Hilfe eines Piraten

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Jamie musterte die Jungen. Alle wirkten immernoch sehr verängstigt und rückten dicht beieinander. Der größte von ihnen schien ihr Anführer zu sein, denn er stellte sich schützend vor sie.
Jamie sah sich nach Rackham um. Der hatte sich von den Jungen entfernt und schenkte ihnen keinerlei Beachtung mehr. Die anderen Piraten begannen miteinander zu schwatzen und Rum zu saufen.
"Master Jamie...", trällerte Smee, der unbemerkt näher getreten war, total besoffen. Jamie zuckte zusammen.
"Smee, du Idiot, erschreck mich doch nicht so!", schimpfte er und riss Smee die Rumflasche aus der Hand. "Geh lieber wieder an deine Arbeit, als den ganzen Tag nur zu trinken!"
"Aye, Sir", murmelte Smee vor sich hin und stapfte torkelnd davon. Jamie sah ihm kopfschüttelnd nach. Was für ein Trottel...
Er wandte sich wieder den Jungen zu und trat zu ihnen heran.
"Wir wissen gar nichts!", sagte der Größte, der Jamie näher kommen sehen hatte, hastig und hob beide Hände.
Jamie grinste amüsiert.
"Das dachte ich mir schon. Wie heißt ihr?"
Die Jungen sahen sich abwechselnd misstrauisch an.
"Wenn ihr es wissen wollt", seufzte Jamie ungeduldig, "Mein Name ist Jamie. So, jetzt könnt ihr mir auch eure verraten."
"Curly", antwortete der Größte knapp, dann deutete er auf die anderen Jungen, "Und das sind Nibs, Slightly und Twins, die Zwillinge."
"Tatsächlich", erwiderte Jamie belustigt, "Nun ja... ich schätze, ihr steckt ganz schön in der Klemme."
Jamie grinste wieder. Der Anblick dieser vollkommen wehrlosen und dreckigen Jungen amüsierte ihn einerseits, machte ihn andereseits aber auch nachdenklich.
"Hört zu", sagte er mit gesenkter Stimme, nachdem er überprüft hatte, dass Rackham woanders hin sah. "Ich will genauso wenig wie ihr, dass Rackham euren Freund in die Finger bekommt. Dieser Pirat darf keine großen Mächte kontrollieren."
Jamie verzog sein Gedicht zu einer Grimasse. Oh nein, dieser Pirat durfte auf gar keinen Fall große Mächte kontrollieren...
"Und deshalb werde ich versuchen, euch zu helfen... auch wenn die Vorstellung für mich, mit Jungen zusammen zu arbeiten, ziemlich frustrierend ist."
"Wir sind Taschendiebe", zischte Curly zornig, "Wir können auf uns selbst aufpassen, danke."
"Nach dem, was vorhin am Hafen passiert ist, bin ich mir da nicht mehr so sicher, Curly.", erwiderte Slightly schnippisch und verschränkte die Arme vor der Brust.
"Und jetzt nachdem ihr gefangen genommen wurdet, bin ich mir da auch nicht mehr so sicher", grinste Jamie höhnisch.
"Peter wird uns hier wegholen", sagte Nibs mit fester Stimme, "Ich bin mir ganz sicher."
"Euer Freund wird gegen die Piraten keine Chance haben", winkte Jamie ab, "Man wird ihn gefangen nehmen und erpressen, ich sag's euch."
Die Jungen warfen sich unschlüssige Blicke zu. Sie schienen sich nicht so recht sicher zu sein, ob sie Jamie vertrauen sollten oder nicht.
"Ihr habt keine andere Wahl, als mir zu vertrauen", sprach er die Gedanken der Jungen aus. Er hockte sich vor sie und sah sie mit durchdringendem Blick an.
"Und jetzt muss ich euch fragen - ist euer Freund tatsächlich der Junge, den Rackham schon die ganze Zeit sucht? Kann er auf den Stern gelangen?"
Nibs runzelte die Stirn. "Ich habe keine Ahnung wovon Ihr sprecht.", sagte er schulternzuckend. "Peter ist einfach nur ein normaler Junge wie wir." Die anderen Jungen nickten zustimmend.
Jamie seufzte tief und erhob sich wieder.
"Alles klar", sagte er unwirsch, "Ich hab euch eine Chance gegeben. Aber wenn ihr die nicht nutzen wollt... ich geh zurück auf meinen Posten."
Er wandte sich ab und schritt davon. Diese frechen, arroganten Bengel! Die hatten wohl keine Ahnung, was ihnen bevor stand!
Jamie war klar, dass Rackham jeden von ihnen töten würde, wenn er bekommen hatte, was er wollte. Jamie war relativ egal, was mit den Jungen passierte, nur wollte er verhindern, dass Rackham sich an den Schätzen des Sternes vergriff. Und deshalb musste er irgendwie mit diesem Jungen Kontakt aufnehmen...
