27. Kapitel

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Ich bin gerade im Schreibfluss, es ist unglaublich. Es ist das, was ich am Schreiben so liebe und das, was ich lange Zeit vermisst habe, aber gleichzeitig macht es mir Angst. Es sind nur noch etwa drei oder vier Kapitel zu schreiben. Es sieht so aus, als würde ich es tatsächlich dieses Mal schaffen und es macht mich traurig. Für euch gibt es noch grob geschätzt acht Kapitel zu lesen und verdammt, ich will es gleichzeitig beenden und es für immer unvollendet lassen. Der nahende Schluss macht mich melancholisch, tut mir leid, ich mache das ja sonst nie, aber das wollte ich jetzt einfach mal gesagt haben.



Der Schleimige schubste sie in den Wagen. „Gebt keinen Muckssss von euch. Dasssss rate isss euss", lispelte er, dann schlug er die Tür zu. Kurz darauf setzte der Wagen sich in Bewegung.

Romy tastete im Dunkeln herum, bis sie eine Kiste fand, auf der sie sich niederließ. Langsam gewöhnten sich ihre Augen an die Dunkelheit. „Warum bist du gekommen? Ich meine, das war wirklich nett von dir, aber das hier ist nicht dein Kampf, nicht deine Geschichte", fragte Romy.

Alan hielt inne und fragte verwundert: „Du glaubst mir also? Du glaubst, dass ich nichts damit zu tun habe?"

Romy lachte bitter auf. „Ja, weil ich jetzt weiß, wer es war. Wer meine Mutter getötet, Emilia entführt, die Kamera zerstört, die Mail geschrieben und mit meinem Vater sonst was gemacht hat. Ich war so dumm", sagte sie und ohrfeigte sich in Gedanken noch einmal dafür, dass sie ihn so vollkommen vergessen hatte. „Er war es die ganze Zeit über. Die Fledermaus, Vladislav Berger, die Fledermaus. Wenn man darüber nachdenkt, springt es einem förmlich ins Gesicht. VB, Vladislav Berger. Ich weiß nur nicht, warum. Ich kann ihn und seine Absichten nicht greifen. Dass ich dir nicht trauen konnte, also, es tut mir leid, aber ich konnte einfach nicht. Warum bist du hierher gekommen und hast versucht, mir zu helfen? Du warst mit Sicherheit nicht bloß zufällig hier."

„Ehrlich gesagt, bin ich dir gefolgt", gestand er. „Ich bin seit der Sporthalle immer eurem grauen Auto nachgefahren, hatte euch zwischenzeitlich auch kurz verloren, aber als ich das Auto dann vor dieser Kirche wiedergefunden hatte, bin ich ausgestiegen, hab in die Kirche geschaut und da warst du dann und auch die vier ekelhaften Typen. Den Rest kennst du."

„Warum, Alan, warum?"

„Ich hatte es mir anders überlegt. Ich wollte dir doch alles erzählen. Als ich gestern auf dem Spielplatz weggegangen bin, da... ich konnte einfach nicht. Vielleicht war es das gleiche Nichtkönnen wie bei dir die Sache mit dem Vertrauen. Aber ich hatte mich dann entschieden, dir die Frage doch beantworten zu wollen."

„Gut", meinte Romy achselzuckend. „Schieß los."

„Ich bin mir nicht sicher, ob ich immer noch will." In diesem Moment bremste der Wagen abrupt. Alan stand auf und zog den Vorhang des einzigen winzigen Fensters, das eine Möglichkeit nach draußen zu blicken bot, zur Seite. Er stellte sich auf die Zehenspitzen. Das Auto setzte sich wieder in Bewegung. „Wir fahren jetzt auf die Autobahn, wieder in Richtung Deutschland."

Romy schwieg. Alan kehrte zu seinem Platz auf muffigen Decken zurück. „Du wolltest hören, warum ich Drogen nehme", sagte er schließlich. „Bist du dir sicher, dass du das wirklich wissen willst? Es ist keine schöne Geschichte. Ich warne dich." Romy sah ihn bloß an. „Also gut. Der Anfang. Wo ist der Anfang? Wo fange ich an?

Ich hatte eine ganz normale Familie. Wir taten all die Dinge, die eine normale Familie eben so macht. Ich hatte einen kleinen Bruder. David. Er war ein Jahr jünger als ich, aber der Altersunterschied hat uns nie gestört. Er war mein bester Freund.

Als ich zehn war, bekam meine Mutter Krebs, kaum ein halbes Jahr später starb sie. Mein Vater stürzte in ein tiefes Loch. Er war nicht mehr ansprechbar. Ich weiß, ich hätte eigentlich traurig sein müssen, aber dazu war keine Zeit. Da mein Vater völlig mit sich und seinen Depressionen beschäftigt war, mussten Davi und ich den ganzen Haushalt führen und irgendwie dafür sorgen, dass wir Essen hatten.

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