Epilog

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 ~ Amelia ~ 

Calder erholte sich gut. Die Symptome waren tatsächlich dieselben, die ich nach der Hochzeit auch gehabt hatte, weil ich meine Gabe zu lange angewandt hatte, nur noch schlimmer. Er musste einige Tage das Bett hüten, was jedoch keinen von uns störte. Ich war die ganze Zeit bei ihm und wir redeten viel.  

Nun durfte er zum ersten Mal sein Zimmer verlassen und wir gingen nach draußen auf die Wiese vor dem Palast, auf der unzählige Apfelbäume standen, die wunderschön blühten. 

Wir setzten uns unter einen alten Baum nahe bei der Palastmauer, der einen angenehmen Halbschatten warf. Calder nahm meine Hand und sah mich an. 

„Ich fühle mich seltsam befreit", sagte er dann. 

„Das will ich auch hoffen", entgegnete ich und lächelte ihn an.

„Nein, ehrlich. Ich fühle mich in diesem Moment wie ein ganz normaler Mensch. All die Last fällt von mir ab und ich kann sehen, wie schön die Dinge um mich herum wirklich sind." 

Er schloss die Augen und legte den Kopf zurück, um die Sonne zu genießen, die zwischen den Blättern hindurchschien.

„Ich fühle mich genauso", sagte ich und legte ebenfalls den Kopf zurück.

Wir schwiegen eine Weile und genossen die Sonne.

„Amelia?"

„Hmm?", machte ich, öffnete jedoch meine Augen nicht.

„Ich weiß, das kommt jetzt vielleicht unerwartet, aber ... willst du mich heiraten?"

Ruckartig öffnete ich meine Augen und drehte den Kopf zu ihm herum. Das kam wirklich überraschend. 

Mein Herz pochte laut und schnell, als wäre ich gerade einen Marathon gelaufen, dabei war es nur die Aufregung. Einige Augenblicke, die mir wie eine Ewigkeit vorkamen, sagte ich nichts und ich merkte, wie Calder langsam nervös wurde. Dann lächelte ich. „Ich dachte schon du fragst nie."

„War das ein ‚ja'?", hakte er sicherheitshalber nach, obwohl er es sich denken konnte.

„Ja, Calder. Das war ein Ja." Er beugte sich langsam zu mir herüber und küsste mich.

Ich hatte mich lange nicht so befreit gefühlt, wie jetzt. Alles war gut geworden, auch wenn es lange nicht so ausgesehen hatte.

„Ameliaaa", erklang plötzlich eine Stimme. Elyanor. Ich löste mich von Calder und sah nach oben. Sie stand auf ihrem Balkon und hatte sich über das Geländer gebeugt, damit ich sie sehen konnte.

„Ich brauche hier mal deine Hilfe", jammerte sie laut und ich konnte ihren klagenden Gesichtsausdruck sogar von hier unten sehen. „Ich komme einfach nicht weiter."

„Ich bin auf dem Weg", gab ich zurück und stand auf.

„Kommst du mit?" Ich bot Calder meine Hand an und er ergriff sie.

„Was denkst du, will sie schon wieder von dir?" Er lächelte, um zu zeigen, dass er es nicht ernst meinte.

„Du weißt doch, dass sie im Moment viel zu tun hat", entgegnete ich. „Sie plant ihre eigene Selection. Ist das nicht aufregend? Ich erinnere mich noch genau an den Tag, an dem wir uns das erste Mal begegnet sind." 

Calder nickte wissend. "Ja, ich mich allerdings auch. Wir hatten beide gar keine Lust, dort zu sein in dem Raum und Gespräche zu führen." 

Ich musste unwillkürlich lachen. "Das stimmt. Du warst richtig griesgrämig und niemand wollte so recht mit dir reden." 

„Ja, ich habe es nicht so ernst genommen. Und ich habe da nicht so viel Vorbereitung hineingesteckt wie Elyanor."

Ich sah ihn mit schief gelegtem Kopf an und wollte gerade etwas erwidern, als besagte Person den Flur hinunter kam, um zu sehen wo wir blieben. "Wenn man vom Teufel spricht", raunte ich Calder zu und er musste ein Grinsen unterdrücken. 

„Ah, Calder, sehr gut. Ich bin mir sicher, du kannst mir vielleicht auch ein wenig helfen. Na los, kommt schon. Ich bin äußerst verzweifelt." Sie zog eine Grimmasse als würde sie schlimmste Schmerzen leiden und zeigte mit dem Daumen über ihre Schulter in ihr Arbeitszimmer, während sie rückwärts vor uns herlief. 

