Kapitel 27

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„Schätzchen, wir müssen uns mal unterhalten.", sagte meine Mum, als ich kaum an der Tür reingegangen war. Sie hatte eine karierte Schürze umgebunden und hielt einen Pfannenwender in der rechten Hand, den sie im Takt ihrer Worte durch die Luft schwang.

Meine Mum hatte mir gerade noch gefehlt. Sie war das Sahnehäubchen auf diesem perfekten Tag. Wenn meine Laune nicht schon absolut auf ihrem Tiefpunkt war, würde sie spätestens in den nächsten paar Minuten von Genervtheit zu purer Mordlust übergehen. Meine Mum wusste einfach zu gut, wie sie mir den letzten Funken Fröhlichkeit rauben konnte.

„Oh nein, bitte verschone mich mit deinen Moralpredigten...", murmelte ich, eher an mich selbst gerichtet. Meine Mum musterte mich mit einer hochgezogenen Augenbraue, was sie immer tat, wenn ich nicht so reagierte, wie sie es von mir erwartete.

„Ich ignorier jetzt mal deinen unnötigen Kommentar und komme auf das eigentliche Thema: Christian und ich hatten euch doch neulich in unseren Plan, an den Strand zu fahren, eingeweiht."

„Ja und?", erwiderte ich genervt, bis der Groschen fiel. „Nein, Mum, bitte! Diese Idee ist absolut... Verstehst du denn nicht, keiner von uns beiden hat Lust, ein Wochenende am Strand zu verbringen."

Meine Mum schnaubte beleidigt, ließ den Pfannenwender sinken und ging wieder in die Küche.

„Euch kann man es auch nicht recht machen. Vielleicht fahren Christian und ich auch alleine dorthin.", murmelte sie, während sie irgendwas in der Pfanne briet.

„Alleine? Soll das heißen, Anthony und ich wären für ein ganzes Wochenende allein zu Hause?", stieß ich empört aus. Oh Gott, nein! Anthony und ich alleine? Das würde nie im Leben gut gehen! Ein Streit wäre dann wahrscheinlich unumgehbar.

„Ja, genau das hieße es dann.", erwiderte sie zickig.

„Und was hält Anthony von der Idee?", fragte ich nach. Ich konnte mir schlecht vorstellen, dass er Lust auf einen Strandurlaub hatte, aber ebenso wenig, ein ganzes Wochenende mit mir allein zu verbringen.

„Mit dem habe ich mich noch nicht unterhalten. Aber ich hoffe auch, dass Christian das eventuell übernehmen könnte. Ich weiß genau, dass Anthony mich nicht leiden kann."

„Liegt wohl in der Familie...", murmelte ich, doch meine Mum schien dies überhört zu haben. Kein Wunder, dass Anthony sie nicht leiden konnte, wenn sie immer alles beschloss, ohne ihn zu fragen. An seiner Stelle wäre ich da auch nicht gut auf sie zu sprechen. Aber trotzdem verhielt meine Mum sich irgendwie anders, seitdem wir hierhergezogen waren. Ich wusste nur nicht, was der Grund dafür war. Das einzige, was ich mir vorstellen konnte war, dass sie unglücklich mit Christian war...

Das würde sich zwar wahrscheinlich sehr egoistisch anhören, aber im Grunde wäre ich sogar ziemlich froh darüber, wenn die beiden sich trennen würden. Denn dann müsste ich Anthony auch nicht mehr länger ertragen.

Andererseits gönnte ich es meiner Mum aber auch, endlich wieder jemanden gefunden zu haben, der sie liebte.

„Na gut...", begann ich. „Ich fahre mit an den Strand." Vielleicht konnte ich dann etwas aus meiner Mum herausquetschen. Schließlich wusste ich ganz genau, dass wir beide nicht ins Wasser gehen würden, da wir beide nicht die besten Schwimmerinnen waren. Und dann könnte ich den Moment nutzen, wenn Anthony und Christian sich im Wasser vergnügten, um ein klärendes Gespräch mit meiner Mum zu führen.

Meine Mum musterte mich skeptisch, als würde sie meinen spontanen und auch unerwarteten Beschluss als Scherz ansehen. Als sie jedoch sah, dass meine Gesichtszüge keinerlei Anflug von Schalk beherbergten, veränderte sich ihre Miene sofort und glücklich fragte sie: „Wirklich?".

„Ja, wirklich. Aber nur unter einer Bedingung."

„Und die wäre? Es war ja so klar, dass du dich nicht einfach so darauf einlassen würdest. Die Sache musste ja einen Haken haben."

„Du kennst mich halt zu gut.", erwiderte ich. „Naja, die Bedingung ist, dass ich noch eine Freundin mitnehmen darf."

„Das kommt überhaupt nicht infrage!"

„Dann fahr ich auch nicht mit!"

„Na schön! Und welche Freundin möchtest du mitnehmen?"

„Charlene."

„Na gut, das akzeptiere ich...und auch nur, weil ich Charlene mag. Aber glaube ja nicht, du könntest mit ihr irgendwo hin abhauen! Du bleibst immer schön bei deiner Familie."

„Jaja...", murmelte ich und flüchtete dann in mein Zimmer. Warum war meiner Mum nur so viel an diesem bescheuerten Familienausflug gelegen?

Ich wusste zwar nicht, wann genau wir an den Strand fahren würden, trotzdem musste ich Charlene erstmal anrufen und fragen, ob sie überhaupt mitfahren durfte. Wollen würde sie mit Sicherheit, schließlich kam Anthony ja mit.

Aber leider hatte Charlene auch ziemlich strenge Eltern, was die Sache etwas schwieriger gestalten würde.

Zweifelsohne war sie total begeistert von dieser Idee, was natürlich vollkommen vorausschaubar gewesen war.

„Selbstverständlich komme ich mit!", schrie sie in den Hörer, sodass mein Ohr für einen Moment schmerzte.

„Solltest du vielleicht nicht erstmal fragen, ob du überhaupt darfst?", lachte ich.

„Oh fuck. Ja...Hmm fuck fuck fuck!", fluchte Charly. „Weißt du, meine Mum ließe sich wahrscheinlich nur überreden, wenn deine Mum mit ihr redet."

„Ja nur das Problem ist, dass meine Mum auch nicht so begeistert davon ist, dass ich eine Freundin mitnehmen will. Ich weiß nicht warum, aber ihr scheint irgendwie sehr viel an diesem Familienausflug zu liegen. Und ich darf auch nur eine Freundin mitnehmen, weil ich sonst gar nicht mitkommen würde."

„Ich weiß genau, warum sie will, dass du mitkommst.", erwiderte Charlene und ich wusste genau, dass sie ein breites Grinsen im Gesicht hatte.

„Und das wäre?", fragte ich neugierig.

„Das ist doch offensichtlich! Cat, du bist so verdammt blind!", lachte sie.

Verwirrt zogen sich meine Augenbrauen unwillkürlich zusammen. Hatte ich irgendwas verpasst? Wusste etwa jeder was los war, nur ich nicht? Wusste Charly etwa, was mit meiner Mum war, und dass sie sich in der letzten Zeit so seltsam benahm?

„Ja klar, deine Mum will dich verkuppeln!"

„Verkuppeln?"

„Mit Anthony!"

„WAS?"

„Cat, ich kann nicht mehr.", lachte Charly. Ich hörte ein lautes Krachen am anderen Ende der Leitung und wahrscheinlich war Charly gerade vor Lachen aus dem Bett gefallen.

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