Kapitel 35

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~Amelia~

Die Vorspeise schmeckte großartig, und auch den anderen schien es zu schmecken. Aidens Gruppe hatte das Menü wirklich hervorragend geplant. Als ich fertig war, lehnte ich mich in meinem Stuhl zurück und überließ den anderen das Reden. 

"Wie lange seid ihr eigentlich schon verlobt?", fragte Emilia, die Mutter von Grace gerade. 

Ich richtete meinen Blick auf meine Schwester, da ich genau wusste, dass sie damit einen wunden Punkt getroffen hatte. Sie senkte den Kopf. 

"Schon seit drei Jahren. Patrick kommt aus einer anderen Kaste und wir brauchen zum Heiraten die Erlaubnis des Königs. Ein Formular haben wir schon ausgefüllt, aber das Verfahren läuft noch." 

Prinzessin Elyanor wandte überrascht den Kopf. "Für sowas müsst ihr einen Antrag stellen?", fragte sie ungläubig und Aurelia nickte traurig. 

"Ja, leider. Aber das ist eben nur der Fall, wenn die Partner aus unterschiedlichen Kasten stammen." 

"Gibt es das Kastensystem eigentlich auch in Arvandor?", hakte ich interessiert nach. 

"Es wurde vor etwa hundert Jahren aufgelöst, weil das gesellschaftliche System damals zum Scheitern verurteilt war. Allerdings hat es mein Vater vor einigen Jahren wiedereingeführt, mit der Begründung, das System wäre ansonsten zu unstrukturiert." Sie seufzte unzufrieden. 

"Ich würde es ja wieder auflösen, aber dann würde unser Königshaus an Glaubwürdigkeit verlieren und es ist jedes Mal ein sehr großer logistischer Aufwand, um die Menschen wieder in die Kasten einzuteilen und die Sektoren zu errichten. Außerdem gibt es natürlich auch viele Vorurteile und Streitigkeiten zwischen den Kasten." 

"Ja, das kann ich mir vorstellen." Für einen Moment herrschte betroffenes Schweigen, und es erschienen einige Bedienstete, um den Hauptgang zu servieren, bevor die anderen ihre Gespräche wieder aufnahmen. 

"Aus welcher Kaste kommst du eigentlich?", fragte Elyanor mich schließlich. 

"Aus der Dritten", antwortete ich. "Sie besteht aus Soldaten und Menschen mit einer magischen Gabe." Ihre Augen leuchteten auf. "Es gibt hier also wirklich solche Leute?" 

Ich musste schmunzeln. "Ja, die gibt es. Grace kann Pflanzen wachsen lassen, Savannah kann Feuer erschaffen und Avery kann Blitze kontrollieren. Sie kommen auch aus meiner Kaste", sagte ich und deutete jeweils kurz auf die betreffenden Personen. 

"Hast du dann auch eine magische Gabe?" Die Prinzessin sah mich ehrfürchtig an und ich räusperte mich. "Ähm nein, leider nicht. Ich bin nur eine Soldatin." 

"Nur? Das ist auch ein äußerst wichtiger Beruf. Auch wenn ich wünschte, dass es ihn gar nicht geben würde. Aber du bist ja auch noch so jung. Wann hast du denn mit deiner Ausbildung angefangen?", fragte sie. 

"Die offizielle Ausbildung habe ich mit vierzehn begonnen, aber trainiert habe ich schon seit ich sechs Jahre alt war." Elyanor verschluckte sich an ihrem Essen und ich klopfte ihr unbeholfen auf den Rücken. "Geht es?" 

Sie winkte dankend ab und trank einen Schluck, bevor sie antworten konnte. 

"Mit sechs Jahren?" Gekonnt ignorierte sie meine Nachfrage. "Hat das etwas mit dem Tod deines Vaters zu tun?", fragte sie dann leiser. 

"Ja, er starb in der letzten Schlacht gegen Arvandor vor elf Jahren. Danach hat uns unsere Tante aufgenommen, da wir zu dem Zeitpunkt noch minderjährig waren. Sie wollte uns beide trainieren, merkte aber schnell, dass Aurelia nicht zum Kämpfen geeignet war. Sie hat leider auch keine besonders ausgeprägte Gabe und so ist sie schnell unwichtig für meine Tante geworden. Ich stand mit meinem Kampfgeist im Mittelpunkt und sie hat mich trainiert." 

Ich unterbrach mich kurz, um etwas zu essen. "Sie hat gedacht, dass mein Vater gestorben ist, weil er zu schwach war und wollte mich deshalb unbedingt stärker machen. Und so hat sie mich einige Zeit lang trainiert, bis sie mich auf eine Militärakademie geschickt hat. Ich war damals ja noch zu jung für die offizielle Ausbildung." 

