Kapitel 15

248 19 1
                                    

Die nächsten Tage vergingen und es war unglaublich ruhig im Distrikt. Vermutlich lag das auch daran, dass weitere Friedenswächter eingetroffen waren, die zusätzlich für Ruhe sorgen sollten. Das Kapitol hatte also auf den Vorfall mit den Farbeimern reagiert. Mit Friedenswächtern und der Hinrichtung all derer, die sie festnehmen konnten. Zur Abschreckung hingen sie immer noch und einige Möwen hatten bereits ihren Essensplan umgestellt und sich zu den Raben gesellt. Es war also kein schöner Anblick und vielleicht war es auch der Grund, weshalb sich die Künstler es sich nun doch zweimal überlegten, sich noch einmal zu widersetzten. Ich fand jedoch viel schlimmer, dass die Gehängten in etwa mein Alter hatten.

Da ich nicht daran vorbei gehen konnte, da ich am Ende mit Sicherheit erneut hingesehen hätte, machte ich heute zum Einkaufen einen unglaublichen Umweg. Ich ging Straßen entlang, die ich sonst nie benutzte, von denen ich jedoch wusste, dass sie nicht annähernd an den Hinrichtungsplatz führten.

Hinrichtungsplatz. Das klang unglaublich altmodisch und barbarisch und passte eigentlich nicht zum Kaptiol, welches doch so mit seinem Fortschritt prahlte. Doch scheinbar galt das eben nur für das Kapitol und nicht für ganz Panem. Das machte nur umso deutlicher, dass das Land ihnen überhaupt nicht am Herzen lag, sondern einzig allein ihr Wohlergehen für sie zählte.

Ich schüttelte den Kopf, da meine Gedanken eine viel zu rebellische Haltung einnahmen und bog dabei in die nächste Gasse ein, in der sich ein Friedenswächter gerade eine Beschwerde eines Bürgers, eindeutig einer der reicheren, anhörte. Doch der Friedenswächter war kein geringer als Sam Immer-noch-ohne-Nachname.

Mir fielen Finnicks Worte wieder ein, die mir in gewisser Weise verbaten, mich ihm zu nähern. Wir wussten nicht wer er war und auf welcher Seite er wirklich stand. Und da ich nicht mal um ein Haus schleichen konnte, ohne dabei erwischt zu werden, durfte ich mich nicht daran beteiligen, etwas über den jungen Mann herauszufinden. Allerdings ging der Beschwerdeanbringer nun gerade und ich würde also gleich an Sam vorbei gehen.

Ich konnte doch wenigstens noch einmal nach seinem Nachnamen fragen, oder etwa nicht? Das würde Finnick die Recherche erleichtern. Außerdem, was sollte mir da schon passieren? Wenn er mir etwas Böses wollte, so hätte er mir doch damals nicht geholfen, oder etwa nicht?

Ich beschloss dass ich durchaus ein kurzes Gespräch mit ihm beginnen konnte und ging deshalb in seine Richtung. Er hörte mich kommen und sah mich an, wobei sich unsere Blicke für einen kurzen Moment trafen. Doch dann ging er ebenfalls einfach los und beachtete mich nicht länger.

Kurz blieb ich perplex stehen, da ich keine Ahnung hatte was das gerade sollte. Doch jetzt wollte ich erst recht mit ihm reden und lief ihm deshalb hinterher.

„Sam?", rief ich und er blieb endlich stehen.

„Ich habe keine Ahnung woher Sie meinen Namen kennen, aber ich verlange, dass Sie sich sofort von mir entfernen.", sagte er kalt und mir klappte mein Mund auf.

„Aber...", begann ich, doch er hob nur eine Hand.

„Sofort.", verlangte er und vor Wut und Enttäuschung stiegen mir die Tränen in die Augen. Danach tat ich jedoch was er von mir wollte und ging weiter, wenn nun auch ziemlich geknickt.

Damir hatte Recht. Sam war nun ein dummer, verlogener und hinterhältiger Friedenswächter. Scheinbar hatte er einfach nur einen guten Tag und hatte mir deshalb geholfen. Anders konnte ich mir diese kalte Schulter von eben nicht erklären. Friedenswächter waren eben doch alle gleich.

Da ich jetzt keine Lust mehr hatte mir Tee zu kaufen, schlug ich nun den Weg zum Strand ein. Ich wollte das Meer rauschen hören und den Salzgeruch einatmen. Das würde mich sicher auf andere Gedanken bringen.

Am Strand angekommen ließ ich mich an einer für mich passenden Stelle in den Sand sinken. Sam war ein richtiger Idiot. Und ich hatte immer geglaubt und gehofft, dass er anders war. Es konnte ja nicht schaden einen Friedenswächter zum Freund zu haben, zumindest fand ich das so. Doch daraus würde nichts werden, das hatte er soeben zunichte gemacht.

