Kapitel 10: Danke Jonah

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"Um herauszufinden ob dieses Dreieck wirklich rechtwinklig ist, müssen wir den Satz des Pythagoras benutzen. Kann sich noch jemand erinnern wie der geht?" Warum musste Mathe so langweilig sein? Ich war schon sehr träge und die tiefe, monotone Stimme meines Mathelehrers, von dem ich immer noch nicht wusste wie er hieß, zwang mich praktisch dazu hier und jetzt einzuschlafen.

Jedoch durfte ich das nicht, da ich keine Lust hatte zum Direktor zu müssen. Gott sei Dank war heute Freitag und ich hatte dann 2 Tage meine Ruhe. Meine Müdigkeit war jedoch schneller vorbei als ich dachte, als sich plötzlich eine gewisse Person zu mir umdrehte von der ich noch nicht einmal wusste, dass sie im gleichen Mathekurs mit mir war. Dylan.

"Weißt du, mein Angebot von gestern steht noch"

Dabei grinste er wieder schelmisch, was bestimmt viele Mädchen beeindruckte, mich ließ es jedoch kalt.

"Meins auch", war alles was ich entgegnete und ihm wie auch mir war klar, dass es eine Anspielung auf den Tritt in seine Kronjuwelen war. Peinlich berührt wandte er sich wieder der Tafel zu und auch ich schrieb alles von der Tafel ab als wäre nichts gewesen. Dabei entgingen mir jedoch nicht die 3 prüfenden Blicke, die auf mir lagen. Als ich zu ihnen rüber sah, schrieben sie weiter ihre Notizen und taten so als ob Mathe das Interessanteste auf der ganzen Welt wäre.

Ich verdrehte die Augen und wartete ab, dass mich die Klingel erlöst und ich in Ruhe zu Mittag essen kann. Doch auch das blieb mir verwehrt. Zur Mittagszeit regnete es wie aus Eimern, sodass ich die Mittagspause drinnen verbringen musste. Nachdem ich mir einen kleinen Salat gekauft hatte, setzte ich mich an einen kleinen Tisch. Allein, wie immer. Ich tat mich schwer damit neue Freunde kennenzulernen, was sehr wahrscheinlich an meinem bissigen Charakter lag.

Auch als ich in Frankreich war, hatte es Wochen gedauert bis ich Freunde gefunden hatte und hier würde es wahrscheinlich so ähnlich sein. In Gedanken versunken stocherte ich in meinem Salat bis mich das Geräusch von Stühlen und Tischen, die umher geschoben wurden, aufblicken ließ. An meinem Tisch wurde angebaut. Einige Minuten später saß ich mit den Hornochsen an einem großen, zusammengesetzten Tisch. Die eifersüchtigen Blicke der anderen Mädchen blieben für mich jedoch nicht unbemerkt. Da sie sowieso nicht verschwinden würden, sagte ich auch nichts. Wider Willen musste ich mir ihr Gespräch mit anhören.

"Alter, du hast gesagt sie wäre im Bett unglaublich!"

"Ja, stimmt doch. Unglaublich schlecht" Die andern lachten und ich schob den Salat beiseite. Der Appetit war mir vergangen. Warum mussten sie über so etwas sprechen, während ich aß oder überhaupt wenn ich anwesend war? Seth, der gegenüber von mir sitzt, ich fragte mich schon warum immer er in meiner Nähe war, musterte meine Geste argwöhnisch.

"Ist das Essen hier so schlimm?"

"Nein, aber euer Thema"

"Es ist nur Sex. Das ist etwas ganz natürliches" Er zuckte mit den Schultern. Ich glaubte, er war auf Streit aus.

"Mir egal. Ihr setzt euch einfach zu mir, ohne mich zu fragen und redet so über Mädchen ohne zu bemerken, dass ein Mädchen anwesend ist" Ich gab ihm was er wollte, nun hatten wir Streit. Mal wieder. Die anderen Gespräche verstummten und ihre volle Aufmerksamkeit galt uns. Seth lehnte sich lässig zurück und verschränkte die Arme vor der Brust.

