6. Kapitel: H.D. Midnight City

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Während ich aus Harrys Hotelzimmer direkt auf den Eifelturm sah, seinen Kopf mit meiner Hand streichelte und ihn auf meinem Schoß spürte, dachte ich über die vergangene Zeit mit ihm nach und genoss die warmen Sonnenstrahlen auf meinem Gesicht. Erneut hatten wir uns letzte Nacht geliebt. Die dritte mittlerweile. Das erste Mal in Mailand. Die letzten zwei Male in Paris. Einmal bei mir und diesmal bei ihm im Hotelzimmer. Der Sex mit ihm machte mich süchtig. Süchtig nach Lust, nach Berührung und nach Geborgenheit. Nach wie vor wusste ich nicht, was mich dazu geritten hatte, mit ihm eine solche Beziehung einzugehen. War es die Gewöhnung? Das Vertrauen zu ihm? Das Festhalten an den Erinnerungen? War es sein strahlendes Gesicht, als er mir das erste Mal in Mailand gegenüber stand? Dieses Grinsen, welches bis zum Mond ging und mit seiner Strahlkraft blendete? Welches mich an unsere Vergangenheit erinnerte und mir verdeutlichte, dass obwohl viel Zeit vergangen war, ich ihn immer noch mochte? Und in meinem Leben haben wollte? War es dieses Gefühl als er mich zum Lachen brachte und ich spürte, wie ein Teil meines Herzens wieder erwachte? Dieses Gefühl der Lebendigkeit in seiner Nähe? Als wäre es das fehlende Puzzle Teil in meinem Leben, das mich glücklich machen konnte. Oder war es das zweite Mal als er mir Nahrung und Trinken mitbrachte, mich vor Guccis Creative Director mit sehr viel Liebe und Respekt vorstellte und mich erneut zum Lachen brachte? Oder war es die Einladung mit der romantischen Stimmung, dem guten Essen und den Konversationen, die mich wieder an unsere gemeinsame Vergangenheit erinnerten? Als würde mir die Sehnsucht nach diesen Zeiten direkt anblicken und mich daran erinnern, das ich all das wieder haben könnte, wenn ich es zulassen würde. Wie empfand bei dieser Imagination? Welche Stellung hatte Harry in meinem Leben? An sich würde ich sagen, keine mehr. Und trotzdem war da dieser Wunsch, er hätte eine große, eine wichtige. Doch nicht unbedingt als Freund, sondern vielleicht als ein Freund, als bester Freund. Als jemand, der mich in meinem Leben begleiten und unterstützen würde. Mit diesem ich durch dick und dünn, durch gute wie in schlechte Zeiten gehen könnte. Doch wenn ich das so formulierte, wäre er mein fester Freund. Wenn ich es gar nicht formulierte, war er vorerst gar nichts außer eine Person, die meine Bedürfnisse befriedigte, mir Aufmerksamkeit schenkte und in deren Gegenwart ich mich wohl beinahe wie zuhause fühlte. Und genau das brauchte ich in diesem Moment. Auch wenn ich wusste, dass es Harry gegenüber unfair war, weil ich wusste, wie er weiterhin für mich empfand. Wenn ich so darüber nachdachte, begann ich mich für meinen Egoismus und meine Ausnutzung schlecht zu fühlen. Doch vielleicht durfte ich das so nicht sehen. Immerhin hatte er sich nun zum dritten Mal darauf eingelassen. Und mich in keine unangenehme Situation gebracht. Vielleicht war ihm diese Art von Beziehung auch recht? In einer Beziehung in der man sich regelmäßig traf, Spaß miteinander hatte und dann wieder ging. Vielleicht war es die Art Beziehung, die er momentan haben wollte. So hatte er mich in seinem Leben und auch wieder nicht. Genauso andersherum. Doch dann war da wieder der Gedanke der Seelenverbindung. Des