3. Kapitel: Paris

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Eine schwarze Leinwand. Große weiße Lampen. Ein Fotograph in schwarzer Hose und Hemd. Zwei Assistenten in schwarzer Garderobe. Eine Makeup- Artistin ganz in Weiß mit rötlichen Haaren. Eine Modeberaterin von Chanel im typischen Chanel Look. Chanel Botschafterin Cara Delevigne als seelische Unterstützung in schwarz- weißer Garderobe. Ständig dem Daumen hoch zeigend. Projektleiter Arthur de Moligne auf einem Regiestuhl mit einer Cola Zero in der Hand. Karl Lagerfelds zweite Hand, Céléste Barbour an seiner Seite, die Hände ständig vor der Brust verschränkt. Kurz wird es dunkel. Dann wieder hell. Mein Name wird gesagt. Ich bewege mich. Springe. Posiere. Sitze. Stehe. Tanze. Das waren meine Eindrücke von einem Shooting, das meine Modelkarriere beginnen und meine Zugehörigkeit zu den Chanel Botschaftern ankündigen würde. Ständig wurde ich abgepudert, meine im Wet Look gehaltenen Haare wurden gekämmt und gelegt und mein Outfit wurde alle zehn bis zwanzig Minuten geändert. Meine Ohren wurden mit großen goldenen Klunkern oder weißen Perlen bestückt. An meinem Hals und an meinen Händen glänzten echter Chanel Goldschmuck und echte Perlen. Meine Füße steckten in High Heels oder Sneekern. Mein Körper zierte einmal ein Kleid, dann eine Hose, später ein Rock und ein T-Shirt und dann wieder von vorne. Ich war es nicht gewohnt, so viel Aufmerksamkeit zu bekommen, für Dinge, die ich sonst selber an mir oder an anderen Berühmtheiten tat. Es war ein merkwürdiges Gefühl von jemandem anderen als von mir selber oder Cat geschminkt zu werden. Genauso irritierte es mich teure Kleidungsstücke zu tragen, die ich zuvor mit großen Augen an Schaufenstern gemustert und von ihnen in meinem Schrank geträumt hatte. Ich vertraute dem Team und versuchte den Wünschen und Ansprüchen gerecht zu werden. Ich tat alles wofür man mich bat und versuchte die Unsicherheit und die Angst hinter einem ständigen schüchternen wahrscheinlich eher unsicheren Lächeln zu verbergen. Mit dem Shooting wurde ich eine Woche nach meiner Ankunft in Paris, mit dem Unterschreiben des Vertrags, ins kalte Wasser geschmissen, um mit meinem Gesicht die Vergrößerung der Chanel Botschafter Familie anzukündigen und über mich als erste Stylistin und Makeup- Artistin im Bunde zu berichten. Meine Gedanken hatten sich bestätigt, als ich zu dem persönlichen Gespräch von dem Projektleiter eingeladen wurde, um mich in einem Raum mit meiner Freundin Cara Delevigne, Willow Smith, Lily Rose Depp, Kristen Stewart und Pharell Williams wiederzufinden. Überrumpelt von den bekannten Präsenzen im Raum, tapste ich mich auf meinen schwarzen High Heel Stiefeln mit Spitze nach hinten und spielte mit dem Gedanken, auf dem Absatz kehrt zu machen und wegzurennen. Doch dazu kam es nicht, da mich eine überglückliche Cara in die Arme schloss und mich in hohen Tönen ihrem Team und den neues Ambassadors nämlich Kristen und Pharell vorstelle. Keiner der Anwesenden hatte je von mir gehört, auch wenn sie nach der kurzen Begrüßung sehr viel von mir erfahren wollten und große Augen bei der Information über meine Zusammenarbeiten machten. Ich selber konnte es nach wie vor nicht fassen, welchen Berühmtheiten ich gegenüber stand und Witze mit ihnen machte. Da stand zum einen die Tochter des unglaublichen Schauspielers und meinem Jugend- Crush Johnny Depp, die Tochter des talentierten Rollenschlüpfers Will Smith, Kristen Stewart alias Isabelle Swan, welche meine Kindheit mit der Liebe zu Schmusevampir Edward Cullen oder Kuschelwolf Jacob Black geprägt hatte und Pharell Williams, der die Welt mit seinem Song
