1. Kapitel: H.D.

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Haileys p.o.v:

Die Tage seitdem mich Harry betrogen und ich ihn verlassen hatte, vergingen so, wie die Tage nach einer Trennung vergingen. Ich flüchtete aus St. Barth nach London, um in einer Wohnung voller wunderschön schmerzhafter Erinnerungen zu kommen. Es gab keine Stelle, die mich nicht an Harry erinnerte, egal ob es die Küche war, in der er Frühstück zubereitete oder glücklich und genüsslich an seiner Kaffee Tasse nippte. Die Toilette, wenn er die Tür sperrangelweit offenließ, um das Gespräch mit mir nicht zu unterbrechen. Der graue kleine Outdoor Teppich, auf dem er seine meist schwarzen Lederstiefel neben meine Schuhe platzierte. Das Wohnzimmer, auf dessen Sofa er mich an seinen Körper drückte und mit mir Fernsehen sah. Oder das Schlafzimmer, in diesem mehr Liebe getan als geschlafen wurde. Dann waren da noch Bilderrahmen mit vielen gemeinsamen Fotos, Harrys T-Shirts und Boxershorts, seine Lieblingstasse in schwarz mit Gold überzogenem Griff und der Geruch seines Parfums, welches er in einer Mini Version auf meinem Nachttisch gelegt hatte. Egal wo ich hinsah, überall waren Erinnerungen an Harry. Die mir das Herz weiter in Tausend Stücke zerbrachen, mir die Luft zum Atmen und die Tränen mir die Kraft des Sehens nahmen. Erneut weinte ich wie ein Schlosshund und kniete vor Schmerzen auf dem Boden, um mich selber zu umarmen und mich festzuhalten. Diese Wohnung, mein einstiges Zuhause, war meine Hölle auf Erden und hinderte mich daran, klar zu denken und mich an meinem letzten Fünkchen Kraft zu halten. Deshalb entschied ich mich nach Deutschland zu fliegen, um das Zuhause aufzusuchen, welches mich nicht an den Lockenkopf erinnerte, der die Macht über mein Leben so sehr hatte, dass er mich mit seinem Betrug zerstörte und emotional umbrachte. Es interessierte mich nicht, dass ich ohne Nachzudenken dreckige Kleidungsstücke in meinen sonst ordentlich eingerichteten, nach Farben sortierten Kleiderschrank schmiss und warme Klamotten aus Stapeln rauszog. Gefaltete Kleidungsstücke bündelten sich zu einem Knäul zusammen, Blusen und Kleider fielen vom Bügeln, verteilten sich auf dem Boden auf diesem ich herumtrat und herumtrampelte, wenn weitere Kleidungsstücke zu Boden fielen. Es fühlte sich an als wäre die Pfütze aus sauberen und ungewaschenen Kleidungsstücken mein Herz, welches immer weiter in kleine, mittelgroße und große Teile zerbrach und eine Leere in dem Kleiderschrank also in mir, meiner Seele, hinterließ. Mit einem letzten Griff in den Kleiderschrank, mit dem Schließen meines Koffers, dem Zerschmettern meines Bilderrahmens auf dem Nachttisch und dem Zusperren meiner Wohnung, kehrte ich London den Rücken zu. Ich stieg in den Flieger nach Deutschland, dann in die Sbahn, um nach einer vier stündigen Reise erschöpft, müde und emotional Tod an der Haustüre zu klingen und sich in den Armen meiner verwirrten Mutter wiederzufinden, die bei meinem Anblick begann zu weinen und mich fest an ihren warmen, in einem weißen Pullover steckenden Körper drückte. Ich brachte kein Wort heraus, da der Kloß in meinem Hals, die Tränen in meinen Augen und auf meinen Wangen jegliche Kraft aus meinem Körper zogen, die ich noch hatte. Es dauerte seine Weile bis wir uns im Wohnzimmer auf der Couch wiederfanden und ich direkten Blick auf unseren Garten hatte, der noch vor kurzen mit seinen Farben und seiner Lebendigkeit glänzte und uns zusammen mit den Sonnenstrahlen Wärme und Freude schenkte. Dagegen spiegelte der Garten nun mein inneres Wohlbefinden wider mit seiner Traurigkeit, Leblosigkeit und Dunkelheit. Die nackten Äste wehten mit der Richtung des Windes mit, das Gras atmete unter der nassen Schicht