Öfteren hatte ich darüber nachgedacht, genauso wie Harry, um festzustellen, dass an diesem Gedanken wirklich was dran war. In seiner Gegenwart fühlte ich mich vollkommen, ohne ihn leer und traurig. Doch was war, wenn ich mir das nur ausmalte, weil ich es nicht wirklich kannte, alleine zu sein? Was wäre, wenn ich mir das alles so sehr vorstellte, dass ich es mittlerweile selber glaubte? Weil mir der Gedanke gefiel und ich es sehr mochte, seine Nähe und Aufmerksamkeit genießen zu können? Wieso konnte ich aus dieser Beziehung keinen klaren Gedanken fassen? Wieso musste diese Beziehung so kompliziert sein? Natürlich könnte ich es mir einfach machen, meinem Herzen folgen und ihm eine zweite Chance geben. Doch dann waren da wieder die vielen Stimmen in meinem Kopf von Freunden, Fernsehsendungen und Interviews die mich anschrien, diesen Fehler nicht zu begehen. Wer einmal betrog, tat es angeblich auch noch einmal. Doch würde Harry wirklich so einen Fehler erneut begehen? Ich denke nicht dass er das tun würde. Immerhin hatte er mir noch in Paris vor einigen Wochen seine Liebe gestanden und mir versprochen, mir genau diese Angst zu nehmen. Außerdem war er hier, wieder in Paris und schenkte mir wieder solche Gefühle, die mich aufblühen ließen. Irgendetwas stank gewaltig an seiner Präsenz gleich in zwei Modemetropolen. Insbesondere an den Shows, an denen ich teilnahm. Konnte er das absichtlich so gelegt haben, um bei mir zu sein? Um mir seine Liebe zu zeigen? Würde es so etwas tun? Am liebsten hätte ich ihn danach direkt gefragt. Doch wenn ich das tun würde, würde es komisch zwischen uns werden und ich wusste nicht, ob ich bereit war, diese Beziehung dafür zu opfern. Also ließ ich es sein und legte meine Lippen auf seine als er sich aufgesetzt und nach meinem Gesicht gegriffen hatte.
,, Was schwebt dir wieder im Kopf, Ms. Douglas?'', hauchte er mir gegen die Lippen, um mir eine Gänsehaut zu verpassen und mich an die vielen vergangenen Morgen zu erinnern, an denen ich neben ihm glücklich aufgewacht war.
,, Daran ob wir zusammen duschen gehen sollten'', scherzte ich, um mich von ihm auf die Beine hochziehen zu lassen, um mich unter heißem Wasser und gut riechender Seife das vierte Mal in ihm zu verlieren. An den Spiegeln und an den Fenstern tropfte Wasser als ich meinen Körper in ein weißes Handtuch wickelte und meine Haare trocken rubbelte. In dieser Zeit stand Harry hinter mir und beobachtete mich bei meinen Bewegungen mit einem Blick, den ich bisher des öfters bei ihm gesehen hatte und ihn nach wie vor nicht deuten konnte. Einzelne Wassertropfen glitten an seiner muskellösen Brust nach unten, um im weißen Handtuch um seine Hüfte zu verschwinden. Seine braunen langen Haare tropften ihm auf die Schulter und als er sich neben mich stellte, entdeckte ich kleine Härchen auf seinen Wangen. Ohne zu überlegen, was ich tat, griff ich nach seinem Gesicht, um über die rauen Stellen zu streicheln, die meine Fingerkuppen kratzten.
,, Ein Bart würde dir sehr gut stehen'', ließ ich sein Gesicht nach der Inspizierung los und schlüpfte in einen frischen schwarzen Spitzenslip und meinen schwarzen BH. Auf meine Antwort lachte Harry bevor er Rasiercreme auf seinen Wangen verteilte und den Rasierer befeuchtete.
,,Wenn ich das tue, schaue ich aus wie eine christliche Figur'', spaßte er und begann sich zu rasieren.