"Gut, dann erzähl uns von deinem Stecher, hier sind ja auch Jungs anwesend. Erzähl uns, wie gut er doch ist" Ich sagte gar nichts. Nicht nur weil ich keinen Freund, Stecher oder sonst was hatte, sondern auch weil ihn mein Sexleben einen feuchten Kehricht angeht. Er bemerkte schließlich auch, dass ich nicht antworten würde.

"Ist er so schlecht? Obwohl ich habe noch eine andere Vermutung" Ich zog eine Augenbraue hoch und verschränkte, wie er, meine Arme vor der Brust.

"Du bist Jungfrau" An unserem Tisch sagte keiner ein Wort, bis auf Seth, der das ganze ziemlich witzig zu finden scheint. Ich jedoch lehnte mich vor, sodass Seth aufhörte zu lachen und mich nun auch ansah. Wir waren uns so nah, dass sich unsere Nasenspitzen fast berührten.

"Du hast ja keine Ahnung", flüsterte ich so leise, dass nur er es hören konnte.

Ich zog mich wieder zurück, nahm meine Tasche und verschwand aus der Cafeteria, nicht ohne Seth noch mal ordentlich auf den Hinterkopf zu schlagen. Die Meisten quittierten das mit einem Lachen, jedoch meinte einer seinen Senf noch dazugeben zu müssen.

"Ich glaube, die muss mal ordentlich durchgefickt werden" 

Ich drehte mich wieder zum Tisch um. Ich wusste nicht wer das gerade gesagt hatte und es war mir ehrlich gesagt auch egal. Trotzdem wollte ich, dass sie sahen, dass ich wütend war und dass ich nicht für jeden Spaß zu haben bin.

"Ihr haltet euch auch für die Allergrößten. Kein Wunder, dass es die Mädchen es nur für eine Nacht mit euch aushalten. Ihr seid einfach widerlich"  

Ich verließ die Cafeteria nun endgültig und setzte mich im Pausenhof auf eine Bank. Es war mir gerade egal, dass es regnete und es war mir auch egal, dass es kalt war. Hinter mir hörte ich wie eine Tür sich öffnete und auch wieder schloss. Jemand war mir gefolgt und setzte sich nun neben mich. Ich sah stur weiter gerade aus.

"Du solltest nicht hier sein. Du wirst noch krank"

"Als ob dich das interessieren würde. Ihr wärt doch froh, wenn ich krank wäre. Ich würde in meinem Zimmer bleiben und ihr hättet eure Ruhe. Außerdem sorgst du dich nur wegen meinem Vater um mich"

"Ich sorge mich nicht deines Vaters wegen sondern deinetwegen" 

Ich spürte wie er mir seine Jacke um die Schultern legte. Danach sahen wir beide wieder geradeaus.

"Die Jungs haben das mit Absicht gemacht. Sie wollten sehen wie du reagierst. Seth hatte schließlich noch einen draufgelegt. Er wolle herausfinden ob du einen Freund hättest und ob du noch Jungfrau wärst" Ich seufzte. Das war so klar und ich fiel darauf rein und flippte total aus.

"Habe ich überreagiert?" Er überlegte kurz.

"Du hättest ihm vielleicht keine scheuern sollen, aber ich glaube andere Mädchen hätten angefangen zu heulen und das war es ja was sie wollten. Sie wollten sehen, wo deine Grenzen sind und wann es dir zu viel wird" Ich nahm alles zurück, was ich gestern gesagt hatte. Ich konnte sie nicht leiden. Ich strich mir durchs Haar, welches schon komplett durchnässt war.

"Gehst du jetzt bitte wieder rein. Sonst wirst du wirklich noch krank" 

Ich stand auf und er tat es mir gleich. Dann tat ich etwas was ich sonst nie getan hätte.Ich umarmte ihn obwohl ich den direkten Kontakt mit anderen eigentlich mied. Er wirkte zunächst etwas überfordert, legte dann aber schließlich auch seine Arme um mich.

"Danke Jonah" Und so standen wir da. Mitten im Regen und umarmten uns.

Scars of the pastWhere stories live. Discover now