,, Happy'' überglücklich gemacht hatte. Und mitten drinnen stand ich, ein Küken oder ein junges Fohlen, das die ersten Schritte getan hatte und trotzdem noch ganz am Anfang stand. Nach dem der Projektleiter und Lagerfelds rechte Hand zu uns gestoßen waren und einen aufregenden, interessanten Vortrag hielten, welchen sie mit einer schlichten, modernen Power Point Präsentation unterstützten, unterzeichneten Pharell, Kristen und ich überglücklich den Vertrag, um die kopierte Version in unseren Händen zu halten und das Gebäude auf der Suche nach einem Restaurant zu verlassen. Die wilde Truppe lief Cara und mir voraus und füllte die kalten, leeren Straßen mit ihrem lauten Gelächter und Konversationen. Cara und ich folgten ihnen auf Schritt und Tritt und hielten unsere schwarzen Mäntel fest um unsere Körper, bis sie mich einen großen Schritt nach hinten zog und mich zu dem Beziehungsende sanft und bedacht befragte. Ehrlich erzählte ich ihr die Geschichte, um festzustellen, dass sie die meisten Informationen bereits kannte. Sie gestand mir, dass Kendall Jenner bereits mit ihr darüber gesprochen hatte, als sich beide in New York vor einigen Wochen bei einem Geburtstag eines gemeinsamen Freundes trafen. Anders als ich erwartet hätte, stand Cara voll und ganz hinter mir und gab mir zu verstehen, dass sowohl Harry als auch Kendall in dieser Sache keine Unterstützung von ihr erhalten würden. Wie sich herausstellte, passierte ihr einst ähnliches und sie hatte gelernt, dass man sich in solchen Gelegenheiten für eine Seite und zwar die richtige entscheiden musste. Für sie war das, mich zu unterstützen und mir zur Seite zu stehen und das wollte sie insbesondere mit diesem Format tun. Beim gemeinsamen Essen erzählte sie mir, dass sie diejenige war, die mich vorgeschlagen hatte, da jeder der bisherigen Ambassadors die Ehre bekam, Vorschläge für mögliche Botschafter zu bringen. Von der ersten Sekunde an wusste sie, dass ich die einzige Person war, für die sie kämpfen wollte. Sie fuhr fort, dass sie bevor sie mich kennengelernt hatte, dachte, ich wäre ein Model und das ich mit meiner Persönlichkeit, meinen Maßen, meinem Aussehen und meinem Talent die richtige für den Job von Anfang an war. Ich stand für das Frauenbild, welches Chanel vermitteln wollte, nämlich eine starke, selbstbewusste, unabhängige Frau. Das zweifelte nach ihrem Vorschlag keiner an, der einzige Hacken war mein Bekanntheitsgrad und meine Reichweite. Deshalb hatte sie das ganze so weit nach vorne gebracht, dass ich das Gesicht in vielen Zeitungen werden würde, mit dem die Erweiterung der Chanel Ambassador Familie angekündigt wurde und meine Person als Ganzes vorgestellt werden würde. Angefangen bei Hintergrundinformationen über mein Leben, meinen Zusammenarbeiten und meiner Mission für die Welt, welche ich gleich am Ende der Woche verfasst und an Céléste Barbour gesendet hatte, um von ihr eine begeisterte Antwort zu bekommen. Schlagwörter wie Feminismus, Emanzipation und Inklusion fielen in meiner kurzen Schrift zu meiner Mission. Des Weiteren sprach ich beim gemeinsamen Essen mit den Ambassadors über ihre Vorstellungen und von ihren Hoffnungen bei Chanel und erfuhr einiges über die Vorteile der Arbeit und über bereits erreichte Ziele wie Umsätze und Verkaufszahlen. Im Endeffekt, wenn man unsere Arbeit nüchtern betrachten wollte, waren wir Vertreter Aushängeschilder für Chanel mit vielen Möglichkeiten. Ich hatte die Ehre neben einer dauerhaft zugänglichen Garderobe für Events, der Möglichkeit zur Produkt- oder Sortiment Entwicklung, dem Besuchen der Fashion Shows und anderen wichtigen Events der Modemarke, kosmetische Produkte zu erhalten, um mich selber damit zu stylen und sie insbesondere bei meiner Arbeit zu verwenden. Allerdings durfte ich entscheiden, welche Produkte ich nutzen wollen würde mit der Voraussetzung, die Produkte vorerst getestet zu haben. Es ging nicht darum, für alle Produkte zu werben sondern tatsächlich nur für die, von welchen man selber überzeugt war. Das gefiel mir besonders gut an diesem Format und ich konnte es kaum erwarten, die erste Lieferung zu erhalten und auszuprobieren. Zuvor freute ich mich über Tester und probierte die Produkte in jeglichen Stores und Drogerien aus, um einzelne Prachtstücke mitzunehmen. Nun hatte ich die Möglichkeit, das