,, Kann gut sein, aber was ist falsch daran?'', antwortete ich und kämpfte mich in meine schwarze Seidenstrumpfhose. Sein Blick sprach mehr als tausend Worte und brachte mich zum Lachen. Zum Jesus würde er nicht werden. Zumindest vorerst. Nach dem ich mich in mein schwarzes Blusenkleid gekämpft hatte, eine Tagescreme auftrug und meine Haare trocken geföhnt hatte, verabschiedete ich mich mit einer Handbewegung und einem Augenzwinkern von Harry, um mich dann auf den Weg zu meinem ersten Job als Runway Model zu machen. Vor lauter Harry und meinen Gedanken hatte ich die Aufregung ganz vergessen, die sich mit jeder Haltestelle bemerkbarer machte und die ersten Anzeichen einer Übelkeit zeigte. Ich verfluchte mich keinen Kaffee getrunken oder eine Kleinigkeit gegessen zu haben. Wenn ich ehrlich war, hatte ich seit gestern Mittag außer Wasser nichts zu mir genommen, sodass mein Bauch leer und damit flach war. Doch umso näher der Moment kam, desto hungriger wurde ich und desto mehr wollte ich mich übergeben. Nach einer dreiviertel stündigen erfolgreichen Fahrt mit Hitzeausbrüchen, einer hin und wieder verschwommener Sicht und einem laut knurrenden Magen, kaufte ich mir bei einer Bäckerei einen frisch gepressten Orangensaft und eine Semmel von der ich sehnsüchtig abbiss und das Knuspern in meinem Mund genoss. Sofort spürte ich den Zucker in meinem Körper, um selbstbewusst und stark mit dem Verschwinden der Tüte in meiner Tasche die große Halle zu betreten und meinen Personalausweis dem Sicherheitsdienst vorzuzeigen. Erleichtert und stolz, die Halle ohne große Probleme gefunden zu haben, folgte ich den Stimmen vieler Frauen und Männer und fand mich in einer großen hell beleuchtenden Halle wieder, in der mich Oliver mit offenen Armen begrüßte und mich seinem Styling Team vorstellte. Der Creative Director trug einen schwarzem Blazer, Röhrenjeans, Lackschuhe und ein legeres schwarzes T-Shirt und zeigte mir zum zweiten Mal meine zwei Kostüme, welche ich gleich beim Ankommen in Paris beim Fitting anprobiert hatte und in ihnen eine kurze Runde gelaufen war. Dabei wurde ich von Olivers Team begutachtet und es wurden Stecknadeln an meinem Körper befestigt und Fotos gemacht. Die Vorstellung, die normalerweise vor dem Fitting stattfand, wurde für mich ausgelassen, da Oliver bereits eine Vision von mir hatte und sein Team diese ohne das Vorlaufen und mit dem Zeigen meines Portfolios verstand. Wahrscheinlich hatten sie meine Fotostrecke für Chanel gesehen, um meine Qualitäten zu kennen oder sie gehorchten Oliver ohne Kommentar. Meine Kostüm machte mir zum zweiten Mal Gänsehaut als ich diese in meinen Händen hielt und über die Stoffe streichelte. Das erste Kostüm war ein Minikleid in schwarz mit langen enganliegenden Ärmel, an denen einzelne Elemente ausgeschnitten waren und unter ihnen goldene Spitze hervorleuchtete. Das Kleid hatte am Oberkörper dieselben Ausschnitte außer, dass es an den Schultern große goldene Elemente hatte und am Kragen eng durch eine goldene Kordel zugeschnürt wurde. Dazu würde ich hohe schwarze Overknees tragen mit Spitze und mittelhohem Absatz. Dagegen war das zweite Outfit gewagter und mehr sexy, weshalb es mir wahrscheinlich so gut gefiel. Es war wieder ein Kleid, diesmal nur aus schwarzer Spitze unter dem die Haut durchschien. Die Taille wurde betont durch einen großen schwarzen glänzenden Gürtel ohne Schlinge und an den Beinen sorgte schwarzer Spitzen Voulant für Bewegung. Derselbe Voulant überdeckte meine nackten Brüste unter dem Stoff, der vom Kragen los bis tief zum Beginn des Gürtels ging. Dazu würde ich schwarze kurze Stiefel tragen mit Spitze und Absatz. Das zweite Outfit war gewagter, doch genau das reizte mich und gefiel mir sehr. Nach der Vorstellung weißte mich eine der Stylistinnen einem Platz zu, um mich kurze Zeit später in Gigi Hadids Armen aufzufinden, die mich überrascht und herzlich begrüßte und mich ihren Model Freundinnen vorstellte. Bei dem Anblick der Supermodels, die über Catwalks von Welt Marken und Victoria's Secret gelaufen waren, verschlug es mir die Sprache und ich brachte nur ein schüchternes Lächeln und leise Worte heraus. Meine Aufregung brachte die Frauen zum Lächeln, darunter die blonden Models Stella Maxwell, Doetzen Kroes und Karlie Kloss und die braunhaarigen Joan Smalls und Josephine Skriver. Wir begannen eine kurze Konversation miteinander zu führen, in der ich erklärte, warum ich meinen Job für