Kapitel 27

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~ Amelia ~ 

„Klar", antwortete ich mit fester Stimme und trat einige Schritte zur Seite. Es mussten ja nicht alle anderen mithören. Er setzte gerade an, etwas zu sagen, doch ich kam ihm zuvor. „Also wegen gestern Abend - es tut mir leid." 

Calder sah mich mit seinen eisblauen Augen an. Sein Blick ging mir durch und durch.

„Mir nicht", sagte er schließlich. „Aber ich verstehe nicht, warum du mich an dem einen Abend küsst und dich am nächsten Tag an meinen Bruder ranschmeißt." 

„Das war doch gar nicht so!" 

„Ach ja, und wie war es dann?", fragte er provokant. 

„Das Treffen mit Nicolas war schon lange vorher ausgemacht. Und der Rest war so gar nicht geplant", gab ich zu und wurde ein wenig rot, als ich an den Kuss zurückdachte. 

„Ach wirklich? Also ich wusste bis heute Vormittag noch nichts davon, dass mein Bruder sich mit dir verabreden wollte." Seine Stimme klang ein wenig gekränkt. 

„Er hat mich ja auch erst am Abend gefragt. Ich weiß überhaupt nicht, warum ich mich jetzt eigentlich rechtfertigen muss. Ihr trefft euch doch auch alle mit mehreren Mädchen gleichzeitig", meinte ich eingeschnappt. 

„Warte mal. Bist du etwa eifersüchtig?", fragte Calder vorsichtig. 

Ich richtete meinen Blick auf den Boden und schwieg. 

Dann hörte ich ein leises Lachen. Verlegen sah ich auf und unsere Blicke kreuzten sich. "Bist du es denn nicht?", fragte ich dann. "Doch", antwortete er kaum hörbar und einige Augenblicke verstrichen, in denen wir uns einfach nur anstarrten.  

Irgendwann räusperte ich mich und wies auf meinen Köcher. „Der letzte Bogen ist kaputt", sagte ich unbeholfen. 

Calder zögerte und schien zu überlegen. „Willst du meinen haben?" 

Ich machte große Augen. „Ist das wirklich in Ordnung?" 

„Ja, ich werde mich sowieso mal kurz um die anderen kümmern müssen und brauche ihn nicht." 

Widerwillig reichte er mir seinen Bogen und ich nahm ihn ehrfürchtig entgegen. 

„Danke", sagte ich ernst. Ich wusste genau, wie viel Überwindung ihn das gekostet haben musste. 

„Keine Ursache", erwiderte er und rieb sich verlegen den Nacken. „Also ich werde dann mal..."  Mit seinem Daumen zeigte er über seine Schulter zu den anderen Kandidatinnen. Dabei bemerkte ich, wie Savannah mich mit funkelnden Augen beobachtete. 

Calder schenkte mir ein letztes Lächeln, bevor er sich zu den anderen Kandidatinnen zuwandte. 

Ich starrte ihn noch einige Sekunden an, bevor ich seinen Bogen mit einem festen Griff umschloss und mich an der Linie aufstellte. Lächelnd schoss ich den ersten Pfeil ab. 

Er schlug mit einer gewaltigen Wucht im Zentrum ein. Wow, formte ich mit den Lippen. Sein Bogen hatte echt Power. Der von Samantha, den ich vorhin benutzt hatte, um ihr die Technik zu erklären, war nichts dagegen. 

Schnell schoss ich den nächsten Pfeil ab, der nur Millimeter neben dem ersten landete. 

So machte ich weiter, bis mein Köcher leer war und ich zu der Zielscheibe ging, um mir die Pfeile wieder zu holen. Als ich den ersten herausgezogen hatte, hörte ich plötzlich ein zischendes Geräusch, das unnormal nah klang. 

Nur dank meines jahrelangen Trainings konnte ich dem Pfeil ausweichen, legte noch in der selben Bewegung einen in Calders Bogen ein und spannte die Sehne. 

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