oder war durchtränkt durch zu viel Wasser, sodass sich matschige Pfützen an einzelnen Stellen gebildet hatten. Die Gartenmöbel waren eingepackt in schwarzer Folie, der Grill und der Sonnenschirm mussten wohl im Keller stehen. Alles Freudeerregende war weg. Alles war Tod. Ich wusste ohne meine Mutter und David, der uns beide an der Haustüre entdeckt und überredet hatte, reinzukommen, ansehen zu müssen, dass sie auf eine Erklärung meinerseits warteten. Ich wusste auch, dass ich es ihnen schuldig war, insbesondere meiner Mutter, die meinetwegen angefangen hatte zu weinen und ich mir ansatzweise vorstellen konnte, welche Angst ich ihr mit meinem Erscheinungsbild machte. Beide drängten mich nicht zur Sprache, sie sahen mich schlichtweg an und beobachteten meine Gesichtszüge und Bewegungen. In meinen Kopf herrschte Durcheinander, die Informationen waren nach wie vor nicht ganz verarbeitet und die laute Aussprache des Betrugs schmerzte so sehr in meiner Vorstellung, dass ich es nicht über die Lippen brachte, mit der kompletten Wahrheit rauszurücken. Deshalb sagte ich nüchtern und klar, den Blick auf den traurigen Garten gerichtet:
,, Nach dem ich Nick verlassen hatte, lief ich von allen Erinnerungen an ihn weg und endete in New York. Nun tue ich dasselbe zum zweiten Mal nach einem anderen Mann, der mir dasselbe angetan hatte. Schon lustig, dass ich mir Männer aussuche, die Herzen brechen. Als stände die Bitte darum in dicker Schrift auf meiner Stirn''.
Beide Erwachsene schluckten schwer und sahen mich besorgt an, als ich den Blick vom Garten abwendete und in die schockierten Gesichter sah. Meine Mum schien sichtlich überfordert mit der Information und versuchte eine Frage zu formulieren, doch außer einzelnen Buchstaben und Stottern bekam sie nichts aus ihrem kleinen Mund heraus. David überraschte mich mit seinem Verhalten, da er sich neben mich setzte und mich umarmte. Zuvor hatte er das nur bei bestimmten Anlässen getan und das lag nicht daran, dass wir uns nicht nah waren, sondern am gegenseitigen Respekt und dem Bewusstsein, an welcher Stelle wir standen. Die Umarmung durchbrach das Eis, diese Distanz, zwischen uns beiden und schenkte mir etwas Kraft, um meinen Koffer zu packen und mein Zimmer aufzusuchen. Leider war es meines nicht mehr. Denn als ich ankam und das Licht anknipste, fehlte jegliche Spur von meinem großen weißen Bett, meinen Schreibtisch und meinen Dekorationen. Stattdessen stand nun eine große weiße Aufklappcouch, zwei weiße Sessel mit blauen Kissen und zwei grüne große Pflanzen in meinem Zimmer. Alles, was mein ehemaliges Zimmer ausmachte, war verschwunden. Als wäre mit meinem Umzug ein Teil von mir gegangen. Meine Mutter entdeckte mich schnell in meinem Zimmer und sah mich mitfühlend an. Ihr Anblick zog mir mein Herz zusammen und löste Tränen in meinen Augen aus. Sie litt meinetwegen und nun noch mehr, weil sie mein Zimmer ohne meine Zustimmung verändert und zu einem Gästezimmer umfunktioniert hatte. Wahrscheinlich hätte mich mein neues Zimmer zu einem anderen Zeitpunkt nicht schockiert. Doch so gebrochen und verletzt ich war, schmerzte der Anblick sehr in meinem Herzen. Immerhin hingen in meinem ehemaligen Kleiderschrank noch einige Mäntel und Jacken, die ich nicht mit nach London genommen hatte. Ich half meiner Mutter im Stillen beim Beziehen des Bettes und dankte ihr mit einer Umarmung bevor ich mich aus meinen Kleidungsstücken befreite und in einen unruhigen Schlaf fiel. So vergingen die Tage, welche ich meistens in meinem Zimmer verbrachte und es nur nötigenfalls verließ. Ich aß kaum, trank wenig, badete in einer Badewanne aus Selbstmitleid, schlief fiel und starrte gegen die neu in weiß gestrichene Decke, um mir zurück in Erinnerung