einen Tag gewechselt hatte und wie es dazu gekommen war. Die Models hörten mir interessiert zu und drückten mir für den Abend die Daumen. Bevor manche die Runde verließen und andere dazu kamen. Gigi blieb die ganze Zeit an meiner Seite bis ich sie endlich danach fragte, wieso manche der Models, sie inbegriffen, eine andere Haarfarbe hatten als sonst. Lachend beantwortete sie mir die Frage, dass Oliver für seine Show Typen wechseln wollte und sie deshalb braunhaarig statt blondhaarig war. Ihr gefiel dieser Look sehr und er stand ihr auch außerordentlich gut obwohl ich mir schon die Frage stellte, ob solche drastischen Umwandlungen zum alltäglichen Modeljob zählten. Lässig unterhielten wir uns weiter mit Stella bis mir erneut die Sprache verschlagen wurde und ich mich fragte, ob Kendall Jenners blondhaarige Erscheinung ein Witz des Schicksals oder meine alltägliche Folter war. Auch sie reagierte überrascht als sie mich in Augenschein nahm und als Gigi mich ihr vorstellte, reichte sie mir mit einem aufgesetzten Lächeln die Hand, die ich widerwillig annahm und freundlich nickte. Anschließend trennten sich unser aller Wege, da die Stylisten uns zu sich riefen und begannen, uns für die Show fertig zu machen. Ich wusste nicht ob ich lachen oder weinen sollte, als der Platz neben mir Kendall zugeteilt wurde, die sich unwohl auf ihrem Platz bewegte und versuchte, nicht zu mir rüber zu sehen. Glücklicher Weise wurde mir eine freundliche Stylistin namens Molly Evans zugewiesen, die begann meine Haare zu kämmen und Extensions rein zu klemmen. Nach kurzer Zeit imponierte meine volle braune Haarpracht, die in einzelnen Strähnen hochgebunden und dann in Locken gedreht wurde. Währenddessen unterhielt ich mich mit Molly, die wie ich herausfand bereits mit mir zusammen für Dolce und Gabbana gearbeitet hatte. Wie sie mir entgehen konnte, wusste ich nicht, doch sie nahm das nicht persönlich und kommentierte lieber das Chaos der letzten Show mit vielen Worten. Das brachte uns beide zum Lachen und so verging das Haar Styling wie im Nu und ich fand mich zusammen mit den anderen Models auf dem großen schwarzen Catwalk wieder. Durch die vielen Gespräche hatte ich meine Aufgabe für diesen Abend mal wieder völlig vergessen oder besser gesagt verdrängt. Beim Anblick des schwarzen Holzbodens umgeben von unzähligen Reihen schwarzer Stühle wurde mir schlecht und in mir stieg Panik auf bei Beobachtung der Topmodels auf dem Catwalk. Während sie den Runway entlang stolzierten, bewegten sich ihre Hüften sexy von links nach rechts, ihre Arme schwangen auf natürliche Weise mit und ihr ernsthafter Blick hatte so etwas heißes, das ich mich begann zu fragen, was ich hier eigentlich tat. Caras Training würde nicht ausreichen können, um mit dieser Liga an Models mithalten zu können, niemals. Mein Herz begann immer schneller und lauter zu schlagen mit jedem Model, das vor mir den Catwalk betrat. Im Stillen bat ich Gott um seine Hilfe und versuchte mich von den kritischen Blicken der Models neben der Bühne nicht aus der Fassung bringen zu lassen. Über die Musik hinweg hörte man hin und wieder Oliver schreien, der mit seinem Team ganz vorne an der Bühne stand und den Walk beobachtete. Ich hatte Angst ihn zu enttäuschen und noch mehr Angst hatte ich, vor all den professionellen Models zu versagen. Doch ich beschloss mit meinem ersten Schritt den Catwalk so zu betreten als wäre es nicht mein erster und so bewegte ich mich im Tempo fort, setzte einen hoffentlich heißen Blick auf, machte eine stolze Pose am Ende der Bühne und drehte mich so elegant wie möglich wieder zurück, um Olivers Team mit meinen Hüftschwung vertraut zu machen. Als ich die Treppenstufen nach unten zu den Models ging, applaudierten sie mir oder nickten mit zuversichtlich zu. Oliver schenkte mir einen beeindruckenden Gesichtsausdruck bevor er Kendall, die nach mir laufen würde, beobachtete und ihr ein Lächeln schenkte. Ich war unglaublich stolz auf mich, meinen ersten Walk gut gemeistert und keinen enttäuscht sondern von mir überzeugt zu haben. Mit dieser Zuversicht und mehr Glauben in mich setzte ich mich wieder zu Molly, die begann mich in bräunlichen Tönen zu schminken. Währenddessen tauschten wir uns über unsere Arbeit aus, informierten uns über unsere Lieblingsprodukte und zeigten uns gegenseitig Tipps, die uns unserer Arbeit erleichterten. Zum Beispiel mochte es Molly Baking Powder unter die Augen zu tupfen