15. Schattenpräsident

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Es ruckelt um dich herum. Du öffnest deine verklebten Augen und siehst in die Gesichter von Yuko und Yumi. „Hey, Bo! Kannst du mich hören?" Fragt Yuko und betastet deinen Hals. Du nuschelst ein „leider," und willst die Augen gleich wieder schließen aber Yumi klopft dir gegen die Wangen. „Wehe, du bleibst gefällig bei uns! Was ist eigentlich schief gelaufen? Du hast dich auf einmal nicht mehr gerührt, dabei lief alles nach Plan!" Yuko drückt Yumi ein wenig zur Seite. „Wir haben jetzt keine Zeit für Vorwürfe. Ihr habt euren Auftrag erfolgreich erledigt, um alles weitere hat sich White bereits gekümmert. Bleib noch ein bisschen wach Bo, ja? Wir sind gleich da."

„Sieht schlecht aus, ich schätze wir müssen hier im Wagen operieren." Hörst du plötzlich Whites Stimme und spürst seine Hand an deinem Hals. „Er ist wieder wach! Bo, wir sind beim Labor, alles wird gut!" Hörst du Yumis aufgeregte Stimme rufen. „Gut, bleib bitte bei uns Bo." Sagt White. „Ice, holen sie mir alles was ich brauche." Fügt er hinzu.
Als Ice wieder kommt, nimmt White deinen Arm und setzt eine Spritze an. „Wenn alles gut läuft sehen wir uns später wieder Bo." Hörst du ihn noch sagen. Dann spürst du wie du langsam müde wirst und schließlich einschläfst.

