Still high with a little feeling

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Birgit seufzte.

„Ich fahre gerne Fahrrad. Dann bleibe ich wenigstens fit und gehe nicht so auf wie meine liebe Schwester Sandra."

Er rollte mit den Augen.

„Deine Schwester sitzt den ganzen Tag zuhause herum und heult mir die Ohren voll! Ich kann es nicht mehr ertragen, deshalb bin ich so zeitig hier."

Jetzt wurde Birgit einiges klar, und sie murmelte:

„Ich dachte, Sandra wäre nicht allzu traurig, dass Mirko weg ist?"

„Dachte ich auch..." brummte Manfred und sagte dann: „Nun an die Arbeit. Hier sind die Unterlagen der letzten Wochen..."

Sie arbeiteten eine Stunde zusammen, dann setzte Birgit sich in ihr Büro. Es war kalt und sie heizte erstmal ein, dann brachte Denise, die Praktikantin, ihr einen Chai Latte im Auftrag ihres Vaters. Sie bedankte sich und begann, das, was sie eben besprochen hatten, in das Programm ein zu geben. Es dauerte ewig, denn sie war todmüde. Immer wieder fielen ihr die Augen zu, und dann kamen die Bilder. Bilder von Harry, als er damals in ihrem Besuchersessel gelümmelt und sie angegrinst hatte. Als Birgit noch glaubte, dass beide eine gemeinsame Zukunft hätten. Zum Glück hatte noch niemand ihren vollen Namen herausgefunden, denn sonst wäre sie hier bestimmt entdeckt worden. Und nun war es eh egal! Birgit seufzte und schaute aus dem Fenster.

 Und nun war es eh egal! Birgit seufzte und schaute aus dem Fenster

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Sie sah ihn nicht, nein, sie bemerkte ihn noch nicht mal. Die Tür zu ihrem Büro war nur angelehnt gewesen, und er hatte sie leise auf geschoben. Sie blickte aus dem Fenster. Träumte vor sich hin, und plötzlich wischte sie sich eine Träne aus dem Gesicht. Birgit weinte still, und er sehnte sich danach, sie in die Arme zu nehmen und zu trösten. Doch er hatte Angst, dass sie ihn wegschicken würde. Dass sie ihn anschreien würde, oder noch schlimmer...dass sie Angst vor ihm haben würde. Und das könnte er nicht ertragen. Aber warum war er dann hier? Weil er es ohne sie auch nicht mehr aushielt. Und weil er sich etwas geschworen hatte. Als er nach der ganzen Geschichte aufgewacht war, war er zuerst sauer gewesen- nein, enttäuscht gewesen, dass Birgit so sang- und klanglos das Weite gesucht hatte. Nach allem, was sie gemeinsam durch gemacht hatten! Doch dann verstand er, dass alles in England, das Haus, das Dorf, ja, sogar er selbst, Birgit an die schrecklichen Stunden im Keller erinnern würden. An die Angst und das Gefühl, den Tod vor Augen zu haben. Wenn er an diesen widerlichen Gestank dachte, kam es ihm jetzt noch hoch. Und er sah diesem Typ auch noch ähnlich. Würde sie an McVee denken müssen, wenn sie ihm in die Augen schaute? Vielleicht würde er nie wieder in den Genuss kommen, dass sie ihn verliebt ansah! Er hatte es gespürt, als sie ihn im Keller angeschaut hatte... nun gut, das hätte auch Tarnung sein können. Doch die Distanz war da, seitdem er Hillside Manor verlassen hatte.

„Hey, Harry! Was machst du denn hier? Ich dachte, du hättest dich...äh...ihr hättet euch getrennt?"

Martina war unbemerkt hinter ihm aufgetaucht. Birgit sprang erschrocken auf und starrte Harry an, als wäre er ein Geist. Da er nicht antwortete, plapperte Martina weiter:

„Äh, ja, ich...wollte dich eigentlich zum Mittagessen abholen, Schwesterchen. Aber ich denke, das hier ist wichtiger..."