Elyanor kaute nachdenklich und schien das Gesagte zu verarbeiten. "Und wolltest du es? Das Training und die Akademie, meine ich." Ich lachte auf. 

"Nein, anfangs nicht wirklich. Es stellte immer wieder die Verbindung zu meinem Vater her und ich musste ständig an ihn denken und daran, dass meine Tante gesagt hat, ich müsste noch besser werden als er. Vielleicht bin ich das inzwischen auch. Bist du denn zufrieden mit deiner Aufgabe als Prinzessin?", fragte ich sie und versuchte, von mir abzulenken. 

"Es gibt gute und schlechte Seiten daran, also kommt es darauf an, in welcher Situation du mich fragst. Im Moment würde ich sagen, dass ich zufrieden bin." 

"Ach ja? Und in welchen Situationen würdest du anders antworten?" Ich griff nach meinem Glas und nahm einen Schluck von dem nichtalkoholischen Getränk. Darauf hatte ich diesmal geachtet. Calder sollte schön den ersten Schritt machen. 

"Manchmal mag ich es nicht. Zum Beispiel, wenn man alleine eine Verantwortung auferlegt bekommt oder wenn man eine schwierige Entscheidung treffen muss, bei der man nicht alle zufriedenstellen kann. Man ist natürlich auch in seinen Freiheiten eingeschränkt. Ich muss ja nächstes Jahr meine Selection abhalten und habe sozusagen keine 'freie' Auswahl meines Ehepartners. Aber es bietet auch Chancen. Man kann echte Veränderungen bewirken." 

Ich wiegte meinen Kopf hin und her. "Ja, das stimmt natürlich. Welche Aufgaben übernimmt man als Prinzessin eigentlich? Bankette organisieren?" 

Elyanor lachte. "Das gehört auch dazu, ist aber nicht meine Hauptaufgabe. Ich bin schon jetzt in die Regierungsgeschäfte meines Vaters eingebunden und muss viele Entscheidungen treffen, werde teilweise auch in Fragen zu Gesetzesentwürfen herangezogen. Aber ich darf auch eigene Vorschläge einbringen. Bei meinem Vater muss ich da jedoch wirklich aufpassen, welche Ideen ich äußere. Er ist ziemlich konservativ und streng. Dann gibt es natürlich auch viele öffentliche Veranstaltungen, bei denen ich mich zeigen muss. Das Prinzessinnendasein ist also sehr vielseitig." 

Sie machte eine kurze Pause und grinste. "Fragst du etwa wegen Calder?" 

"Ähh wieso? Was soll mit ihm sein?", fragte ich und klang dabei nicht besonders überzeugend. 

Elyanor verdrehte leicht ihre Augen "Ach komm schon. Du willst mir doch nicht sagen, dass ihr euch seit dem letzten Bankett nicht näher gekommen seid?" 

"Naja..." Ich dachte an den Kuss. Zählte das? 

"Siehst du? Ich wusste es doch." Sie grinste wissend. "Er sieht nicht umsonst immer wieder zu dir." 

Mein Kopf fuhr herum und ich erwischte Calder tatsächlich, wie er in unsere Richtung sah. Super, Amelia. Das war jetzt auch gar nicht auffällig oder so. 

Ich aß rasch auf und musterte dabei interessiert meinen Teller. Als ich jedoch wieder aufsah, bemerkte ich das Lächeln von Prinzessin Elyanor. "Du kannst nicht leugnen, dass da nicht etwas zwischen euch ist." 

"Ja, vielleicht ist da ja was", gab ich zu und stellte fest, dass ich es zum ersten Mal laut aussprach. Vorsichtig ließ ich meinen Blick erneut zu Calders Tisch schweifen. 

Zum Glück unterhielt er sich gerade mit Aiden und bekam so nicht mit, dass ich ihn beobachtete. Nicolas saß auch an dem Tisch, genau wie seine Eltern, König Alexander und Königin Sophia. Einige Bedienstete servierten gerade den Nachtisch. 

"Da hat es wohl jemanden erwischt", meinte nun auch Grace, die auf meine Blicke aufmerksam geworden war und ich zuckte zusammen. 

"Dich hat es doch mindestens genauso erwischt, gib es zu." Ich lachte, als ich ihren Gesichtsausdruck bemerkte und auch die Prinzessin schmunzelte. "Ich würde viel darum geben, das auch bei meiner Selection zu erleben", meinte sie hoffnungsvoll.  


Fortsetzung folgt ... 

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Heyy, 

ich hoffe, ihr hattet Spaß beim Lesen und es waren nicht zu viele Informationen in dem Kapitel... Im nächsten wird mehr passieren ^^ ❤️❤️ 


~ 1250 Wörter 

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