ZWÖLFTES KAPITEL

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Vor dem Aufzug wartete ich ungeduldig, da die drei sich gleich wahrscheinlich in meine Richtung bewegen würden. Endlich öffneten sich die Aufzugtüren und im selben Moment betraten alle drei das Gebäude. Schnell drückte ich auf den Knopf der fünften Etage. Immer wieder drückte ich drauf, in der Hoffnung, dass sich die Türen so schnell wie möglich schließen würden.

"Hey stopp!", hörte ich plötzlich seine Stimme und verfluchte ihn innerlich. Gökhan erschien vor mir gefolgt von den anderen beiden. Seine Augen sahen mich aufdringlich an. Mein Blick glitt zu seiner Hand, die mit Mehtaps verschränkt war. Ich hielt für diesen einen Moment den Atem an und sah sofort zur Seite. "Das ist übrigens die hübsche Dame, die mir hinten rein gefahren ist." Der attraktive Mann zeigte seine perfekten Zähne indem er grinste und zeigte auf mich. Mehtap und Gökhan sahen sofort zu mir. Mein Herz begann aus irgendeinem unerklärlichen Grund schneller zu schlagen.

"Entschuldigt habe ich mich ja bereits und bezahlt wird es ja auch.", verteidigte ich mich. "Ich habe eine bessere Idee.", sagte er und grinste breit. Wieso war er bloß so gut gelaunt? "Und die wäre?" Fragend sah ich ihn an. Ich hörte Mehtap kichern, weshalb ich kurz zu ihr sah. Dabei bemerkte ich, wie angespannt Gökhan war. Seine Augenbrauen hatte er wieder einmal zusammengezogen und die Falte zwischen seine Augenbrauen war zu sehen. Nicht länger sah ich ihn an, da der Mann mit seiner Idee raus rückte. "Ich werde dafür sorgen, dass deine Versicherung nicht zahlen muss, was heißt, dass du monatlich nicht mehr als sonst zahlen musst an deine Versicherung. Unter einer Bedingung." Ich wurde hellhörig und hob ungeduldig meine Augenbrauen. "Du gehst mit mir aus."

Ich hörte wie Gökhan scharf einatmete. Wie wütend es in ihm aussah konnte ich mir bereits denken. Unsicher sah ich zu dem attraktiven Mann vor mir, der breit grinste. "Nein, danke." Ich brachte ein Lächeln hervor und hoffte die Flucht so schnell wie möglich ergreifen zu können. Wie lange dauerte es denn bis wir endlich oben ankamen? Mir kam es wie eine Ewigkeit in diesem verdammten Aufzug vor. "Wieso denn nicht? Ich könnte mir vorstellen, dass mehr aus euch beiden wird.", kommentierte keine andere als Mehtap unerwartet das Ganze. Blitzschnell drehte ich meinen Kopf in ihre Richtung. Wenn du bloß wüsstest, dachte ich mir. "Mehtap halt du dich daraus.", fauchte Gökhan sie an und sah sie warnend an. Erst jetzt stellte ich fest, wie angespannt Gökhan wirklich war. Sein weißes Hemd hatte ihn verraten genauso wie seine zur Faust geballten Hand.

Die Aufzugtüren öffneten sich und ich stürmte schon aus dem Aufzug. Mit großen und schnellen Schritten entfernte ich mich von ihnen bis ich an meinem Schreibtisch ankam. Erleichtert setzte ich mich auf meinen Stuhl und ließ einen Seufzer raus. Die Blicke von Sevgi brannten förmlich auf mir. "Hast du einen Geist gesehen?", scherzte sie und lachte. Ich sah sie komisch an und verschränkte meine Arme vor der Brust. Sie beruhigte sich wieder und sah mich neugierig an. "Erzähl schon.", forderte sie mich auf.

"Ich durfte mir eben einen Aufzug mit Gökhan und seiner Verlobten teilen.", nuschelte ich. Es störte mich wirklich sehr, wenn er an ihrer Seite war und ich die beiden so sah. Jeder hier glaubte, dass die beiden sich liebten und bald heiraten würden. Ganz Türkei glaubte es. "Du weißt, dass ich nicht viel von ihm halte, aber er liebt sie nicht Dilek sondern dich. Vergiss das nicht." , "Ich weiß."

In den nächsten Tagen verbrachte ich kaum Zeit mit Gökhan. Er hatte viel zu erledigen genauso wie ich. Meine beste Freundin heiratete in einer Woche und ich hatte immer noch kein Kleid. Außerdem half ich bei den ganzen Vorbereitungen mit. Asli war total aufgeregt und musste ständig beruhigt werden. Sie war in letzter Zeit total launisch und pingelig ebenfalls. Es war schwierig alles so hinzubekommen wie sie es haben wollte. Trotzdem gaben wir alle unser bestes, denn es ist ihr großer Tag und der sollte perfekt sein für sie.