die einzelnen schwarzen Flecken zu rufen. Die ich damals verzweifelt versuchte, zu einem Muster zu verbinden, als ich Harry das erste Mal verlassen und mich Mel und Nick besucht hatten. Es war schon lustig, wie schnell man in alte Muster zurückfallen konnte. David und Mum gaben mir Freiraum und brachten mir mein Essen hoch, welches obwohl es meistens köstlich duftete und schön angerichtet war, meinen Appetit nicht anregte und ich es einfach stehen ließ. Hin und wieder zwang mich meine Mum zum Essen, an anderen Tagen ließ sie mich in Ruhe und steckte ihren Kopf in das Zimmer, um zu sehen, ob ich noch lebte. Physisch war ich da, psychisch war ich Tod. Ich fühlte mich immer schlimmer, tat aber auch nichts, damit es mir besser ging. Stattdessen fügte ich mir selber Schmerzen zu, indem ich Nachrichten auf MTV, ENews oder Explosiv über Harry und mich sah, melancholische Musik hörte und mir Momentaufnahmen von Harry und mir ansah. Ich wurde eine Masochistin, die aber auch nicht die Kraft aufbringen konnte, etwas an ihrem Leben zu verändern. Und um ehrlich zu sein, wollte ich es auch nicht. Weil mir alles so sinn- und nutzlos vorkam. Als wäre mein einziger Sinn des Lebens gewesen, Harry zu finden und mit ihm zusammen zu sein. Mich ihm zu öffnen und ihn mit meiner Existenz glücklich zu machen. Wenn man es so sah, dann existierte ich nur für Harry, und ohne ihn war ich existenzlos und damit bedeutungslos für die Welt. Dieser Gedanke wurde unterstrichen von vielen Schlagzeilen über meine Person, die es mir noch schwerer machten, nicht so zu denken. Alles für was ich von Anfang an meiner Karriere gekämpft hatte, war für mein Talent und meine Arbeit bekannt zu sein. Doch laut der Öffentlichkeit hatte ich kein Talent, denn nur meine Beziehung zu Harry war für meinen Bekanntheitsgrad verantwortlich. Wie ein Z- Promi, der durch seine Beziehung zu einer bekannten Person Schlagzeilen machte und auf dem roten Teppichen Runden drehte, um in aller Munde zu sein. Ich stellte meine ganze Existenz in Frage und wurde mit jedem weiteren Tag, der verging, stiller, trauriger, depressiver. Nicht einmal Greys Anatomy oder Unterhaltungsshows konnten mich zum Lachen bringen. Leckeres, mir sonst schmeckendes Essen regte meinen Appetit nicht mehr an. Warme lange Bäder konnten mich nicht mehr beruhigen. Gab man diese Symptome auf Google ein, diagnostizierte man eine leichte bis mittelgradige Depression. Je nach dem welcher Quelle man Glauben schenken wollte. Harry hatte es geschafft, mich psychisch krank zu machen. Er hatte es geschafft, nicht nur mich zu ruinieren, sondern auch meine Mutter, die ahnungslos war, wie sie mir helfen sollte und sich damit die Rolle zuschrieb, als Mutter versagt zu haben. Allein, dass sie diesen Gedanken hatte, brachte mich innerlich um. Sie war meine Mutter. Eine Frau, die alles andere als versagt hatte. Welche mich zu dem Menschen erzogen hatte, welcher ich immer sein wollte. Wenn man die Person außen vorließ, zu der ich in den vergangenen Wochen geworden war. Wie konnte sie bloß denken, sie hatte versagt? Ich versuchte eine Möglichkeit zu finden, sie vom Gegenteil zu überzeugen, doch ich war ahnungslos und so ließ ich sie weiter in diesem Glauben. Ich wusste nicht genau an welchem Tag meine Mum mich mit ihren zärtlichen Berührungen auf meinem Arm weckte. Sie hatte sich neben mich gesetzt und die Arme ausgestreckt. Ihre Hausschuhe mit einem kuscheligen Katzengesicht lächelten mich an als ich mich verschlafen aufsetzte und ihr mühevoll ein Grinsen schenkte. Natürlich kaufte sie mir das nicht ab und strich mir meine Haare hinter die Ohren. Sonnenstrahlen leuchteten in mein Zimmer durch den weißen Vorhang und sorgten für eine warme, angenehme Stimmung.