ganze Sortiment zu haben und zu testen. Ich fühlte mich wie im Paradies. Pharell wurde eine Kooperation versprochen, in denen er einzelne Kleidungsstücke oder Schuhe für Chanel entwerfen könnte. Kristen würde sich aus eigenem Interesse am Prozess für androgyne Kleidung beteiligen. Wie sie stolz zugab, war sie bisexuell und wollte ein Zeichen für die LGBTQ+ Community setzen. Cara fokussierte sich zusammen mit Lily um den kosmetischen Teil der Weltmarke. Beide Gesichter zierten wie ich des Öfteren schon gesehen hatte, meistens große Werbeplakate oder präsentierten neue Kollektionen auf Billboards oder in Fernsehwerbungen. Willows Interesse lag hauptsächlich bei der Entwicklung von Sneakern. So trug sie ihre eigenen Vorwürfe meistens auf dem roten Teppich. Hauptsächlich aber war ihr größtes Anliegen sich für die Black Community stark zu machen und gegen Diskriminierung und Rassismus mit Reden für Chanel Events und Präsentationen in Werbungen vorzugehen. Ihr starker Wille, der bei ihrem Monolog zum Vorschein kam, bereitete mir Gänsehaut. Mit ihren 15 Jahren, das Küken unter uns, kämpfte sie zusammen mit Kristen für Gleichberechtigung, Toleranz und Solidarität. Ich konnte und wollte nicht anders als zu ihr aufzuschauen und mich im Geiste vor ihr zu verneigen. Unser nettes gemeinsames Essen wurde neben vielen Informationen mit viel Gelächter, Essen und Wein gefüllt. Lily hatte viele kleine französische Speisen bestellt und zwei große weiße Weinflaschen. Die vielen Käsesorten zerflossen wortwörtlich im Mund, die große Auswahl an Fleischgerichten hinterließ entweder einen sehr fleischigen oder sehr zart schmeckenden Geschmack, das knusprige frische Baguette knusperte laut beim Kauen, die süßlichen Trauben sorgten für Aufregung und der stark schmeckende Wein färbte uns die Wangen Rot und erzeugte eine sehr ausgelassene Stimmung. Die nächsten Tage verbrachte ich meistens mit Cara und Lily, die mir beide die schönsten Ecken von Paris zeigten, mich aufregende Gerichte schmecken ließen, mich in teure Boutiquen oder Galerien schleppten, um mich in wunderschöne Kleider, Schuhe oder Unterwäsche zu stecken. So kaufte ich mir nach kurzer Überlegung neben einem schwarzen BH ein schwarzes Nachtkleid mit Spitze, welches mir Cara gereicht hatte, ein creme farbiges langes Hemdkleid, das mir Lily vorschlug, und besuchte zusammen mit den Mädels einen Friseur, der mir meine Haare bis zu meinem Schlüsselbein kurz schnitt und ihnen ein gesund aussehendes Braun verpasste. Nach diesen aufregenden Tagen fühlte ich mich wieder attraktiv, lebendig und gesund und erschien übermotiviert zu meinem Fitting für das Chanel Event am Ende des Monats, um zusammen mit den Modeberatern ein Outfit für die Bekanntgabe und Feier der neuen Ambassadors auszusuchen. Ich schlüpfte in viele Kleider, Hosenanzüge, Blusen, Röcke und Schuhe, um mich am Ende dann für ein langes graues Kleid aus Tweed mit kurzen Ärmeln zu entscheiden. An einzelnen Stellen hatte es Ausschnitte aus echtem schwarzen Leder und ging mir bis zu meinen Waden. Dazu kombinierten wir schwarze Pumps mit Spitze, Perlenschmuck und meine kleine schwarze Chanel Tasche, welche One Direction mir geschenkt hatte. Diese hatte ich an diesem Tag sowieso mit mir gehabt, um während des Fittings festzustellen, dass das die ideale Tasche für den Anlass war. Ich schmunzelte als ich mich im Spiegel musterte und strich vorsichtig über die Tasche voller schöner und trauriger Erinnerungen. Sie schenkte mir Kraft, weil ich beim Anblick an meine eigentliche Arbeit denken musste, in der ich bereits erfahren war und auch wusste, dass ich sie gut beherrschte. Sie war wie mein Fels in der Brandung, an die ich mich Krallen und Kraft tanken konnte. Ansonsten verbrachte ich die Tage mit warmen Bädern, nächtlichen Spaziergängen oder Ausgehen mit den Mädels und mit gutem Essen und Wein. Ich lernte Freunde von Lily kennen, darunter den noch unentdeckten französischen Schauspieler Timothée Chalamet, der unsere