Kapitel 42

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Zögernd stand ich vor Anthonys Zimmertür. Denn eins stand fest: Ich musste mich für zwei Dinge dringend bei ihm bedanken. Und das würde mir nicht sehr leicht fallen. Meinen Stolz zu überwinden war so ziemlich das Schwerste, was es für mich zu überwinden gab und es war gleichzeitig meine größte Schwäche und Stärke.

Leise und zaghaft klopfte ich, jedoch so leise, dass er es wahrscheinlich erst gar nicht gehört hatte. Das hieß, dass ich mich ein zweites Mal überwinden musste. Anthony hatte Recht: Ich war ein absoluter Dummkopf.

Ich wusste schon gar nicht mehr, wie lange ich hier vor der Tür stand, doch es kam mir auf jeden Fall vor wie eine Ewigkeit.

Anthony hatte mir das Leben gerettet, dafür musste ich mich bedanken und da kam ich nicht drum herum.

Aber ich konnte ihm das nicht persönlich sagen... Ich war viel zu aufgeregt. Mit großer Wahrscheinlichkeit würde ich kein Wort herausbringen, wenn er mir jetzt gegenüber stände.

Also ging ich runter zur Rezeption, besorgte mir dort einen Zettel und einen Stift und schrieb in Großbuchstaben „DANKE" drauf. Anschließend schlenderte ich wieder zu seiner Zimmertür, hockte mich davor auf den Boden und schob den Zettel durch den kleinen Spalt zwischen Tür und Boden.

Und genau in diesem Moment öffnete sich die Tür, Anthony stand vor mir und sah mich von oben herab an.

„Ist das dein Ernst?", fragte er und hielt den Zettel hoch.

Wie konnte er so schnell bei der Tür gewesen sein?, fragte ich mich, während ich schnell aufstand.

„Sei froh, dass ich gerade auf dem Weg zu meinem Vater war. Jetzt kannst du es mir auch persönlich sagen.", meinte er provozierend, denn er wusste, dass die Zettelaktion genau die Absicht verfolgte, es ihm NICHT persönlich zu sagen, weil mir das absolut nicht passte.

„Ehm...", setzte ich an und atmete einmal tief durch. „Danke, dass du mich vorhin gerettet hast.

„Und was lernst du daraus?"

Ich verdrehte die Augen, ehe ich sarkastisch antwortete: „Dass ich den Zettel das nächste Mal einem Hotelangestellten gebe, der ihn dir gibt?"

„Fast. Dass du erst schwimmen lernst, ehe du ins Meer gehst."

„Ich weiß... Aber Mums Kette... Achja, danke auch wegen der Kette."

Anthony starrte mich mit einem verwirrten Blick an.

„Es wäre wirklich nicht nötig gewesen, sie noch suchen zu gehen. Meine Mum ist dir bestimmt sehr dankbar, dass du sie gefunden hast."

„Welche Kette?", fragte Anthony mit zusammengezogenen Augenbrauen.

„Du hast sie doch aus dem Wasser geholt. Dort hatte meine Mum sie verloren. Moment mal... du hast die Kette gar nicht gefunden?"

„Ich hab keine Ahnung, wovon du sprichst."

Nun war ich diejenige, die Anthony verwirrt anstarrte.

„Aber sie war doch in Mums Tasche. Nur deshalb bin ich überhaupt ins Meer gegangen. Weil meine Mum meinte, dass sie ihre Kette dort verloren hat."

„Hast du vielleicht schon mal in Erwägung gezogen, dass deine Mutter dich angelogen hat?", fragte Anthony und ich ärgerte mich darüber, dass er die Tatsache dreimal schneller begriff als ich.

Ohne ein Weiteres Wort ließ ich Anthony dort stehen und rannte zu dem Zimmer von meiner Mum und Christian.

Das durfte doch wirklich nicht wahr sein.

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