Das fliegende Schiff

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Peter durchbrach, dicht gefolgt von Tinkerbell und den anderen Feen, die Grenze zur Erde und steuerte auf London zu.
Er hatte keine Ahnung wie viel Zeit er noch hatte, bis die Frist abgelaufen war, aber er hoffte sehnlichst, dass er es noch rechtzeitig schaffte.
Sein Entschluss stand fest. Er würde die Piraten ins Nimmerland bringen, dann seine Freunde retten und sie zu Deer bringen und sich dann mit dem Häuptling überlegen, wie er die Piraten unschädlich machen könnte.
Ab sofort hasste Peter Piraten - und er würde nie wieder zulassen, dass einer von ihnen seinen Freunden etwas an tat.
Tinkerbell maulte schon die ganze Zeit vor sich hin. Sie bezeichnete Peter lautstark hinter seinem Rücken als Idioten und spottete, dass er die Aufgabe des Feenkönigs niemals erfüllen könnte.
Peter versuchte so gut es ging sie zu ignorieren. Immer wenn er sich wutschnaubend zu ihr umdrehen wollte, dachte er hastig an seine Freunde und kniff die Lippen zusammen.
Als Tinkerbell bemerkte, dass ihre Sticheleien zu nichts führten, hielt sie ebenfalls den Mund, und Peter war dankbar dafür. Er war kurz davor gewesen der kleinen Fee den Hals umzudrehen.
Die anderen Feen, die Tinkerbell folgten, hatten bis jetzt noch gar nichts gesagt und flogen mit ausdruckslosen Gesichtern Peter hinterher. Ihm war es nur recht so, eine Fee, die ihn nervte und das schlechte Gewissen nur so in ihn rein prügelte, reichte ihm schon.
Peter erkannte die vertrauten Umrisse von London und er erhörte seine Fluggeschwindigkeit ein wenig. Er machte sich furchtbare Sorgen - was, wenn Rackham sein Versprechen nicht gehalten hatte? Dann wäre es Peters Schuld, dass seine Freunde von Piraten getötet worden waren.
Peter schüttelte den Kopf, um diesen Gedanken zu vertreiben.
Eine große Wolke schob sich vor die Stadt und versperrte die Sicht des Jungen und der Feen auf London. Peter hielt mitten auf die Wolke zu und raste durch sie hindurch.
Nachdem er wieder die Häuser Londons erblicken konnte, fühlte er sich, als wäre er in einen Regenschauer geraten. Die Kleidung klebte ihm unangenehm an der Haut, was ihn aber nicht sonderlich störte, da er sowieso vorher schon komplett durchgeschwitzt gewesen war.
Ohne auf die Feen zu achten, die direkt neben ihm aus der Wolke wieder aufgetaucht waren, starrte Peter bangend auf das Piratenschiff unter ihm - er zitterte.
"Das ist es also?", fragte eine Fee mit relativ neutraler Stimme, doch Peter entging ihr leicht verärgerter Unterton nicht. Natürlich - die Feen hassten ihn dafür, was er angestellt hatte.
"Ja", erwiderte er fest, "Bleibt dicht bei mir. Wenn es etwas gibt, was ich gelernt habe, dann, dass man Piraten lieber nicht unterschätzen sollte."
Er ließ sich langsam fallen. Die Feen folgten ihm kommentarlos.
Peter sah mit klopfendem Herzen, wie das Schiff immer näher kam.
Er konnte Captain Rackham erkennen, genauso wie den Piraten Jaime und seine Freunde - ihm stockte der Atem, als er Tootles bei ihnen entdeckte. Er hatte sich also doch nicht die ganze Zeit versteckt, wie Peter es ihm befohlen hatte...
Er schwebte nun nur noch ein paar Meter über dem Deck.
"Junge!", rief plötzlich eine freudig überraschte und dennoch boshafte Stimme zu ihm hoch und Peter wirbelte erschrocken in der Luft herum. Rackham stapfte teuflisch grinsend näher.
"Komm doch runter und stell uns deine Reisebegleitungen vor!"
Hier und da spöttisches Gelächter.
Peter reckte das Kinn in die Höhe.
"Das sind die Feen", erklärte er und deutete auf Tinkerbell und die anderen. "Sie werden euch ins Nimmerland bringen können. Aber sobald wir dort sind, lasst Ihr meine Freunde frei!"
"Aber natürlich, mein Junge!", erwiderte Rackham hämisch, "Das war die Abmachung." Er forderte Peter mit einem einfachen Anzeichen erneut auf, herunter zu kommen, doch Peter dachte gar nicht daran. Er war schon einmal auf den Piraten herein gefallen, er war sicher nicht so blöd und tat es nochmal.
