Kapitel 50: Warum?

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Erschöpft lehnte ich meinen Kopf gegen die weiße Wand und ignorierte die Blicke der anderen Menschen, die vorbei liefen. Meine Klamotten waren von Blut getränkt. Jonahs Blut. Ich atmete tief durch und hielt meine Tränen zurück.

"Allison!" Ich sah auf. Devin und Joy kamen auf mich zu gelaufen. Joy umarmte mich.

"Wir haben gehört was passiert ist. Es tut mir so leid" Ich hatte vorhin meinen Vater angerufen, daher wussten sie es wahrscheinlich.

"Dein Vater ist bereits unterwegs", erklärte Devin mir. Joy löste sich von mir und betrachtete mich eindringlich.

"Ally, du musst dich setzen. Du siehst aus als würdest du gleich umfallen" Sie führte mich zu einem Stuhl und zwang mich mich hinzusetzen. Ich stützte meine Ellenbogen auf meine Oberschenkel ab und vergrub mein Gesicht in meine Hände.

"Devin, kannst du ihr bitte etwas zu trinken bringen? Etwas mit viel Zucker, bitte" Ich hörte Schritte, die sich entfernten, wahrscheinlich Devins. Eine Tür knallte zu und ich schrak hoch. Ich sah zu Joy, die Devin noch nach sah.

"Seid ihr zusammen?" Sie wandte den Kopf in meine Richtung und wurde leicht rot.

"Wir versuchen es zusammen" Ich lächelte leicht.

"Viel Glück", wünschte ich ihr.

"Danke" Ich zog die Füße an meinen Körper und kauerte mich auf dem Plastikstuhl zusammen. So saßen wir eine Weile und sagten einfach nichts. Starrten nur die weiße Wand vor uns an.

"Wir haben uns gestritten", durchbrach ich die Stille. Sie sah in meine Richtung.

"Bevor es passiert ist?" Ich nickte.

"Ich habe ihm Vorwürfe gemacht, dass er nicht fähig wäre eine Beziehung zu führen. Und er warf sich für mich in die Kugel", den letzten Teil wisperte ich nur noch.

"Es sollte dich treffen?" Ich nickte. Die Aufzugstür öffnete sich und Devin und mein Dad traten heraus. Er kam sofort auf mich zu und nahm mich in den Arm. Devin setzte sich neben Joy und legte einen Arm um sie.

"Wie steht es?", fragte Dad.

"Sein Zustand ist kritisch, er hat viel Blut verloren. Er wird noch operiert" Ich seufzte und setzte mich wieder hin. Devin reichte mir eine Flasche Orangensaft. Ich trank einen Schluck und mir ging es danach wirklich besser.

"Wie konnte das passieren?" Dad raufte sich die Haare und lief die ganze Zeit den Gang rauf und runter.

"Da war so eine Motorradgang. Der Anführer, ich glaube mal er war der Anführer, sprach davon, dass Jonah von der Polizei bestraft wurde und sie nun auch Gerechtigkeit wollten. Dann wollten sie mich erschießen" Dad wirbelte herum.

"Sie wollten dich erschießen? Warum?"

"Der Kerl meinte, er würde Jonah mehr bestrafen wenn er jemand unschuldigen erschießen würde als wenn er Jonah erschießen würde" Ich sah auf den Boden.

"Und warum hat Jonah die Kugel in der Brust? Ich verstehe es nicht!"

"Er hat sich in die Schusslinie geworfen! Ich müsste eigentlich im OP liegen und um mein Leben kämpfen! Nicht er!" Nun brach ich wieder in Tränen aus. Ich hatte das Gefühl, dass ich in den letzten Tagen nichts anderes mehr getan habe ausser weinen.

"Ally, ich glaube es wäre besser wenn ich dich nach Hause fahre" Ich schüttelte sofort den Kopf.

"Ich gehe erst wenn ich weiß wie es um ihn steht. Das bin ich ihm schuldig", erklärte ich stur.

"Ally, könnten wir kurz miteinander sprechen? Unter vier Augen?" Ich nickte zögerlich und stand auf. Zusammen stiegen wir in den Aufzug. Wir setzten uns in die kleine Kantine im Krankenhaus. Ich mit meinem Orangensaft und er mit einem Kaffee.

"Ich komme gleich zur Sache. Ich weiß, dass du nicht Heim gehen willst. Aber du machst dich selbst fertig. Du brauchst Ruhe" Ich wollte etwas sagen, doch er hob die Hand, sodass ich den Mund hielt.

"Und ich weiß auch, dass ihr euch mögt. Mehr mögt als es Freunde tun. Trotzdem hilft es ihm jetzt nicht wenn du hier bleibst. Lass mich dich heimfahren, schlaf dich aus und ich bringe dich morgen wieder hier hin. Du musst morgen auch nicht zur Schule gehen" Mir stand der Mund offen.

"Woher weißt du das?"

"Als ich krank war und du dachtest, ich würde schlafen, habe ich euch gehört", erklärte er und trank einen Schluck von seinem Kaffee.

"Und, gehst du auf meinen Vorschlag ein?"

"Nur unter einer Bedingung" Er beugte sich neugierig etwas über den Tisch.

"Und die wäre?"

"Ich bleibe bis uns ein Arzt über Jonahs Zustand aufklärt" Er lächelte leicht.

"Ich hätte es wissen müssen. Aber abgemacht" Er trank seinen Kaffee aus und wir gingen wieder hoch. Devin und Joy saßen unverändert auf ihren Plätzen als wir kamen.

"Gibt es schon etwas Neues?", fragte ich hoffnungsvoll. Gleichzeitig schüttelten sie den Kopf. Frustriert ließ ich mich auf einen Stuhl fallen. Die Ahnungslosigkeit machte mich noch verrückt. Nach 2 Stunden kam ein Arzt aus dem OP auf uns zu.

"Sind Sie die Angehörigen von" Er sah auf seine Unterlagen.

"Von Jonah Kane?" Wir nickten.

"Die Operation ist gut verlaufen. Wir konnten die Kugel ohne Komplikationen aus seiner Brust entfernen. Jedoch hatte er bevor er eingeliefert wurde und auch während der Operation sehr viel Blut verloren. Wir haben ihn zudem in ein künstliches Koma gelegt da die Schmerzen sonst unerträglich wären. Wir wissen jedoch nicht wann er wieder aufwachen wird"

"Kann ich ihn sehen?", fragte ich schüchtern. Der Arzt schüttelte den Kopf.

"Heute nicht mehr. Morgen jedoch können Sie ihn sehen. Sie sollten sich ein bisschen ausruhen" Ich nickte. Der Arzt wandte sich an meinen Vater.

"Zudem sollten Sie die Polizei verständigen. Das ist bei so einer Verletzung üblich"

Scars of the pastWhere stories live. Discover now