Jamie lehnte sich seufzend an das Geländer der Achterdeck Treppe und starrte auf den Hafen. Weit und breit war kein Mensch zu sehen. Entweder waren die ganzen Überlebenden geflohen oder sie waren zu dumm, um Jungen zu finden.
Eigentlich war es ja sowieso egal, was mit denen passierte. Rackham würde so oder so den Jungen in seine Gewalt bringen.
Plötzlich hörte Jamie ein Atmen. Es war nur ganz leise, aber trotzdem konnte Jamie spüren, dass jemand hinter ihm war. Langsam drehte er sich um.
Das konnte doch nicht wahr sein. Unter der Treppe direkt zu Jamies Füßen hockte ein braunhaariger Junge im Alter von ungefähr dreizehn Jahren und starrte ihn an. Jamie starrte zurück.
"Hey", murmelte er leise und beugte sich zu dem Jungen herunter. "Bist du Peter?"
Der Junge runzelte die Stirn und musterte Jamie misstrauisch. "Ja", antwortete er unwirsch, "Und du bist ein Pirat."
"Mit Verlaub, mein Name ist Jamie.", erwiderte Jamie, den die Frechheit des Jungen verärgerte.
"Bitte, verpetz mich nicht!", bat Peter eindringlich und legte einen Finger auf die Lippen. "Du erhältst dafür auch meinen unausschöpflichen Dank."
"Den kann ich echt gut gebrauchen", schnaubte Jamie ironisch und sah sich hastig nach Rackham um, doch der war scheinbar gerade nicht in der Nähe. Er sah wieder den Jungen an.
"Bist du der Junge, der diese Bindung zu diesem Stern, oder was auch immer das ist, hat?"
"Nimmerland", sagte Peter knapp, "Ja, das bin ich. Na und? Ich kann sowieso nicht mehr zurück."
"Also warst du schon dort?", fragte Jamie, wartete Peters Antwort aber nicht ab. "Da wird der Käpt'n aber nicht schlecht erstaunt sein."
"Wehe, du sagst ihm irgendein Wort!", zischte Peter drohend, doch Jamie lachte nur leise.
"Was dann? Bringst du mich um?" Jamie grinste amüsiert. "Ich sag dir was, Bursche, wenn ich dich verrate, wirst du nicht mehr dazu kommen, mich umzubringen."
In Peters Augen flackerte Unsicherheit auf. "Also... wirst du mich verraten", warf er Jamie bitter vor und ballte die Fäuste.
"Nein.", erwiderte Jamie ruhig. "Ich werde dich nicht verraten."
Peter schien zu überrascht um zu antworten.
"Aber du solltest schleunigst deine Freunde befreien und dann von hier verschwinden. Fragt sich nur wie..." Jamie tippte sich mit seinem Zeigefinger an die Stirn und dachte nach.
"JAMIE!", schallte Rackhams Stimme plötzlich über das Deck und ließ den Piraten zusammenfahren.
"Verdammt!", fluchte er und starrte Peter an, der sich nervös umsah. "Du rührst dich nicht von der Stelle!", befahl Jamie dem Jungen, dann lief er zu Rackham hin.
"Aye Käpt'n?"
"Wo bleibt dieser verfluchte Junge?", schnauzte Rackham zornig, "Ich habe beschlossen, dass wir vier der Geiseln umbringen, wir brauchen nur eine."
Jamies Herz begann zu rasen. "Seid Ihr euch sicher, Käpt'n?", fragte er hektisch, "Es könnte ja sein, dass wir..."
"Ja, ich bin mir sicher", unterbrach Rackham ihn, "Außerdem brauche ich ein wenig Abwechslung.
MÄNNER, ERSÄUFT DIE JUNGEN! Einen könnt ihr am Leben lassen aber die restlichen Vier werft ins Meer!"
Einige Männer johlten. Einige der Jungen schluchzten verängstigt.
Jamies Hände wurden schwitzig. Was sollte er nur tun..?
"HALT!"
Die Piraten wirbelten herum und sahen in die Richtung aus der der Ruf gekommen war. Jamie suchte mit seinen Augen das Schiff ab und entdeckte - den Jungen Peter.
Er war in die Takelage geklettert und sah von dort aus auf die Piraten hinuter.
Jamie seufzte leise. Er hätte ahnen müssen, dass der Junge eine solch dumme Aktion startete.
Peter holte erneut tief Luft. "Lasst die Jungen frei!"
"Wer bist du?", fragte Rackham laut und musterte Peter abschätzig.
"Ich heiße Peter", antwortete dieser mutig, "Und ich weiß alles über den Planeten, den ihr sucht."
Jamie klatschte sich mit der Hand stöhnend auf die Stirn.

Peter Pan - Wie alles begann 🏁Where stories live. Discover now