Kapitel 28

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Am Strand war es menschenleer. Baden tat hier dank der Haie ja schon lange keiner mehr, auch die Fischer blieben deshalb fern, doch auch keine Spaziergänger waren zu sehen. Niemand war hier, auch kein Sam.

Niedergeschlagen ließ ich mich irgendwann in den Sand fallen und blieb einfach so sitzen. Wann war mein Leben nur so aus den Fugen geraten? Wann ging alles so schief? Wann fühlte ich mich so einsam?

Irgendwann hatte ich keine Lust mehr einfach nur dazusitzen, weshalb ich mich wieder auf den Weg zurück machte. Allerdings hielt ich mein Versprechen nicht wirklich, da ich einen kleinen Umweg machte.

Das Krankenhaus war nicht wirklich groß, was vielleicht daran lag, dass sich die allerwenigstens eine solche Behandlung leisten konnten und ein größeres deshalb einfach nicht benötigt wurde.

Doch da Damir ein Sieger war, hatte man ihn sogar in eines der luxuriöseren Zimmer untergebracht. Bringen tat das jedoch nichts, da er deshalb auch nicht schneller gesund wurde.

Wenn er doch nur aufwachen würde! Wenn ich mir sicher sein konnte, dass er wieder gesund werden würde, dann wäre alles viel einfacher für mich! Dann wäre ich ruhiger und es ginge mir nicht so mies.

An seinem Zimmer angekommen klopfte ich, einfach der Höflichkeitshalber, danach trat ich ein. Ich steuerte sein Bett an und mein Herz setzte einen Schlag aus, als ich es leer vorfand. Das Bett war unbenutzt und sogar frisch bezogen worden.

Ich schrie seinen Namen, während ich wieder zurück in den Gang lief und nach einer Schwester suchte. Panik überkam mich und ich rechnete mit den Schlimmsten, als ich endlich auf eine Krankenschwester traf, die zusammen mit zwei Friedenswächtern auf meine Schreie reagierte. Na toll, im Moment schienen sie wirklich überall zu sein. Vielleicht folgten sie mir und warteten nur auf den Moment mich wieder in eine Zelle sperren zu können.

„Wo ist er? Wo habt ihr hin hingebracht?", brüllte ich alle drei an, woraufhin die Friedenswächter nach ihren Schlagstöcken griffen. Doch ich dachte gar nicht daran, ruhiger zu werden. Wie hätte ich es in dieser Situation auch werden können? Damir war weg, das konnte eigentlich nur eines bedeuten.

„Wen meinen Sie denn?", versuchte mir die Schwester zu helfen und trat ein Stückchen auf mich zu, ehe es die beiden Männer tun konnten.

„Damir Johnson. Den Sieger aus Zimmer 53.", antwortete ich ihr während ich versuchte nicht gleich los zu weinen.

„Der wurde verlegt."

Diese drei Worten schafften es, dass mir nun doch Tränen über die Wangen liefen, jedoch Tränen der Erleichterung. Er war nicht tot.

„Wohin? Kann ich zu ihm?", fragte ich und konzentrierte mich dabei nur auf die Krankenschwester. Sie würde mich hinbringen, ganz sicher. Und die Meinung der Anderen interessierte mich eh nicht.

„Sind sie eine Angehörige?", fragte sie, doch sie ging bereits vor.

„Ich bin seine... äh... Verlobte.", antwortete ich und benutzte zum ersten Mal selbst das Gerücht, das über uns kursierte. „Und er hat keine Angehörigen mehr, hat man doch in die Luft... ich meine, die sind verstorben."

„Ich frage, weil er keine Angaben machen konnte.", erklärte sie mir und abrupt blieb ich stehen, während ich sie verwirrt ansah. Jemand der bei Bewusstsein war, konnte natürlich keine Angaben machen. Das kann man nur, wenn man wieder aufgewacht war.

„Ist er wach?", platzte es deshalb aus mir heraus, während mein Herz hoffnungsvoll schneller schlug.

„Ja ist er. Seit etwa zwei Stunden.", bestätigte sie mir, und nun weinte ich wieder.

„Aber wieso konnte er dann keine Angaben machen? Ist etwas mit seiner Stimme?", wollte ich weiter wissen.

„Nein, die Stimme ist okay, er erinnert sich nur nicht mehr."

So schnell die Freude hier gewesen war, so schnell war sie nun wieder verschwunden. Entsetzt blickte ich die Krankenschwester um, während mein Herz mit einem Mal stoppte und nun wieder langsamer schlug.

„Wie meinen Sie das?"

„Bei der Art seiner Verletzungen ist ein Gedächtnisverlust nichts Seltenes.", meinte sie, was mir jedoch überhaupt nichts half.

„Wird er sich jemals wieder erinnern können?", fragte ich nun während ich ein paar Mal schlucken musste.

„Das kann man jetzt noch nicht sagen. Aber es kann helfen, wenn vertraute Personen dem Patienten etwas aus seinem Leben erzählen. Dann sind die Chancen, dass er sich erinnert, größer."

Ich nickte und presste die Lippen fest aufeinander, während die Tränen nun aus einem anderen Grund übertraten. Trotzdem wollte ich stark sein und zu ihm gehen, ihm zeigen dass es mich gab und dass ich froh war, dass er wieder bei Bewusstsein war. Es brachte nur nichts.

Er erinnerte sich nicht an mich, noch an die anderen. Es tat unglaublich weh. Doch ich war froh dass er noch am Leben war. Und lieber erinnerte er sich nicht mehr an mich als dass ich ihn für immer verloren hatte. Das redete ich mir ein, mein Herz musste es nur noch verstehen.

Als Finnick wiederkam wurde mein Leben ein kleinwenig heller. Ich durfte auch in eins seiner Zimmer ziehen, da ich es weder im Haus meiner Eltern noch in dem von Damir aushielt.

Zusammen besuchten wir jeden Tag Damir, da wir hofften, dass es vielleicht mehr half, wenn wir auch mehrere Personen waren, an die er sich erinnern konnte. Doch nichts passierte. Nicht nach einer Woche, nicht nach zwei Wochen, auch nicht als er wieder aus dem Krankenhaus entlassen wurde.

Es fühlte sich komisch an, bei ihm zu wohnen, immerhin war ich eine Fremde für ihn, weshalb ich meine Sachen packte und ganz zu Finnick zog. Beziehungsweise offiziell ja in das Haus meiner Eltern, welches ja nun mir gehörte. Nur blieb ich dort nie.

Aufstände brachen in den Distrikten immer öfter aus, doch sie interessierten mich nicht mehr. Ich hatte meinen Freund verloren, die Person die ich liebte. Und ich konnte nichts dagegen tun, als Zeit mit ihm zu verbringen, was mehr schmerzte als alles was das Kapitol bisher in seinen Spielen aufbringen konnte. Es war Folter, und doch tat ich es jeden Tag aufs Neue. Eine andere Wahl hatte ich nicht, da ich mich nicht mehr darauf verließ einfach nur zu hoffen. Denn Hoffnung gab es hier nicht mehr. Nicht in der Welt, in der wir nun lebten.


Elina Green - Wenn Hoffnung alles ist, was bleibt IIWhere stories live. Discover now