Ein paar Sonnenstrahlen blenden dich als du die Augen öffnest. Du willst dir die Hand vors Gesicht halten, doch irgendetwas hindert dich daran. Als du an dir runter siehst, musst du feststellen, dass du gefesselt bist. Ein Piepsen macht sich neben dir bemerkbar. Kurze Zeit später kommt Yumi ins Zimmer gerast, dicht gefolgt von White. „Du bist wach! Du bist wach! Endlich!" Ruft sie laut, nimmt deinen Arm und umarmt ihn ganz fest. „Vorsichtig junge Dame, der gute Bo muss sich noch erholen." Sagt White streng und stellt sich vor dich. „Also. Wie fühlst du dich?" Fragt er nach. Du siehst an deinen in Verbände gehüllten Körper herab. „Ganz okay." Sagst du schließlich. „Sehr schön. Wir müssen mal miteinander reden. Yumi, lass uns kurz allein." Befiehlt White. Yumi nickt und verlässt gehorsam den Raum. White setzt sich neben dich auf einen Stuhl und verschränkt die Arme. „Ich muss ja schon sagen, für deine erste Mission war das gar nicht so schlecht. Trotzdem. Du wärst fast draufgegangen. Was genau ist passiert?" Du musst schlucken als du dich zurück erinnerst. All das Blut, die toten Männer, ihre Leichen... Du hast sie alle getötet, dabei kanntest du sie nicht einmal. „Ich-" beginnst du. „Ich habe meine Emotionen verdrängt aber dann... Diese Männer... Was wenn sie Familien hatten? Was wenn sie Kinder hatten? Dann habe ich Väter getötet..." White seufzt. „Hast du ja auch. Zwei von ihnen zumindest." Deine Augen werden groß und dein Herz schlägt schneller. „Was?" Fragst du irritiert. White holt sein Handy raus und zeigt dir ein Bild. Der Atem bleibt dir stehen. „Das hier ist Kevin Borce. Das links neben ihm ist seine Frau Elizabeth und die zwei Kinder sind seine Söhne Josh und Phill. Das war der Typ dem du den Kopf abgetrennt hast." Sagt White trocken. Er öffnet ein weiteres Bild. „Und das hier ist Jack Peroma. Das kleine Kind auf seinen Schultern ist seine Tochter Mina. Sie hat jetzt nicht nur ihre Mutter sondern auch noch ihren Vater verloren. Das war der Typ den du völlig entstellt hast." Tränen schießen dir in die Augen. „Wieso zeigen sie mir das?" Fragst du mit zittriger Stimme. White lächelt. „Sobald du dir diese Frage selbst beantworten kannst, wirst du keine Schwierigkeiten mehr damit haben zu töten." Du starrst an die Decke und lässt dir die Tränen die Wangen runter laufen. Die Gedanken die dir durch den Kopf gehen lassen sich nicht ordnen. „Was ist mit meinen Eltern?" Fragst du schließlich um dich selbst ein wenig abzulenken. „Na das ist doch schonmal ein Schritt in die Richtige Richtung. Merk dir die Zahl vier und schreib sie dir irgendwo auf. Irgendwann hast du dann die ganze Adresse zusammen und kannst am Haus deiner Eltern Klingeln um ihnen davon zu berichten was für ein toller Mensch du geworden bist." White steht auf, gähnt und streckt sich. „Na dann. Wir sehen uns Morgen." Nachdem White den Raum verlassen hat kommt Yumi herein gehüpft. Emotionslos starrst du weiterhin an die Decke. Dieser Typ... So ein verdammtes Arschloch... „Alles okay? Wieso weinst du denn?" Fragt Yumi besorgt und streichelt dir durchs Haar. „Wieso kommen wir damit einfach so davon?" Fragst du schließlich. „Meinst du mit dem töten von Leuten?" bohrt Yumi nach. Du nickst. „Weil es Verbrecher sind die dem Land schaden. Schon seit ein paar Generationen wird die Rolle des Schattenpräsidenten in meiner Familie an die Nachkommen weitergegeben. Wir sorgen im Verborgenen für die Sicherheit des Landes, auch wenn das manchmal Opfer fordert, aber die Verbrecher wissen worauf sie sich einlassen wenn sie sich gegen die Regierung richten." Du zögerst mit deiner Antwort. White ist der Schattenpräsident von Jarland? Seltsamerweise überrascht dich das nicht einmal. Das würde auch erklären wieso die Polizei sich nicht in euer Masakar eingemischt hat. Aber auch wenn es Verbrecher sind die ihr getötet habt, fühlt es sich trotzdem verdammt falsch an. „Würdest du auch einfach so Familien Väter töten oder töten lassen wenn du der nächste Schattenpräsident wirst?" Fragst du Yumi schließlich. Nachdenklich legt sie den Kopf schief. „Naja, ich bin mit dem Töten irgendwie groß geworden. Wenn ich so darüber nachdenke das diese Verbrecher selbst möglicherweise nicht nur Väter sondern auch Mütter und Kinder töten würden dann eigentlich schon. Ja. Würde ich also." Du schließt die Augen. „Ach so." Sagst du einfach während du innerlich noch »Das ist also eine Rechtfertigung für dich zu töten« hinzufügst.

Eine Woche später betritt White wie üblich Morgens dein Zimmer und sieht nach dir. „Du schweigst schon seit einer Woche und redest mit niemandem mehr, willst du wirklich so die nächsten paar Wochen weiter machen?" Fragt er. Du legst den Kopf schief. „Die Antwort auf ihre Frage von letzter Woche lautet: Um mich abzuhärten." Sagst du schließlich knapp. White klatscht in die Hände. „Sehr gut mein Lieber, dass hast du ziemlich schnell begriffen. Denkst du denn das du jetzt dazu in der Lage wärst Menschen zu töten um andere zu Schützen?" Du ziehst tief Luft durch die Nase ein und atmest sie aus dem Mund wieder aus. „Nein. Ich weiß das ich es wäre. Hab ich denn sonst auch die Wahl?" White fängt an zu lachen. „Mein Lieber so gefällst du mir. Nein, hast du nicht."

Gott der SchattenWhere stories live. Discover now