sodass einzelne Farbpigmente des Lidschattens sich nicht in die Haut bohren konnten und mit einem einfachen Pinselstrich verschwanden. Ich zeigte ihr einen Tipp wie man die Augenbrauen besser fixieren konnte nämlich in dem man entweder den Pinsel befeuchtete, in Seife tunkte und die Augenbrauen kämmte oder den Vorgang mit Haarspray austauschte. So lernen wir beide neues dazu und uns besser kennen. Am Ende des Stylings sah ich mich unglaubwürdig im Spiegel an und dankte Molly vom ganzen Herzen. Meine Augen wurden durch eine dunkel braune Schattierung und durch einen hellen Lidschatten auf dem beweglichen Lid betont. Um sie optisch größer aussehen zu lassen, wurde ein schwarzer Lidstrich mit Wing gezogen und durch eine Schattierung meiner Wangenknochen wirkte mein Gesicht kantiger und schmaler. Meine Lippen glänzten in einem beigen Nude Ton und der rötliche Rouge auf meinen Wangen machte mich frisch. Ich fühlte mich wunderschön trotz der Menge an Make-up in meinem Gesicht und merkte wie allein durch dieses Styling mein Selbstbewusstsein stieg. Durch den Spiegel beobachtete ich die Arbeit der Stylisten und die Models, die locker in ihren Stühlen saßen, den Blick auf ihr Handy gerichtet hatten oder Konversationen mit ihren Stylisten führten. Man konnte ihnen anmerken mit welcher Lockerheit sie an diese Arbeit rangingen und wie viel Erfahrung sie hatten, um genau zu wissen, wie sie sich für ein Selfie hinzusetzen und zu lächeln hatten. Bei dieser Beobachtung fiel ich wieder in mir zusammen. Ich begann erneut an mir und meinen Fähigkeiten zu zweifeln und fühlte mich klein wie ich es schon lange nicht mehr getan hatte. Dieses Gefühl der Unsicherheit und des Unwohlseins hielt so lange an bis ich mich in meinem ersten Kleid vor dem Spiegel auffand und den weichen Stoff an meinem Körper spürte. Erneut wurde an mir herumgezupft, mein Gesicht abgepudert und meine Haare mit Haarspray fixiert. Es wurden mir Komplimente oder Ratschläge gegeben, es wurden Fotos von mir alleine oder zusammen mit anderen Models gemacht und mir wurde mehrmals erklärt an welchem Ort ich mich für mein zweites Kostüm auszuziehen hatte und wie schnell dies passieren müsste. Kurz vor der Show übte ich noch mit Gigi mögliche Posen ein, der, genauso wie Cara, sehr viel daran lag, mir den Einstieg in die Modelwelt zu erleichtern. Sie hatte das Glück durch ihre Mutter gehabt, die einst ein Model gewesen war und durch die sie schnell die Regeln der Fashion Welt verinnerlicht hatte. Sie wusste wie verunsichert man aufgrund seiner Umgebung werden konnte und wie schwierig es war, nicht die Nerven zu verlieren. Daher versuchte sie mir geschickt mit leichten Posen zu verdeutlichen, wie sexy eine einfache sein konnte und das es meistens sogar besser war, eine aus dem Kopf zu machen statt sich im Moment selber den Kopf darüber zu zerbrechen, was man nun tun müsste. Dankbar hörte ich ihr zu und folgte ihren Anweisungen, um mich dann beim Befehl des Designers in die festgelegte Reihenfolge zu stellen und meinen Moment abzuwarten. Plötzlich wurde es dunkel um uns herum und es ertönte wie zuvor bei Gucci klassische Musik, dieselbe zu welcher ich bereits davor gelaufen war. Die Mädels vor und hinter mir wünschten sich Glück, tauschten sich Luftküsse und Augenzwinker aus und applaudierten bei Olivers schönen aufmunternden Worten. Durch den Monitor verfolgte ich die ersten Models, die in ihren wunderschönen Kostümen die Bühne betraten und über den Catwalk stolzierten. Ich entdeckte, dass alle Reihen besetzt waren und viele Telefone in die Luft gehalten wurden. Durch meine Aufmerksamkeit gegenüber des Bildschirms und der Verinnerlichung der vielen Posen verstand ich viel zu spät, dass ich gleich dran war. Mein Herz pochte mir bis zum Hals und mein Mangen schnürte sich zu. Ich versuchte an Gigis und Caras Worte zu denken, um nicht den Verstand zu verlieren und atmete einige Male tief ein und aus. Bis der Moment plötzlich da war und ich selbstbewusst mit erhobenen Hauptes die Bühne betrat und all das negative, angsteinflößende mit dem ersten Schritt hinter mir ließ. Und dann war auf einmal der Moment vorbei und ich konnte mich weder an meine Pose noch an die vielen Menschen erinnern, die ich gestreift hatte. Ich erinnerte mich nicht einmal mehr ob ich richtig im Takt gelaufen war und wohin ich gesehen hatte. Es war wie ein Blackout, das mir richtig zu setzte, als ich zur Garderobe eilte, mir die