„Das siehst du richtig. Mach's gut, Martina." entgegnete Harry und schloss die Tür vor Tinas Nase.

Er drehte sich zu Birgit um, die immer noch große Augen machte, was sie, wie immer, besonders süß aussehen liess. Sofort schoss eine Erinnerung durch seinen Kopf, die ihm ein Kribbeln im Bauch bescherte.

„Oder nicht?" fragte er sanft.

Birgit nickte nur. Er ging langsam auf sie zu, um ihr die Möglichkeit zu geben, ihn ab zu wehren oder zurück zu weichen, doch sie blieb  regungslos stehen. An ihren Wangen glitzerten Tränen, ihre Augen waren rot vom Weinen. Harry zog sie eng an sich, vergrub seine Nase in ihrem Haar, das extrem nach Birgit duftete. Sofort stellte sich der Effekt ein, sein Herzschlag wurde langsamer, die Anspannung entwich aus seinen Muskeln. Über seine Panik legte sich eine warme Wolke, und er seufzte laut. Tränen sprangen in seine Augen und plötzlich brach alles aus ihm heraus, wie schon einmal weinte er hemmungslos. Birgit streichelte sanft durch sein Haar, über seinen Rücken. Doch auch sie weinte, er spürte, wie sie ab und an zuckte und schniefte. So standen sie eine Weile da, bis Harry plötzlich an ihr herunter rutschte und sie vor Schreck etwas nach hinten kippte. Doch der Stuhl war gleich hinter Birgit, so landete sie darauf und Harry legte seinen Kopf in ihren Schoß. Er kam langsam zur Ruhe und stiess leise auf. Er spürte, wie ihre Finger sanft durch seine Locken strichen, und er seufzte noch einmal laut. Birgit kicherte.

 Birgit kicherte

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„Hey...Frechdachs!" raunte er und schaute hoch.

„Hey, Styles. Heisst das, wir bleiben Freunde?" fragte sie leise und lächelte sanft.

Sein Lächeln erstarb. Er schüttelte den Kopf.

„Nur weil du den blöden Plastikring verloren hast, sind wir noch lange nicht entlobt, Babe! So einfach entkommst du mir nicht!"

„Du hast mich verlassen, Harry!"

„Habe ich jemals gesagt, dass Schluss ist?"

„Nein, aber ich habe es doch gespürt. Du warst geschockt von mir."

„Das stimmt. Aber es war ein Fehler, wie ein erschrockener Hase davon zu laufen, das weiß ich jetzt."

Birgit seufzte schwer.

„Du hast uns einfach alleine gelassen. Mit diesem..." flüsterte sie und biss sich auf die Unterlippe. 

Birgit schloss die Augen und stöhnte.

„Es tut mir unendlich leid. Bitte, vergib mir." raunte Harry.

„Ich hatte solche Angst, Harry. Angst vor mir selbst, Angst vor dem Haus, und dann er...ich wußte, das ist das Ende und ich werde nie wieder Tageslicht sehen. Geschweige denn, dich wieder sehen. Und ich wollte dir doch noch so viel sagen..." weinte Birgit und er stand auf, zog ihren Kopf an seinen Bauch und tröstete sie zärtlich.

„Es ist vorbei, Babe, du bist am Leben. Und ich bin hier. Ich bleibe. Du wirst mir alles sagen können. Jeden Tag, für immer."

„Ach, hör auf..." brummelte sie in seinen Bauch und es kitzelte.

Harry knurrte und liess sich wieder vor sie auf die Knie sinken. Mit seiner linken Hand- die rechte war  eingegipst- griff er in seine Hosentasche und sagte:

„Als ich in dem Schacht hinter euch her gekrabbelt bin, habe ich den Plastikring zerbrochen. Zum Glück war es kein böses Omen gewesen, denn wir sind hier, nicht? Weißt du, ich hatte mir geschworen, dass ich dir sofort einen echten Ring anstecken werde, sollten wir das Ganze überleben."

Er hielt den glänzenden Ring hoch. Dann steckte er ihn Birgit an den Finger. Sie hatte schließlich schon einmal ja gesagt.

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