern uns nicht sehen konnten.

"Und wieso bist du nicht mitgegangen?", brüllte mein Vater und meine Mutter schrie zurück.

"Wieso sollte ich denn? Sie war doch das Miststück, dass meinen Wagen geklaut hat."

"Nenn sie noch einmal so und es setz was."

"Ich habe sie nicht umsonst, nicht auf mein Auto anmelden lassen. Sie soll lernen was sich gehört und was nicht."

"Sie ist ein Kind Clary. Was erwartest du bitte? Kinder machen dumme Dinge. Aber das du sie sogar aufs Revier gebracht hast, geht wirklich zu weit.", schrie mein Vater sie erneut an und man konnte etwas zerspringen hören.

"Du warst auf der Polizeistelle?", zischte mir Dean leise zu. Ich stoppte ihn jedoch sofort wieder, indem ich mir den Finger vor den Mund hielt und ein leises Geräusch machte

"Ja, ein Kind ist sie. Nichts weiter. Ein Nichtsnutz. Was denkst du bitte, was sie später für Jobaussichten hat? Gute sicher nicht. Ihre Noten sind auch nicht gerade die besten. Ach und habe ich vergessen, dass dein Kind nicht spricht?", zischte sie und ich hörte Gepolter.

Ich senkte meinen Kopf. Sie hatte recht. Ich würde niemals einen guten Job bekommen, wenn ich nichts an mir ändern würde.

"Meine Güte, ja, es ist ihre Schuld. Also reg dich ab und kümmere dich um deine eigenen Angelegenheiten. Immerhin ist sie meine Tochter! Sie wird etwas gutes finden.", brüllte mein Vater. Ich hatte es noch nie erlebt, wie er mich verteidigte. Normalerweise war ich immer der Sündenbock für alles.

Ich strich mit meiner Hand über meinen rechten Arm. Langsam wurde mir kalt.

"Ja, deine Tochter, nicht meine! Deswegen ist es mir auch egal, was aus ihr wird. Ganz egal.", schrie meine Mutter zurück. Dann hörte ich, wie eine Tür zuknallte und ihre Schritte in unsere Richtung hallten.

Eilig sprangen Dean und ich auf.
In meinem Zimmer angekommen, lief mir eine Träne die Wange hinunter.

Ich realisierte gerade, was passiert war.

Meine Mutter hatte gerade zugegeben, dass ich nicht ihr Kind bin. Dass ich keine Mutter hatte und dass mein Leben eine ganze Lüge war. Wieso hatten sie es mir nicht selbst gesagt? Vielleicht würden wir alle in einem anderen Verhältnis zueinander stehen und vielleicht würde ich dann noch sprechen. Wenn...

Ich versuchte etwas zu sagen, wie weh es mir tat, doch es kam kein Ton über meine Lippen.

Als Dean sah, wie verzweifelt ich in der Mitte meines Zimmers stand, kam er zu mir rüber und umarmte mich. Seine Umarmung fühlte sich gut an. Er strich mir mit der Hand leicht über meinen Rücken und meine langen Haare. Immer wieder machte er beruhigende Geräusche, doch es hinderte mich trotzdem nicht daran, weiter zu weinen. Der Schleier meiner Tränen versperrte mir irgendwann meine Sicht. Alles fühlte sich gerade so taub an, als wäre es nicht real. Als wäre gerade nicht passiert was passiert war.

"Keine Sorge Echo. Alles wird gut. Ich bin immer für dich da.", sprach er leise. Ich brachte nur ein stummes Nicken zustande. In diesem Moment war ich überglücklich, dass er von der Seite meines Vaters kam und nicht von der meiner angeblichen Mutter. Sonst würde er vielleicht auch irgendwann gehen wollen.

■04.07.16■

SilenceWhere stories live. Discover now