Schuhe ausziehen ließ während eine weitere Hilfskraft meinen Reißverschluss öffnete und eine andere mein nächstes Kleid in den Händen hielt. Hektisch schlüpfte ich in das nächste Kleid, um in andere Schuhe zu steigen, mir die Haare schnell richten und mir das Kleid schließen zu lassen. Und schon fand ich mich wieder in der Reihe vor Kendall Jenner auf, die mir ein schüchternes Lächeln schenkte und ihren Blick auf den Monitor wechselte. Ich tat dasselbe, um dann zu erkennen, dass das professionelle Model vor mir betete und die Hände verschränkt hatte. Mitfühlend lächelte ich und fühlte mich auch ein Stück erleichtert, da ich erkannte, dass ich nicht die einzige Person war, die mit Nervosität und Angst zu kämpfen hatte. Als ich dann wieder an der Reihe war, beschloss ich diesen Moment in diesem Kleid zu meinem zu machen und den Menschen mit so einem Selbstbewusstsein zu begegnen, das sie mich nicht vergessen würden. Und genau mit diesem Gefühl der Stärke trat ich das zweite Mal hinaus ans Licht und setzte selbstbewusst als hätte ich in meinem Leben nichts anderes getan, das eine Bein über das andere. Mit jedem Schritt schwang ich meine Hüften von der einen Seite auf die andere, wippte bei meiner Pose locker vom einen Bein aufs andere und küsste mit meinem leicht durchscheinenden Hinterteil die Frontkamera. Als ich wieder im hinteren Bereich ankam, applaudierten mir die Models, welche meinen Walk gesehen hatten und schwärmten von diesem Kleid an meinem Körper. Diese Reaktion bedeutete mir so viel, dass mir die Tränen kamen, die ich mühevoll versuchte zu unterdrücken, da noch nicht der Moment zum Weinen gekommen war. Immerhin gab es noch eine letzte Runde in der alle Models zusammen den Catwalk betreten und Oliver Rousteigns Kollektion ehren würden. Das passierte einige Minuten später als uns das Publikum laut applaudierte und weitere Handys in die Luft gestreckt wurden. Ich versuchte mit all meinen Sinnen den Moment aufzunehmen, um dann im Styling Raum Gigi und anderen Models um den Hals zu fallen und den Tränen freien Lauf zu lassen. Ich weinte, weil mir ein großer Stein von den Schultern gefallen war und ich begriff, wie viel psychische Kraft mich diese Show gekostet hatte. Ich weinte, weil sich die ganze Arbeit bezahlt gemacht und ich der Welt gezeigt hatte, was in mir steckte. Ich weinte, weil ich es alleine zu etwas weitaus großem gebracht hatte, an das ich zuvor nie einen Gedanken verschwendet hatte. Ich war mit Hilfe so weit gekommen und stand nun zwischen den bekanntesten und erfolgreichsten Topmodels der Welt, die mich mit Komplimenten umgarnten. Nach dem wir wieder in unsere Alltagsklamotten geschlüpft waren und die meisten Models in Windeseile wieder verschwanden, verabschiedete ich mich herzlich von einzelnen, wechselte Telefonnummern mit ihnen und bedankte mich bei Oliver, der mich stolz in die Arme nahm und sich bei mir für meine atemberaubende Show bedankte. Seine Worte bedeuteten mir unglaublich viel und trieben mir wieder die Tränen in die Augen, die ich mir schnell wegwischte, um keine peinliche Situation zu erzeugen. Anschließend griff ich nach meiner schwarzen Ledertasche, um dann durch die Tür zu verschwinden und auf meinem Weg zum Ausgang die weit offen stehende Tür zur Halle zu streifen. Erst lief ich an ihr vorbei, um dann einige Schritte zurück zu laufen, als ich Harry mit einer Truppe nah an der Bühne erkannte. Er erkannte mich vorerst nicht und ich spielte mit dem Gedanken, meinen Weg fortzusetzen und nicht auf ihn zuzugehen. Ich wusste nicht wieso mir dieser Gedanke kam, doch als sich unsere Blicke plötzlich begegneten, verschwand dieser so schnell wie er gekommen war und ein breites Lächeln zückte mein Gesicht. Mit schnellen Schritten ging ich auf ihn zu, um ihn in Anwesenheit seiner Gäste fest zu umarmen und mir all die schönen Wörter anzuhören, die er mir zu sagen hatte. Dasselbe tat Cara, die ohne meines Wissens an der Show teilnahm und mich in den höchsten Tönen lobte. Sie trug ein schwarzes Minikleid, eine schwarze Lederjacke mit silbernen Pailletten und schwarzen Overknees und stellte mich dem Rest der Truppe vor. Mir fiel die Kinnlade zu Boden als ich Bekanntschaft mit der britischen Modeunternehmerin Alexa Chung und der italienischen Chiara Ferragni machte. Außerdem lernte ich zwei erfolgreiche Unternehmer Alessio und Vincenco aus Mailand kennen sowie andere wichtige Persönlichkeiten aus Paris und Mailand.
