1. Bo

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Du sitzt auf deinem Platz und starrst gelangweilt zur Tafel. Du drehst den Bleistift in deinen Fingern und malst einen Würfel auf dein Heft. „Bo, Aufgabe 3." ruft dir Frau Segel zu. Du hebst deinen Blick verwirrt und schlägst dein Heft auf. „Eh, Neunzehn?" Die Klasse lacht, Frau Segel seufzt. „Das ist Aufgabe 1. Bo, pass bitte auf." Stöhnend verschränkst du deine Arme und legst deinen Kopf auf ihnen ab. Du hoffst das der Unterricht bald vorbei geht.

Du verlässt das Schulgebäude mit deinem Rucksack auf dem Rücken und nimmst die Abkürzung über die Wiese. Du läufst wie üblich durch die Gasse die dich zum Heim bringt. Das Heim. Ja, in diesem Heim bist du aufgewachsen. Ein ehr lebloses graues Gebäude mit Efeu bewachsen und staub verschmierten Fenstern. Aber auch wenn man sagt „Harte Schale weicher Kern" ist im Inneren des Heims absolut gar nichts weich. Nicht mal die Betten. Es ist so runter gekommen das es in ein zwei Jahren abgerissen werden soll. Aber das sollte es auch schon vor fünf Jahren. Vermutlich wird es also noch weiter runterkommen bis es den Kindern dann über den Köpfen einbricht und sich so selbst abreißt. Du seufzt in deinen Gedanken. So schlimm ist es eigentlich nicht. Immerhin hast du überhaupt ein Dach über dem Kopf. Wenn auch ein teilweise undichtes. Du begibst dich ins Heim und widmest dich wie üblich dem Mittagessen. Ein langweiliger, ereignisloser Tag, so wie immer.

Nach dem Essen kommt Mrs. Field auf dich zu. Sie wirkt ernst. Auch normalerweise wirkt sie recht ernst, aber heute wirkt sie besonders ernst. „Bo, ich möchte das du dich in den Park begibst. Alleine. Jetzt." Fragend ziehst du eine Augenbraue hoch. „Was, wieso das denn?" Mrs Field senkt ihre Lautstärke. „Das wirst du dann erfahren. Es ist dringend. Mehr kann ich dir nicht sagen." Skeptisch ziehst du dir deine Schwarze Strickjacke über, weißt aber das es keinen Sinn hat mit Mrs Field zu diskutieren. „Dann bis später." Sagst du und begibst dich zum Ausgang. „Ja. Bis später Bo..." Hörst du Mrs. Field noch sagen. Ihre Stimme klingt seltsam bedauernd, aber du setzt deinen Weg nach draußen fort. Genau in dem Moment in dem du das Heim verlässt beginnt es zu regnen. Du hast keine Lust nur wegen einem Schirm umzukehren, also ziehst du dir einfach deine Kapuze über und lässt deine Hände in die Taschen deiner Jacke gleiten. Innerhalb weniger Minuten bist du völlig durchtränkt.
Als du endlich im Park ankommst kannst du im dichten Regen erst nichts erkennen, doch dann packt dich plötzlich jemand an der Schulter und hinter dir erkennst du eine Frau. Sie hat ihr braunes Haar zu einem Pferdeschwanz gebunden, aber die Hälfte ihrer Haare hängen trotzdem in ihrem Gesicht. Sie trägt eine Brille auf der Nase mit dessen darunter liegenden Augen sie dich geheimnisvoll anfunkelt. Sie ist mindestens einen Kopf größer als du, vielleicht sogar zwei. „Na Bo? Bereit für einen Ausflug?" Fragt sie plötzlich und lächelt komisch. „Was meinen sie?" Fragst du, doch irgendwie wird dir plötzlich ganz schwindlig und du kippst nach hinten. Die Frau fängt dich auf und sieht dir noch für einen kurzen Moment in die Augen. „Und all der Aufwand wegen eines kleinen Missgeschicks, also wirklich das hätten wir uns echt sparen können." Sind die letzten Worte die du sie sagen hörst. Dann verschwimmt ihr Gesicht und Schwärze umgibt dich.

Gott der SchattenWhere stories live. Discover now