,, Wir müssen reden Hailey. Wir können so nicht weitermachen'', setzte sie an und sah mich unsicher an. Sie verschränkte unsere Hände miteinander und drückte fest zu.
,, Ich weiß bis heute nicht, was genau zwischen euch passiert ist. Ich sehe überall Bilder und Videos, sehe zu, wie dein Name in Dreck gezogen wird und wie du dich selber in diesem Zimmer umbringst. Hailey, du bist nicht alleine, die mit diesem Schmerz und dieser Veränderung in deinem Leben klarkommen muss. Wir alle müssen das. Harry tut das. Ich habe unzählige Nachrichten und Voicemails auf meinem Handy. Dein Vater wird ständig von einer unbekannten Nummer angerufen. Harrys Mutter hat versucht mich zu erreichen. Du musst uns sagen, was wir tun und sagen müssen. David, dein Vater und ich sind nicht die einzigen Personen, die sich Sorgen machen''.
,, Es ist mir egal, wer sich Sorgen um mich macht. Es ist mir egal, dass Harrys Mutter bei dir anruft und es verzweifelt versucht, dich und dad zu erreichen. Mache es wie ich und blockiere ihn und schalte dein Handy aus, dann lässt er euch in Ruhe'', sagte ich ohne mit der Wimper zu zucken und merkte wie das Blut in mir begann zu kochen.
,, Was ist, wenn er dir alles erklären kann? Wenn er dir erklären kann, wieso er dieses Topmodel geküsst hat?'', gestikulierte meine Mutter wild um sich herum und brachte mich zum Auflachen.
,, Mum, der Kuss war nur die Spitze des Eisbergs. Kendall und er haben eine Vergangenheit und trotz Vorwarnungen meinerseits, hat er Kendall nach St. Barth eingeladen und sich emotional auf sie eingelassen. Glaube mir, er weiß was er getan hat. Doch dafür musste es erst einmal so weit kommen, um der Wahrheit ins Gesicht zu sehen''.
Schockiert starrte meine Mutter mich an. Ich konnte in ihrem Blick ablesen, dass ich ihr neue Informationen geliefert hatte, von denen sie bis dato nichts wusste. Wie auch, ich hatte ihr zuvor niemals davon erzählt, weil ich nicht konnte. Offensichtlich befand ich mich nun im Vergleich zu einigen Wochen in einer anderen Trauerphase, in der ich bereit war, über die Wahrheit zu sprechen. Es wurde still um uns herum und ich beobachtete meine Mutter, wie sie versuchte die Informationen in ihrem Kopf zu ordnen und ihre nächsten Schritte zu planen. In dieser Zeit machte ich mir selber über mich und mein eigenes Verhalten Gedanken, bis meine Mum sich mit einem Kuss auf die Stirn von mir verabschiedete und die Zimmertür leise hinter sich schloss. Ihr Verhalten überraschte mich, da ich mit Ratschlägen, Weisheiten und Überzeugungen gerechnet hatte. Offensichtlich wusste sie nicht wie sie mir helfen sollte. Es wusste keiner. Und so vergingen weitere Tage, in denen ich nicht aß, wenig trank, viel schlief und gegen die Decke, die Tür oder den Boden starrte, bis mich ein dauerhaftes Klingeln an der Türe zum Aufspringen brachte. Wütend tigerte ich die Treppen runter, um Mum und David beim Essen zu beobachten, die vorspielten, das Klingeln an der Türe zu überhören. Ich warf ihnen einen bösen Blick zu, um dann zu verstehen, dass sie sich mit Absicht nicht bewegten, um mich aus dem Bett zu kriegen. Das war eine gute Bewegung, sie hatten mich auf dem Schach Brett geschlagen. Wütend riss ich die weiße Haustüre auf, um schockiert einige Schritte nach hinten zu tapsen und mich dann in die Arme zu schmeißen, die mir in diesem Moment so viel Kraft und etwas Freude schenkten. Der Mann, dessen bekannter sportlich frischer Geruch mir in die Nase stieg, war Liam. Dessen Körper in einen schwarzen Mantel, einen schwarzen Schal und eine schwarze Mütze steckten. 

love, trust, promise | H.SWhere stories live. Discover now