Eine Weile saß ich so und starrte wütend auf die Wellen, ehe ich wirklich ein wenig ruhiger wurde. Das Meer hatte einfach eine beruhigende Wirkung und zeigte mir nur wieder auf, wie sehr ich meine Heimat liebte. Doch obwohl ich gerne hier lebte war es doch zu wenig. Die Tatsache eingesperrt zu sein war schrecklich. Zäune an Land und Haimutationen im Wasser. Ich wollte Freiheit haben und genießen können! Niemand sollte Tribut werden oder verhungern müssen. Doch leider lag das nicht in meiner Hand. Es lag nur in der Hand von Snow und der würde sicher nichts verändern.

„Hi.", erklang plötzlich eine Stimme und ich zuckte sofort zusammen, da ich sie nicht kannte. Zumindest dachte ich das im ersten Moment, doch dann fiel mir auf, dass sie jetzt nur viel wärmer klang.

„Guten Tag.", gab ich knapp zurück, sah Sam dabei jedoch nicht an.

„Du bist eingeschnappt.", stellte er fest und setzte sich ganz einfach neben mich, wodurch ich sehen konnte, dass er schmunzelte. Ich hasste den Kerl langsam.

„Der Strand ist übrigens riesig, es gibt hier ganz viele wunderbare Plätze.", merkte ich unfreundlich an.

„Ich weiß. Dass war das Einzige, worauf ich mich gefreut habe nachdem ich erfuhr, dass ich nach Distrikt 4 muss. Das Meer, der Strand, die hübschen Mädchen im Bikini. Wieso trägst du keinen?"

„Wieso gehst du nicht nach welchen Ausschau halten?", konterte ich.

„Tue ich immer. Und jetzt mal im Ernst, das vorhin war nicht so gemeint.", begann er und nun sah ich doch zu ihm.

„Ach ja? Komischerweise ist bei dir nichts ernst gemeint. Wieso also konntest du nicht normal mit mir reden und hast so getan, als wenn du mich nicht kennen würdest? Findest du das witzig, Mr...?"

Auch wenn ich sauer war konnte ich doch trotzdem ein wenig ermitteln. Dann hatte das Gespräch wenigstens einen kleinen Erfolg.

„Hinsten. Und ich musste so tun, als würde ich dich nicht kennen. Ist dir nicht aufgefallen, wo du warst? Du hast dich in dem Viertel befunden, in denen ich und ein dutzend weitere Friedenswächter wohnen. Das war viel zu gefährlich.", erklärte er und erst da begann ich zu überlegen wo ich wirklich gewesen war. Es konnte sein, dass er die Wahrheit sagte.

„Wieso sollte das gefährlich sein?", fragte ich trotzdem nach. „Immerhin gibt es viele Friedenswächter, die Freundschaften oder Kontakte mit Bürgern aus dem Distrikt pflegen. Einige haben sogar geheiratet!", warf ich ein.

„Ja. Es ist auch nicht für dich gefährlich, sondern für mich."

Jetzt sah ich ihn mehr als sprachlos an, weshalb er schnell zu erklären begann.

„Wir haben den Befehl, dich und deine Freunde im Auge zu behalten. Man ist nicht erfreut über die zwei Sieger, die sich viel zu viel erlaubt haben. Ein kleiner Fehler und man könnte sie durch dich und die anderen irgendwie bestrafen."

„Aber... wir haben nichts getan! Wir rebellieren nicht, wir werfen keine Farbeimer, gar nichts! Und ich verstehe immer noch nicht, wieso es für dich gefährlich ist.", sagte ich und konnte nicht verhindern, dass meine Stimme ein wenig ängstlich klang.

„Sagen wir es so, ich teile nicht alle Ansichten des Kapitols. Es offen zu zeigen, würde es mir unmöglich machen, an dich und an deine Freunde heran zu kommen."

„Wieso willst du an uns heran kommen?", fragte ich nach. Irgendwie schien ich heute gar nichts zu begreifen.

„Ich bin nicht der Einzige, der so denkt. Immer mehr Friedenswächter, hauptsächlich die aus den Distrikten, zweifeln an der Richtigkeit der Gesetzte. Wir sind überzeugt davon, dass man den Funken des Mädchens in Flammen nutzen könnte, um mit den richtigen Leuten in den Distrikten etwas zu bewegen.", erklärte er ruhig weiter.

„Was bewegen?", wollte ich wissen, auch wenn ich glaubte die Antwort bereits zu kennen.

„Eine Rebellion."

Elina Green - Wenn Hoffnung alles ist, was bleibt IIWo Geschichten leben. Entdecke jetzt