Hillside Asylum, 20.08.1983

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Liebe Birgit,

es ist ein Jahr vergangen, und ich habe dir lange nicht mehr geschrieben. Ich möchte versuchen, dir zu erklären, warum ich nicht mehr geantwortet habe...In deinem letzten Brief schriebst du von deiner Freundin Tanja, die dich ganz schön herum kommandieren würde. Nun, ich bin auch an so eine „Freundin" geraten. Es ist nicht Charlotte, nein, sie ist immer ruhig und verständnisvoll. Eine neue Patientin , Ariane, kam im November letzten Jahres zu uns und hilfsbereit, wie ich bin, nahm ich mich ihrer an. Und habe nicht gemerkt, dass sie mir nicht gut tat. Ich wurde sogar ihretwegen bestraft und habe es trotzdem nicht begriffen. Bis mir Charlotte die Augen geöffnet hatte, auf ihre vorsichtige Art, wie sie nunmal so ist. Doch es kam an. Und als Ariane merkte, dass ich mich von ihr entfernte, ging sie auf Charlotte los. Ariane war auch der Grund, warum ich deine Briefe nicht beantwortet habe- sie hielt es für albern, mit einer 12- jährigen zu schreiben. „Worüber unterhaltet ihr euch so? Über die Sesamstraße?" hatte sie gelacht und ich habe mich plötzlich geschämt. Habe ihre Anwesenheit deiner und Charlottes vorgezogen, doch nun bin ich geläutert. Als sie Charlotte angriff, habe ich sie zurechtgewiesen und sie hat ziemlich verwirrt dreingeschaut, weil ich sonst zu allem immer ja und Amen gesagt hatte. Sie ist immer noch fies zu mir, ich lasse mir nicht mehr alles gefallen und habe ihr klar gesagt, dass ich nicht mehr ihre Freundin sei. Nun hat sie sich ein anderes Opfer gesucht.

Es tut mir wirklich sehr leid, meine Kleine. Ich schreibe sehr gerne mit dir und ich schäme mich nicht, eine so junge Freundin wie dich zu haben, egal, was die anderen sagen. Vielleicht verstehst du mich ja ein wenig und wir können unseren Kontakt fortsetzen, ich würde mich sehr darüber freuen.

Deine Bridget

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