,, Von dir wird man eindeutig noch etwas in der Modewelt hören, Hailey. Du etablierst dir wirklich einen Namen mit so jungen Jahren. Ich gebe dir mal meine Visitenkarte, vielleicht hast du Lust für meine Modemarke Model zu stehen'', kommentierte Chiara meinen Walk und reichte mir eine glitzernde silberne Visitenkarte mit dem Symbol ihres Unternehmens, eines blauen Auges. Dankbar und geehrt nahm ich diese an, um von Alexa zum Lachen gebracht zu werden, als sie mir auch schnell ihre reichte und überzeugt von ihrem Modeunternehmen sprach.
,, Du rümpfst die Nase wenn du lachst'', stellte der braunhaarige Vincenco in glänzendem schwarzen Sakko klar und irritierte mich mit seinem Kommentar. Es schien als ob Geheimsprache gesprochen wurde und die meisten im Bilde waren, bis auf mich. Fragwürdig sah ich zu Harry rüber, dessen Smaragd grüne Augen im Licht leuchteten und durch seine schwarze elegante Garnitur betont wurden. Er schenkte der Gruppe ein verstecktes Lächeln, um mich dann nach Verabschiedung und Terminvereinbarung nach draußen zu begleiten. Zusammen würden wir uns abends auf ein Glas Wein wieder treffen, da die meisten zu weiteren Shows aufbrechen mussten und bis abends unterwegs sein würden. Harry und ich beschlossen gemeinsam eine Kleinigkeit essen zu gehen und das wundervolle kühle Wetter zu genießen. Zwar lag auch der Vorschlag von Sex in der Luft, doch mein knurrender Magen entschied und so fanden wir uns in der Innenstadt von Paris in einem kleinen rustikalen französischen Lokal und bissen von unseren bestrichenen Baguettes genüsslich ab. Einfallende Sonnenstrahlen sorgten für eine angenehme Stimmung gemeinsam mit der französischen Musik, die durch die Boxen tönte. Und den vielen hellen und dunkel Stimmfarben der weiteren Gäste, die um uns herum saßen. Der kleine runde Tisch und die Creme farbigen Stühle wirkten gemeinsam mit dem hellbraunen Mobiliar und den goldenen Elementen wie die des Kronleuchters oder den Kerzen auf unseren Tischen unglaublich süß und zogen meine Blicke sehr auf sich. Insbesondere deshalb, weil ein sehr attraktiver Mann vor mir saß und sein teures weißes Hemd vollkrümelte.
,, Ich denke wir hätten dir doch die Schnecken bestellen sollen'', witzelte ich, um in ein angewidertes Gesicht zu sehen, das mich zum Lachen brachte.
,, Du Krümelmonster. Ich will gar nicht wissen, was dieses Hemd kostet, das du gerade beschmutzt'', lachte ich weiter und legte mein belegtes Baguette mit Camembert und Salat zur Seite. Überfordert wechselte Harrys Blick von seinem Baguette zu seinem Hemd und wieder zurück bis er selber in Lachen ausbrach, sein Gebäck auf den weißen runden Teller legte und sich die Brösel vom Hemd strich. Dass er dabei direkt in Butter reinlangte und sie auf seinem Hemd verstrich, begriff er, als es zu spät war. Sprachlos blickte er auf den kleinen Fleck und versuchte ihn mit seiner Papier Serviette zu verstreichen. Das der Fleck nur größer wurde, begriff er auch zu spät und so schenkte er mir einen Gesichtsausdruck, den ich wohl niemals vergessen würde.
