Kapitel 21

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Es dauerte gut eine Minute, in der ich nur aus dem Fenster starrte. Ich versuchte zu erkennen, wie weit der Rauch entfernt war und ob ich damit gleich die Gewissheit hatte, dass ich mich täuschte. Doch ich konnte es nicht ausschließen, stattdessen kam ich immer wieder zur gleichen schrecklichen Vermutung.

Damir sagte etwas, doch ich hörte ihn nicht wirklich. Stattdessen setzten sich mit einem Mal meine Beine in Bewegung und ich rannte los.

Damir rief nach mir, doch ich ignorierte sein Rufen. Ich konnte nicht stehen bleiben und auf ihn warten, durfte es nicht, sondern musste mich davon überzeugen, dass ich mich irrte.

So schnell ich konnte rannte ich die Straßen entlang, auf die immer mehr Menschen traten, die sehen wollten, was gerade passierte. Auf sie nahm ich jedoch keinerlei Rücksicht. Stattdessen rempelte ich alle an, die mir im Weg standen. Ich durfte keine Zeit verlieren.

Während ich meinem Ziel immer näher kam spürte ich die Übelkeit in mir aufsteigen. Wieso tauchte nicht endlich ein brennendes Gebäude auf? Dann konnte ich stehen bleiben da ich wusste, dass ich mir keine Sorgen um jemanden machen musste. Doch dieser Wunsch erfüllte sich nicht. Stattdessen erreichte ich nun die Fabrik meiner Eltern, aus der die Flammen empor ragten. Meine Eltern wohnten seit den Unruhen so gut wie darin.

„Nein.", flüsterte ich und Tränen traten mir in die Augen. Jedoch nur kurz, dann rannte ich einfach hinein.

„Elina, nicht jetzt.", sagte mein Vater und schob mich ein wenig zur Seite.

„Aber Daddy, schau doch mal!", versuchte ich es erneut und hob mein Bild hoch, während ich übertrieben stolz grinste.

„Sehr schön, das hast du wirklich toll gemacht.", behauptete er, doch ich merkte, dass er nicht einmal hergesehen hatte. Enttäuscht ließ ich das Bild wieder sinken.

Ich verließ das Büro und ging den Gang entlang. Am Ende trat ich in ein weiteres Büro, wo meine Mutter gerade telefonierte.

„Mom schau doch was ich gemalt habe!"

„Ich telefoniere, das siehst du doch.", antwortete sie und entschuldigte sich dann am Telefon dafür, dass ihre Tochter sie wieder einmal gestört hatte.

Auch dieses Zimmer verließ ich enttäuscht, ehe ich die ganze Fabrik verließ und einfach an den Strand ging. Eigentlich durfte ich das nicht, mit 10 war ich laut meinen Eltern zu jung um allein dorthin zu gehen, doch da sie nicht einmal Zeit hatten ein Bild zu begutachten, würden sie es eh nicht merken.

Ich lief die Straße entlang und am Strand angenommen setzte ich mich an den Platz, den ich beim letzten mal entdeckte hatte. Hier konnte man die Wellen so gut beobachten, wie sie an den Felsen brachen. Und genau dort hinunter warf ich mein Bild.

Ich hatte keine Ahnung warum ich daran denken musste. Wieso ich genau jetzt, wo ich trotz der warnenden Rufe der Ersthelfer in das Gebäude ging an diese bescheuerte Erinnerung denken musste, doch ich tat es.

Meine Eltern und ich hatten kein inniges Verhältnis, das wusste ich, vor allem, da es beinahe nur solche Erinnerungen gab. Wir hatten also nicht einmal wirklich ein richtiges Verhältnis zueinander. Die Fabrik war ihnen schon immer wichtiger gewesen als ich. Trotzdem waren es meine Eltern, dank ihnen hatte ich nie Hunger müssen und war immer gut versorgt. Sie hatten sicher keinen solchen Tod verdient. Sie durften nicht sterben wie Damirs Eltern. Ich wollte keine Waise werden.

„Mom! Dad!", schrie ich und zog meinen Pullover über Mund und Nase. Trotzdem musste ich Husten, während wieder Tränen in meine Augen tränten. Dieses Mal lag es jedoch am Rauch.

Ich versuchte mich zum Büro meines Vaters durchzukämpfen, doch ich schaffte es nicht. Genau dort loderten Flammen auf.

Ich drehte mich um und versuchte nun zu dem Büro meiner Mutter zu kommen, doch mittlerweile brannten meine Augen so stark, dass ich nichts mehr sehen konnte. Wieso war hier überall Rauch? Und musste ich nicht langsam wieder zum Ausgang kommen?

Ich verlor die Orientierung, lief wieder in eine andere Richtung und strauchelte dann. Ich hustete und würgte, während mir langsam schwarz vor Augen wurde. Genau dann, als ich meinen Namen rufen hörte. Doch ich konnte nicht antworten, konnte nichts sagen. Auch dann nicht, als mich jemand hochnahm und davon trug.

Frische Luft erfüllte meine Lungen und ließ mich erneut husten, doch langsam konnte ich wenigstens meine Umgebung wieder erkennen.

Ich konnte jetzt sehen, wie Schläuche auf die Fabrik gerichtet wurden und die Feuerwehr versuchte mit ihnen die Flammen unter Kontrolle zu bekommen. Friedenswächter waren hier und halfen ihnen, was mich zur überraschenden Erkenntnis brachte, dass die Feuer scheinbar nicht vom Kapitol gelegt worden waren.

„Elina? Könntest du bitte etwas sagen? Egal was.", bat mich eine Stimme. Sie musste zu der Person gehören, die mich aus der Fabrik getragen hatte und nun neben mir kniete. Diese Person war jedoch nicht Damir und auch nicht Finnick. Es war nicht Darian und doch kannte ich sie.

„Sam.", wollte ich sagen, doch es kam wieder nur ein Husten über meine Lippen, während sich mir der Magen umdrehte.

„Ich bring dich zu einem Arzt.", sagte er sofort und wieder wurde ich hochgehoben, ehe er sich mit schnellen Schritten in Bewegung setzte.

Eigentlich wollte ich ihn deshalb sofort daran erinnern, dass er nicht mit mir gesehen werden durfte. Er sprach ja nicht einmal wirklich in der Öffentlichkeit mit mir. Da konnte er doch nicht jetzt, wo so viele Leute auf den Straßen waren, mich durch die Gegend traten und mich retten.

Es kamen allerdings keine Worte über meine Lippen. Stattdessen wurde mir nun schwarz vor Augen.

Elina Green - Wenn Hoffnung alles ist, was bleibt IIDonde viven las historias. Descúbrelo ahora