Auch was seine Freunde anging, musste er sich noch schleunigst etwas einfallen lassen, denn der Piratenkapitän hielt garantiert nicht sein Wort. Es hier zu wagen seine Freunde zu befreien wäre absurd, aber vielleicht hatte er im Nimmerland eine Chance dazu. Ihm blieb also wieder einmal keine Wahl.
Peter drehte sich zu den Feen um und nickte ihnen kurz zu.
Sofort schwirrten sie in alle möglichen Richtungen davon und hinterließen dabei Feenstaub auf den Segeln, dem Deck, dem Mast und auch auf einigen Piraten, die höchst erstaunt etwas von dem glitzernden Zeug in die dreckigen Finger nahmen und es betrachteten.
Leider ließ Rackham sich nicht so leicht aus der Ruhe bringen, er starrte weiterhin mit verengten Augen zu Peter hinauf. Egal was Peter jetzt tat, Rackham würde sofort dazu bereit sein, zu handeln, wie zum Beispiel wenn Peter seine Freunde retten wollte.
Das Holz des Schiffes begann zu knarzen und die überraschten Piraten hielten sich an der Reling oder an irgendetwas anderem fest.
"Anker lichten!", brüllte Rackham über das Deck, "Setzt die Segel!"
"Aye, aye, Captain!", kam es von vielen Seiten zurück gerufen und die Männer machten sich hastig an die Arbeit.
Peter beobachtete das Treiben stillschweigend. Als Tootles zu ihm auf sah, warf Peter ihm einen tröstenden Blick zu und Tootles lächelte als Antwort gequält.
Nun begann das Schiff sich zu bewegen. Der Wind pustete in die nun offenen Segel und trieb das Schiff voran.
"Alle Mann festhalten!", befahl Rackham laut seiner Mannschaft, als der Rumpf des Schiffes sich ganz langsam aus dem Wasser hob und mit ihm der Rest des Schiffes. Langsam aber sicher stieg das mächtige Piratenschiff in den Himmel hinauf.
Peter folgte ihm, aber blieb trotzdem immer auf Höhe der Segel. Sicher ist sicher.
Tinkerbell war unbemerkt wieder neben ihm aufgetaucht und verschränkte die Arme vor der Brust. Ihr Gesichtsausdruck war um einiges weicher geworden.
"Jetzt heißt es Mut bewahren und den passenden Augenblick abfangen.", sagte sie aufmunternd zu Peter und er lächelte ihr kurz zu.
Die Piraten riefen laute Überaschungsrufe aus und lehnten sich weit über die Reling, um dem sich entfernenden Land hinterher zu starren. Das Schiff steuerte auf den Stern zu.
Peter behielt weiterhin Rackham im Auge, genauso wie der Piratenkapitän den fliegenden Jungen anstarrte.
Peter war es unangenehm so angestarrt zu werden, doch er konnte sich beherrschen und ließ seinen Blick nicht ab.
Wie sollte er den bloß von Nimmerlands Schätzen fernhalten? Es war quasi unmöglich.
Tinkerbell spürte offenbar seine Unruhe, denn sie sagte: "Wir schaffen das."
Peter wandte sich ihr ungläubig zu.
"Du bist nicht mehr sauer?"
Tinkerbell zuckte mit den Schultern.
"Ich kann ja nicht ewig sauer sein", antwortete sie grinsend, "Außerdem bist du mein Freund. Und ich weiß, dass ich dir nun vertrauen kann."
Peter war sprachlos. Die Fee deutete auf Peters Freunde herunter.
"Wer so etwas für seine Freunde tut, obwohl ihm der Tod bevorstehen könnte - ich halte viel von solchen Leuten. Obwohl ich zuerst mit dem Nachteil alles andere als zufrieden war."
Peter lächelte sie glücklich an.
"Du glaubst gar nicht, wie erleichtert ich darüber bin.", sagte er freudig.
"Bitte keine Gefühlsausbrüche!", rief Tinkerbell spöttisch, "Dafür hast du jetzt keine Zeit."
Peter wusste, sie hatte recht. Er sah wieder zu Rackham herunter.
Der Piratenkapitän streichelte gerade seine Pistole und grinste boshaft zu Peter hoch.
Peter fuhr ein kalter Schauder über den Rücken.
Plötzlich hatte er eine Eingebung. Seine Hände begannen wieder zu zittern. Er wurde nervös.
"Tink", sagte er hastig, "Wir müssen uns etwas ausdenken. Sofort. Sonst enden wir und meine Freunde gleich als Fischfutter - und Nimmerland wird verloren sein."

Peter Pan - Wie alles begann 🏁Where stories live. Discover now