Gerade befand ich mich bei Asli und wartete unten bei ihrer Mutter auf sie. Wir wollten heute zu dem Brautmodengeschäft, da paar Veränderungen vorgenommen worden und Asli es probieren musste. Außerdem wollte ich mich auf die Suche nach einem Kleid machen.

Ich saß am Esstisch und unterhielt mich mit Aslis Mutter über ihr Verhalten. Es war lustig, wenn Asli unruhig wurde und anfing zu meckern. "Asli Baris wird gleich da sein.", rief ich von den Treppen aus und hörte sie fluchen. Belustigt stand ich da. Die Tür ging im nächsten Moment auf und die Jungs standen vor mir. Baris, Can und Aslis Bruder Tolga. Bei ihrem Bruder wurden meine Augen groß und mein Mund öffnete sich leicht. Was machte er denn schon hier? Völlig unter Schock sah ich ihn an und spürte wie trocken mein Mund wurde. Ich war keinesfalls auf ein Wiedersehen mit ihm vorbereitet. Meine Kehle schnürte sich zu. Seine Anwesenheit verschlug mir die Sprache. Ich wusste nicht was ich sagen oder tun sollte. Auch ihm schien es wie mir zu gehen, denn er blieb augenblicklich stehen und sah mir direkt in die Augen.

"Fertig!", riss uns Asli aus unserer Starre und kam die Treppen runter. Sie stellte sich zu mir und sah zwischen Tolga und mir hin und her. Wieso hatte sie mir nichts von ihm erzählt? Sie hätte es mir sagen sollen, damit ich mich auf ihn einstellen konnte. "Ich...ich muss hier weg, tut mir leid.", stotterte ich und ging an ihm vorbei. Mit schnellen Schritten verließ ich das Haus und ging auf mein Auto zu. Ich stieg ein und musste erstmal realisieren, dass er gerade wieder vor mir stand. Die Beifahrertür öffnete sich und Tolga setzte sich auf den Sitz. Ich spürte seine Blicke auf mir, sah jedoch nicht zu ihm.

"Dilek lass uns bitte reden." Nach langer Zeit wieder seine Stimme zu hören war komisch. Ich schüttelte meinen Kopf. "Ich will nicht.", sagte ich leise. "Doch Dilek, wir müssen reden." , "Nein. Bitte geh."

Stille. Er sagte nichts, ging auch nicht. Er blieb sitzen. In mir herrschte reines Chaos. Ich wusste nicht wie ich reagieren sollte.

"Alles, was ich dir angetan habe, tut mir leid Dilek. Einfach alles.", fing er plötzlich an. Ich wollte mit ihm nicht reden und vor allem nicht über das, was vor drei Jahren passiert war. Er sollte einfach wieder verschwinden. Mich in Ruhe lassen. "Lass es Tolga." , "Nein. Sieh doch mal zu mir." Wieso verstand er nicht, dass ich mit ihm nicht reden wollte? Wieso tat er das? Dachte er, dass alles verziehen und vergessen wäre, wenn er hier einfach mal wieder auftauchte?

"Ich will nicht, verstehst du? Ich will dich weder sehen noch mit dir reden! Geh einfach wieder! Verschwinde!", wurde ich lauter. Ich wurde wütend, weil er wieder hier war und erwartete, dass ich mich mit ihm unterhalte, als wäre nie was passiert. "Das werde ich nicht Dilek." Er blieb ruhig. Seine Augen waren immer noch auf mich gerichtet, das spürte ich.

Plötzlich nahm er mein Gesicht zwischen seine Hände und zwang mich ihn anzusehen. "Dilek ich habe nie aufgehört an dich zu denken. Ich habe das nicht mehr ausgehalten. Ich musste hierher, zu dir." , "Das ist dir nach drei Jahren aufgefallen?" Meine Stimme war kühl. Tolga hatte für viel Herzschmerz gesorgt und das würde ich nie vergessen. "Ich weiß, dass es lange gedauert hat, aber ich lie-" Bevor er seinen Satz beenden konnte, unterbrach ich ihn. Ich wollte das nicht hören. Nicht von ihm. "Es hat zu lange gedauert Tolga. Für uns ist es zu spät." Verwirrt sah er mich an und entfernte langsam seine Hände von meinem Gesicht. "Ich habe einen Freund, den ich mehr als alles andere liebe.", sprach ich mit fester Stimme und lächelte dabei. Allein der Gedanke an Gökhan machte mich glücklich. In Tolgas Augen sah ich den Schmerz. Meine Worte hatten ihn verletzt und das hatte er mehr als nur verdient. Damals hätte ich alles dafür getan, um diese drei Wörter aus seinem Mund zu hören, doch jetzt bedeutete es mir aus seinem Mund gar nichts mehr.

Gefangen von der Liebe...Where stories live. Discover now