,, Das war es dann wohl mit diesem 300$ Hemd'', lachte er und legte die Serviette zur Seite. Seine lockere Reaktion verschlug mir die Sprache auch wenn ich schon längst solche Beträge aus seinem Mund gewohnt sein sollte. Mit einem Augenverdrehen reichte ich ihm die Hand, die er irritiert annahm und mit mir zusammen das Badezimmer aufsuchte. Glücklicher weise handelte es sich um eine Unisex Toilette, diese wir zusammen betraten und ich kurze Zeit später sein warmes Hemd in den Händen hielt. Während ich Seife auf dem Fleck verteilte und den Fettfleck versuchte auszuwaschen, beobachtete mich ein oberkörperfreier Harry, dessen Arme noch in seinem schwarzen Sakko steckten.
,, Glaubst du wirklich das hilft?'', witzelte er und sah mich skeptisch an.
,, Ich weiß das. Auch wenn es mich sehr wundert, dass du diesen alten Trick nicht kennst'', verdrehte ich die Augen und drehte die nasse Stelle über dem Waschbecken aus.
,, Es wird zwar an der Stelle verknittert sein, aber besser als ein Butterfleck'', half ich ihm beim Anziehen des Hemds und knüpfte die weißen Knöpfe zu. Dabei spürte ich die Wärme, die von seinem Körper aus ging, und nahm seine Beobachtung auf meinen Händen wahr. Als ich den letzten Knopf in das Loch steckte, sah ich zu Harry hoch, der mein Gesicht plötzlich in seine Hände nahm und mich leidenschaftlich küsste. Meine Lippen folgten instinktiv seinen und ließen mich alles um uns herum vergessen. Ich spürte an meinem Hinterteil das kalte Waschbecken, an meinem Oberkörper seinen warmen Körper und in meinem Gesicht die Wärme, die durch seine Hände und seine Küsse verursacht wurde. Wie sehr ich diese perfekten Küsse liebte und wie sehr sie mich doch süchtig machten. Mit einem strahlenden Lächeln ließ Harry von mir ab, um mich zurück zu unserem Tisch zu begleiten, der netter Weise von der aufgeklärten Bäckerin über Harrys Hemd bewacht wurde. Als ich mich setzte und einen Schluck von meinem Kaffee trank, legte Harry plötzlich eine weiße Samtbox mit der Aufschrift von Gucci neben meinen Teller. Überrascht sah ich zu ihm hoch, um in ein glückliches Gesicht zu sehen, das mich aufforderte, die Box zu öffnen. Neugierig nahm ich diese in die Hand, um dann unglaubwürdig die Smaragd grünen Ohrringe zu mustern, die trotz ihrer knalligen Farbe eine Eleganz hatten, das nur die Weltmarke selber konnte. In der oberen Mitte des Ohrrings waren die typischen GG Initialen umkreist von kleinen Smaragd grünen runden Kristallen. An ihnen hingen drei große rechteckige grüne Kristalle, die für den Hingucker sorgten. Verliebt starrte ich die Ohrringe an und nahm einen der beiden heraus, um die Leichtigkeit in meiner Hand zu spüren und die einzelnen Elemente aufzunehmen. Das waren die schönsten Ohrringe, die ich je in meinen Händen gehalten hatte und die ich mir perfekt an meinen Ohren vorstellen konnte. Doch gleichzeitig schwebte mir eine mögliche Summe der Ohrringe in meinem Kopf genauso wie der Gedanke, dass Harry nicht mehr in der Position war, mir solche Geschenke zu machen. Entschlossen legte ich den Ohrring zurück und sah in das Gesicht eines ungeduldigen jungen Mannes, der meine Reaktion nicht deuten konnte.
,, Gefallen sie dir nicht?'', hackte er nach und fügte hinzu:
,, Falls nicht, kann ich sie auch wieder zurückgeben. Ich dachte nur-''
,, Harry, sie sind perfekt. Ich habe noch niemals so wunderschöne Ohrringe gesehen und bekommen. Aber ich kann das Geschenk nicht annehmen. Das ist zu viel''

love, trust, promise | H.SWhere stories live. Discover now