Kapitel 79

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~ Amelia ~

Ich betrat den Raum zuerst und Calder schloss hinter mir mit Nachdruck die Tür. Ich sah mich um. Der Raum erinnerte mich unweigerlich an die Festnahme bei dem Treffen mit den Soldaten. Ich presste die Lippen aufeinander und verschränkte die Arme.

Dann drehte ich mich zu Calder herum und sah ihn an. Ich hatte diesen Moment herbeigesehnt, in dem wir endlich alleine waren. 

Ich hatte mir ausgemalt, dass es so sein würde wie früher. Doch das war es nicht. Es herrschte eine unangenehme Spannung zwischen uns und keiner wusste so recht, was er sagen sollte.

Kraftlos ließ er die Arme hängen. „Amelia ... es tut mir leid, ich ... ", begann er.

„Hör auf, dich ständig zu entschuldigen", sagte ich in schroffem Ton.

„Aber ich..." Kraftlos ließ er die Schultern sinken. Offenbar wusste er nicht, was er sagen sollte.

„Ich weiß schon, was los ist. Du hast dich gegen mich entschieden. Mal im Ernst. Was hättest du getan, wenn ich vorhin nicht eingesprungen wäre und deine Hochzeit verhindert hätte?"

Calder wich meinem Blick aus und schwieg.

„Du hättest also ja gesagt?", hakte ich nach und spürte, wie sich ein Gefühl der Fassungslosigkeit in mir ausbreitete. Ich bedeutete ihm gar nichts. Wut und Enttäuschung flammten in mir auf.

„Ich bin irgendwie froh, dass du aufgetaucht bist, ich –"

„Das beantwortet meine Frage nicht", unterbrach ich ihn. Mein Blick wanderte zu seinem Stiefel, in dem ich mein Messer stecken sah. Ich schnaubte und verschränkte abwartend die Arme.

„Gib es mir wieder", forderte ich.

„Amelia..."

In mir brodelte es. Ich machte einen schnellen Schritt auf ihn zu, bückte mich im selben Moment um seiner abwehrenden Geste zu entkommen, und holte mir mein Messer zurück. 

Mit einem triumphierenden Lächeln schob ich es zurück in meinen eigenen Stiefel. Befreit atmete ich durch. Nun fühlte ich mich wieder komplett... naja fast.

Ich sah zu Calder, der nun seinerseits die Arme verschränkt hatte und sich mit einem resignierten Seufzen an die Wand gelehnt hatte.

„Ich hatte keine Wahl. Wenn ich dich befreit hätte, hätten alle erfahren, auf welcher Seite wir stehen. Und was hätten wir dann getan? Wohin wären wir geflohen? Nach Arvandor?" Er schnaubte und schüttelte den Kopf. „Nein, man hätte uns beide ausgeliefert und exekutiert. Ich habe versucht eine Lösung zu finden, die uns beiden das Leben rettet."

Ich trat einen Schritt auf ihn zu. 

„Das stimmt nicht. Wenn du mich befreit hättest, dann hätten alle erfahren, auf welcher Seite du stehst. Für die anderen war ich schon längst eine Verräterin. Ich wurde wegen Hochverrat angeklagt, du warst doch selbst im Verhör dabei. Man hätte mich niemals nur ein paar Jahre weggesperrt. Es ging für dich doch immer nur darum, deinen eigenen Arsch zu retten."

Calder wich meinem Blick aus und sagte nichts. Ich presste die Lippen aufeinander und versuchte, an meinen Vorsatz zu denken, keine Träne wegen ihm zu vergießen. 

Nicht einmal Tränen der Wut, denn das war das Gefühl, an dem ich verzweifelt festzuhalten versuchte. Meine Wut auf Savannah, die so mühelos das bekommen hatte, was ich mir immer gewünscht hatte.

„Wenn du mich wirklich liebst, dann hättest du alles riskiert. Inklusive deiner Stellung am Hof und deine Zukunft als König. Aber stattdessen hast du dich für den leichten Weg entschieden, hast dein Schicksal mit Savannah akzeptiert und keinen Gedanken mehr an mich verschwendet."

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