Kapitel 1

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KAPITEL 1

~ May's Sicht ~

"Kane, nein, du wirst das nicht, leg das Weg, dass kannst du nicht essen. KANE!", rief ich meinen Sohn zu, als ich auf ihm zu lief.
Er stand am Rand des Sees und hatte sich eine Seealge unter die kleinen Finger gerissen. Als ich sah, dass die Hand mit den Algen immer weiter zu seinem Mund wanderten, war ich aufgesprungen und wie von der Tarantel gestochen zu ihm gestürmt.
Ich schnappte mir den kleinen kichernden Jungen und hob ihn hoch. Wasser tropfte auf meine Beine und meine kurze Shorts runter, als ich ihm die glitschigen Seealgen aus der Hand zog und zurück in den knöcheltiefen Wasser warf.
Heute war es angenehm warm gewesen, deshalb habe ich beschlossen mit Kane an den Heidbergsee zu fahren, ein See in der Nachbarstadt in der Nähe meiner Heimat.
"Aber, Mami", setzte er zur Widerrede an. Schmollend blickte er mich an, strampelte mit den Füßen und wollte wieder nach unten, um sich, da war ich mir ziemlich sicher, wieder den Seealgen zuzuwenden.
Für seine 32 Monate, war er ganz schön fest entschlossen und stur gewesen. Von mir hat er das schon mal nicht gehabt. Oder vielleicht redete ich mir das auch nur ein. Manchmal, war ich nämlich genauso stur wie Kane selbst gewesen.
Ich hielt Kane weiter auf den Arm und sah es gar nicht ein, gegen diesen Knirps nachzugeben.
"Wenn du jetzt nicht aufhörst rumzuzicken, dann fahren wir sofort wieder nach Hause", sagte ich streng.
"Nein!", bockte er stur herum und verschränkte die Arme vor der Brust.
"Wie? Gibst du mir etwa schon wieder Widerrede?", fragte ich und zog meine Augenbrauen leicht nach oben.
"Hier bleibn!", bockte er weiter herum.
"Nein, wenn du dich nicht benimmst, dann fahren wir eben nach Hause. Du kennst ja das Spiel", meinte ich genauso stur.
Okay, Kane hatte das wirklich von mir. Keine Frage.
"Mami, bitte", meinte er und schnitt eine Grimasse.
"Hmm", machte ich und überlegte extra lange. "Du musst mir mal etwas versprechen."
"Vielleicht", meinte er und zog eine Grimasse.
"Okay, wir fahren nach Hause", sagte ich und ging zurück zu unseren Platz.
"Nein, nein, Mami", flehte Kane.
Er blickte mich mit seinen großen braunen Augen an und legte eine seiner kleinen Hände auf meine Wange. "Versprochen, okay?"
"Okay, du benimmst dich und hörst auf Mami, dann bleiben wir noch hier."
Kane nickte. "Okay", meinte er zufrieden.
"Du isst nichts mehr, was ich dir nicht gebe. Egal, wirklich egal was du findest, sei es die Seealgen, die du gerade verschlingen wolltest, oder irgendwas anderes, was nicht von mir kommt. Wenn ich dich sehe, wie du irgendwas in deinem Mund stopfst, was schlimme Bauchweh macht, oder sonst was, was keinen Sinn macht zu essen, dann werden wir nach Hause fahren."
Kane versuchte mir zu folgen und schaute mich verwirrt an - nickte aber trotzdem.
"So, bevor du noch einen Sonnenbrand bekommst und aussiehst wie Mr. Krabbs, creme ich dich mal besser ein."
"Mr. Krabbs?", fragte er grinsend.
"Ja, genau der."
Ich ließ Kane auf unserem Batman-Strandhandtuch runter und er ließ sich sofort mit dem Po draufplumsen.
Während ich Kane mit Sonnencreme einschmierte, spielte er ruhig mit meinem Handy herum. Wenn ich ihn nichts gegeben hätte, was ihn beschäftigte, würde das eincremen in einem Desaster enden. Er würde heulen, weil ich ihn angemeckert hätte, nachdem er mich lachend mit der Creme vollgeschmiert hat. Das hatten wir schon einmal, und es war wirklich ein Desaster. Und genau das wollte ich wieder verhindern.
"Mami?", fragte er mich plötzlich.
"Kane?", fragte ich und cremte den Kleinen den Rücken ein.
"Wann kommt Papi?"
Er drehte sich zu mir und schaute mich neugierig an. Geduldig wartete er auf eine Antwort. Und jetzt gerade in diesem Moment, sah ich schon wieder wie äußerlich Kane nach seinem Vater kam, als er in seinem Alter war.
Die Augen, das Gesicht, die Mimik. Einfach alles. Naja, bis auf ein paar charakterischen Eigenschaften, die er von mir hat.
Wir beide waren zwar nicht mehr zusammen, aber der Kontakt blieb und nicht nur wegen Kane. Die Chemie stimmte einfach zwischen uns, aber da gab es leider ein Problem.
Kane's Dad war eben in einer Beziehung, in der es eigentlich nicht mehr besonders lief. Aber anscheinend konnte er sich nicht von ihr trennen. Jugendliebe und der Mist eben.
"Ich weiß es nicht, Süßer", meinte ich nachdenklich. "Er ist ziemlich beschäftigt. Du weißt, er muss viel arbeiten, ist fast nie zu Hause."
"Ich will aber Papi sehen", schmollte Kane herum.
Ich seufzte. "Wir können nicht von einem Tag auf den anderen einfach zu deinem Vater fahren, Kane. Das hab ich dir..." Er war noch nicht mal drei. Er vergisst das doch wieder. "Das ist einfach gerade ziemlich kurzfristig."
Naja. Auch wenn ich noch im Mutterschutz war, konnte ich nicht einfach entscheiden nach Dortmund zu fahren, nur damit der junge seinen Vater sieht.
Ich musste das mit Marco absprechen, wann er seine Freundin für längere Zeit los ist, oder wann er hier her kommt, wenn er in der Nähe war. Oder wir trafen uns auf dem halben Weg in Richtung Grenze von Niedersachsen und NRW.
Kane wirkte enttäuscht und zog daraufhin seine blaue Mütze ins Gesicht.
"Schmollst du?", fragte ich unbeeindruckt.
Er verschränkte die Arme vor der Brust und knurrte: "Nein."
"Okay, dann schmoll 'nicht'", meinte ich und schnappte mir mein Handy, was Kane achtlos fallen gelassen hatte.
Ich ging auf Whatsapp und schrieb Marco eine Nachricht.

{1} This Is Us  [Marco Reus FF] ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt