Kapitel 12

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~ Amelia ~

Bevor ich zu den andern Kandidaten stieß, suchte ich mir eine stille Ecke, in der mich niemand sehen konnte und nahm meine Schatten von mir. Dann ging ich hinüber zu den anderen Kandidatinnen. Die eine Hälfte musterte mit neidischem Blick mein Kleid und die andere ignorierte mich einfach.

Madame Bouchard fächelte sich mit ihrem Klemmbrett Luft zu und als sie mich sah, kam sie mit langen Schritten auf mich zu. Ihre Ohren waren ganz rot und ich befürchtete, dass sich ihre Wut schon wieder auf mich bezog. Ich wurde nicht enttäuscht.

"Pünktlichkeit, Lady Amelia, ist definitiv eine Tugend die sie erst noch lernen müssen!" Sie sah wirklich so aus, als wäre sie einem Schwächeanfall nahe. 

"Tut mir leid, ich versuche mein Bestes." Ich hob meine Schultern und sah sie entschuldigend an. 

Sie bemaß mich mit einem strengen Blick, doch bevor sie noch etwas sagen konnte, ertönte bereits die Titelmelodie des Berichts. Die anderen richteten ein letztes Mal ihre Kleider und dann wurde die große Flügeltür geöffnet. 

Ich seufzte und folgte den anderen Kandidatinnen mit einigem Abstand. Die Königsfamilie saß bereits auf ihren Plätzen und wartete. Henry strahlte uns entgegen und hielt sich das Mikrofon unter die Nase. 

"Und hier kommen auch schon unsere Kandidatinnen. Wie wir bereits gesehen haben, hatten Sie in dieser Woche die Aufgabe, eines ihrer Talente im Rahmen eines Talentwettbewerbs zu präsentieren." Er lächelte uns an und wartete, bis wir alle Platz genommen hatten. 

"Prinz Aiden, wie wir gesehen haben, wurden Sie auch in den Talentwettbewerb eingebaut. Können Sie uns mehr darüber erzählen?" Bitte nicht. Normalerweise hätte es mir klar sein sollen, dass Henry beim Bericht darauf bestehen würde. Dennoch ich bereute es nicht, weil ich nun mein Lieblingsmesser wieder hatte. 

"Eigentlich gibt es gar nicht viel zu erzählen. Lady Amelia hat uns ihre beeindruckenden Fähigkeiten als Soldatin gezeigt und ich wüsste nicht, wie sie mit sich selbst hätte kämpfen können." Er wich meinem Blick aus und zeigte auch nicht sein übliches Grinsen. 

"Da muss ich Ihnen zustimmen, aber sie hätte doch auch einfach gegen einen der anderen Soldaten kämpfen können, die hier im Palast als Wachen angestellt sind."

"Ich kenne Lady Amelias Beweggründe für ihre Entscheidung nicht. Am Besten fragen Sie sie selbst." 

"Das werde ich gleich tun, doch zuerst einmal müssen Sie ihre Entscheidung treffen." Henry wandte sich der Kamera zu. "Heute haben die Prinzen individuelle Schmuckstücke für die Ladies, die sie erst nach dem Talentwettbewerb anfertigen ließen. Jedes Schmuckstück soll das jeweilige Talent der Dame widerspiegeln. Wir bleiben gespannt. Ich darf die Prinzen nun bitten, ihre Wahl zu treffen!" 

Mit diesen Worten trat Henry aus dem Bild und der Kameramann filmte, wie die Prinzen aufstanden und auf den Tisch zugingen, auf dem die Schmuckstücke bereitlagen. 

Prinz Nicolas nahm eines in die Hand und drehte sich dann zu uns um. "Ich wähle Lady Olivia Brown." Ich erinnerte mich an das Mädchen. Sie war die Zwei gewesen, die das Bild gemalt hatte. Mit geröteten Wangen stand sie auf und der Prinz legte ihr eine schwere Halskette an, in die verschiedene Ornamente eingefasst waren, die allesamt verschiedene Formen zeigten. 

"Lady Victoria Wilson." Das war das Mädchen mit der Geige gewesen. 

"Lady Avery Parker." Der Prinz lächelte sie an, als er ihr eine Halskette anlegte. Dann beugte er sich vor und flüsterte ihr etwas ins Ohr. Sie nickte, sah auf ihre Kette hinab und dankte ihm. 

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