Mädels Gruppe eines Abends begleitete und uns mit seinem charmanten Lächeln, seinen braunen Locken und seinem Humor sehr zum Lachen brachte. Er hatte nach dem Äußeren zu urteilen, große Ähnlichkeit zu Harry. Wahrscheinlich machte ihn diese Parallelität ihn mir von Anhieb sympathisch. Charakterlich waren beide Personen wie Sonne und Mond. Zwar hatten sie die Gemeinsamkeit eines ähnlichen Humors, aber Timothée war weniger philosophisch, mysteriös, geheimnisvoll. Er war eher laut, aufgeweckt, chaotisch. Das erste Charakteristikum traf zu, weil er sehr lebendig und laut sprach. Aufgeweckt, weil er großes Interesse an meiner Person und an vielen politischen Themen hatte, zu denen er meistens eine klare nüchterne Meinung hatte. Letztes, weil seine Erklärungen wie Bewusstseinseinströme, also aneinandergereihte Wortfetzen, waren. Zum Beispiel begann er über seine Rolle des Toms in dem US-amerikanischem Film von Christopher Nolan zu sprechen, um sich mitten im Satz zu unterbrechen, einen weiteren meistens zusammenhangslosen Fakt hinzuzufügen, um dann nach weiteren zusammenhangslosen Fakten ganz woanders rauszukommen, als man eigentlich geplant hatte. Am Anfang nervte mich diese Eigenschaft ganz schön bis es einfach nur noch lustig wurde. Je mehr er trank, desto chaotischer wurden seine Sätze und desto ungeduldiger wurde Lily, die ihn dann entweder unterbrach oder die Sätze für ihn beendete. Das brachte Cara und mich wieder zum Lachen und Timothée zum Aufschäumen, da Lily meistens keine Ahnung von dem Informationsgehalt hatte. Sodass erst recht ein Chaos ausbrach und man informativ überhaupt nicht von diesem Gespräch profitieren konnte. So endeten beide Freunde in einer Diskussion und Cara und ich im lauten oder verlegenen Lachen. Des Weiteren half mir Cara zwei Tage vor meinem Shooting mit den Posen, in dem sie sich zusammen mit mir vor einen Spiegel stellte und mir ihre typischen Posen, ihr allzu bekanntes strahlendes Lächeln oder Poker Face zeigte. Sie sah trotz legerem Look in weißer Jogginghose und weißen Pullover wunderschön aus. Ihre makellose Haut glänzte gesund im Licht. Ihre buschigen Augenbrauen betonten ihre blauen Augen und der chaotische Dutt wanderte von Bewegung zu Bewegung immer tiefer. Sie war und würde meiner Meinung nach immer eine wunderschöne Frau sein und bleiben. Nach ihrer einschüchternden Show zog sie mich an meinen Armen hoch und zwang mich dazu, einzelne Posen vor ihr zu zeigen. Sie diktierte welche und so stand ich ernst, lächelnd und seriös vor ihr und fühlte mich sehr unwohl in meiner eigenen Haut. Ich war ahnungslos über Posen und hatte überhaupt kein Körpergefühl. Cara wie ich an ihren Gesichtsausdrücken beobachten konnte, verkniff sich des öfteren ein Lachen. Auch wenn sie sich besonders viel Mühe gab, es mit ihrer Hand oder mit dem Wechsel einer Pose zu verdecken. Ihr Kommentar am Ende meiner Aufführung würde mir wohl für immer im Kopf bleiben.

,, Hailey- du hast Glück, dass du mit Schönheit gesegnet bist. Deine Unsicherheit macht dich zwar auf Anhieb sympathisch aber deine Haltung leidet so sehr darunter, dass du wortwörtlich ausschaust wie ein schwerer Sack Kartoffeln''. Natürlich brachte mich ihre Antwort vorerst zum Lachen, doch dieses wurde schnell hysterisch und ich wurde panisch. Ich begann mich zu fragen, wie ich den Ansprüchen gerecht werden sollte, um keinen und insbesondere Cara und mich nicht zu enttäuschen. Sie hatte sehr viel auf mich gesetzt und um mich gekämpft. Ich wollte sie Stolz machen und keine weitere Person enttäuschen, die in mich glaubte. Diese Erkenntnis machte mir sehr viel Druck, sodass ich dankbar Caras Hilfe annahm und ihren Tipps und Befehlen folgte. Um mich dann Tage später selbstbewusst vor der Kamera wiederzufinden und den Stolz aller Anwesenden zu spüren. Ich hatte mein Ziel erreicht. Und beim Anblick der Fotos auf den kleinen Bildschirm geweint. Ich war so unglaublich stolz auf mich.

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