Calder und ich sahen uns an und mussten beide ein Lachen unterdrücken. In Elyanors Arbeitszimmer sah es tatsächlich aus als wäre etwas explodiert. Überall lagen zusammengeknüllte Zettel herum und auf dem Boden war ein Stapel Bücher und Dokumente verteilt. 

Auf ihrem Schreibtisch stand eine Videokamera, mit der sie anscheinend ihre Ansprache und die Bewerbungsbedingungen aufnehmen wollte. Auf einem Beistelltisch lag ein leeres Schokoladenpapier.

„Ich weiß einfach nicht, welche Fragen ich auf den Bewerbungsbogen schreiben soll", sagte sie verzweifelt und fuhr sich durch die Haare. „Und ich weiß auch nicht, was verdammt noch mal ich in dem Video sagen soll, das heute Abend nach den Nachrichten ausgestrahlt wird. Ich habe es noch nicht einmal fertig."

„Frag doch nach den Hobbys, stelle vielleicht eine was-wäre-wenn-Frage und gibt dich ganz natürlich in dem Video. Sei du selbst", meinte ich. Ich wusste allerdings auch nicht genau, was ich ihr raten sollte, aber Calder wusste vielleicht weiter. Ich sah ihn auffordernd an.

„Ich kann dir helfen", bot er an.

„Du bist der Größte." Elyanor drückte ihm zum Zeichen ihrer Wertschätzung eine Tafel Schokolade in die Hand. „Das ist meine letzte. Ich hoffe, du bist es wert."

Dann drehte sie sich zu mir um.

„Ich werde euch beide als Berater einstellen", eröffnete sie uns. „Du wirst sowieso hierbleiben, ich muss dich einfach bei meiner Selection dabeihaben." Sie deutete auf mich. „Und du wirst sowieso immer da sein, wo sie ist", sagte sie und sah Calder an.

„Habe ich denn eine andere Wahl?", fragte er ergeben.

„Nein", antworteten Elyanor und ich gleichzeitig.

* * *

Nach unzähligen Versuchen war Elyanor endlich halbwegs zufrieden mit ihrem Video, das bereits am Abend ausgestrahlt werden würde. Sie war so glücklich über unsere Hilfe, dass sie uns tatsächlich eine Stelle im Palast anbot. 

Sie meinte, dass wir ohnehin bleiben würden und uns auf Dauer langweilig werden würde. Insgeheim hat sie Calder die Leitung der Leibgarde versprochen und mir würde sie eine Stelle im Geheimdienst verschaffen, aber damit wollte sie noch warten, bis sich die Lage ein wenig beruhigt hatte. 

Dazu mussten wir beide auch unsere Staatsbürgerschaft für Thalassia ablegen und die arvandorianische annehmen, womit aber weder Calder noch ich ein Problem hatten.

Grace und Nicolas spielten sich derweil sehr gut in ihre neue Rolle als König und Königin von Thalassia ein. Calder hatte tiefstes Vertrauen in die beiden, was ich ebenfalls behaupten konnte. Grace würde einen tollen Job machen. 

Calder hatte mir außerdem erzählt, dass Aiden und Rachel gemeinsam ist das ehemalige Kriegsgebiet Ikrison gereist waren, das König Alexander annektiert hatte. Bisher stand ein Friedensvertrag noch aus, aber ich war mir sicher, dass Elyanor und Nicolas das hinbekamen. 

Ikrison stand dennoch unter der Verwaltung Thalassias und Aiden hatten sich dazu bereiterklärt, sich zusammen mit Rachel um den Wiederaufbau zu kümmern. Zurzeit herrschen einige Unruhen in dem Gebiet. 

Die Bevölkerung begehrte gegen die Besatzer auf, sodass Nicolas schon einen Großteil der Soldaten abgezogen hatte und nun Wahlen durchführen wollte. Calder hatte mir gesteckt, dass es schon Absprachen zwischen Nicolas und Aiden gab, der das Gebiet für unabhängig erklären und einen eigenen Staat ausrufen wollte. 

Ich war mir jedoch sicher, dass am Ende alles gut werden würde und dass jeder seinen Weg finden würde. So wie es bei Calder und mir funktioniert hatte - wider erwarten. Und ich war mir sicher, dass Elyanor ebenfalls ihren passenden Mann finden würde. 


Fortsetzung folgt ... ? 

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