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-Ophelia-

Dieser Geruch. Dieser Raum. Wo war ich? Alles kam mir so bekannt vor.

,,Hades, das geht nicht." Eine weibliche Stimme erklang. Sie hörte sich so verzweifelt an, so traurig. Ich kannte diese Stimme, denn diese würde ich niemals in meinem Leben vergessen.

Ich trat vor, lief den Flur entlang. Ich war in meinem alten Wohnhaus in Union City, am Stadtrand zu New York. Alles sah aus, wie damals, als ich noch hier lebte. Unsere Küche, das Bad und natürlich das Wohnzimmer.

Und die Stimme? Die gehörte meiner Mutter, die mit einem Mann auf dem Sofa saß. Ich hatte "Hades" verstanden. Und jetzt stand ich nah genug an der Schwelle der Tür, um sie sehen zu können.

Neben ihnen eine Wiege mit einem Baby darin- mir. Langsam lief ich auf die Wiege zu, immer mit meiner vollen Aufmerksamkeit auf meinen Eltern. Sie konnten mich nicht sehen, das hier war ein Traum.

,,Mara, bitte!" Nun sprach mein Vater. Ich blickte zu ihm, hatte bisher nur seinen Rücken sehen können. Als ich um das Sofa herum ging, lief mir ein kalter Schauer über den Rücken. Sein Gesicht. Ich hatte es die Tage irgendwo gesehen...Die Schachfigur! Mr. D's Schachspiel hatte Hades als den König der schwarzen Steine.

Schwarze Haare, ebenso dunkle Augen. Im Gesicht trug er einen dunklen Bart und er sah allgemein sehr dominant aus. Sein Outfit bestand aus einer schwarzen Jeans und einem ebenfalls schwarzen Rollkragenpullover.

,,Wir können nicht mit dir in die Unterwelt kommen. Es ist zu gefährlich.", sagte meine Mom und Tränen bildeten sich in ihren Augen. ,,Ich bin sterblich. Deine Tochter ist auch nur halb göttlich. Deine Frau...wenn sie von uns erfährt, sind wir sowieso tot.", fuhr sie fort.

Meine Mom und Hades so reden zu sehen, löste ein komisches Gefühl in mir aus. Wieso wollte er uns mit in die Unterwelt nehmen? ,,Wenn mein Bruder erfährt, dass ihr, vor allem Ophelia, existiert, dann wird er auch ebenfalls umbringen! Und da kann ich nicht eingreifen, wie in meinem Palast!" Der Gott wurde lauter.

Das Baby in der Wiege, ich, fing an, zu weinen. Sie musste sich erschrocken haben. Eilig stand mein Vater auf und strich mit seinen Fingern sanft über die Wangen des Kindes. Das Komische daran? Ich spürte sie selbst auch auf meinem Gesicht, weshalb ich an besagte Stelle fasste.

Baby Ophelia hörte auf, zu weinen und sah mit großen, wachen Augen in das warme, bärtige Gesicht ihres Vaters. Hades seufzte und zog seine Hand aus der Wiege, drehte sich zu meiner Mom.

,,Also?", fragte er und erwartete eine schnelle Antwort. Meine Mutter atmete gestresst aus, unterdrückte sich die Tränen. ,,,Ich bleibe dabei. Wir können unmöglich mit dir kommen, es-", ihre Stimme versagte, ,,...es tut mir leid.", flüsterte sie, während die Tränen siegten und langsam ihre Wangen hinunterflossen.

Enttäuscht sah mein Vater sie an. Seine sowieso schon schwarzen Augen verdunkelten sich und wandten sich wieder von ihr ab. Er kramte in seiner Hosentasche herum und zog etwas dünnes, funkelndes heraus.

Es war meine silberne Kette. ,,Gib ihr die, wenn sie alt genug ist, sie zu tragen.", sprach er unsanft und legte die Kette auf den Couchtisch.

Meine Hände legten sich an die Kette, welche jetzt, Jahre später, um meinen Hals hing. Mom hatte mir damals immer gesagt, diese Kette immer bei mir zu haben. Ich verstand nie, warum ihr es so wichtig war, aber jetzt wusste ich, weshalb ich diese Tag und Nacht anbehielt.

,,Lebt wohl.", sprach er, bevor er sich ein letztes Mal an die Wiege stellte und erneut seine Hand an die Wange des Kindes zu legen. Und wieder spürte ich diese, wie sie warm auf meinem Gesicht lag. ,,Wir werden und schon ganz bald wiedersehen, Ophelia.", waren seine letzten Worte, bevor die Szenerie sich änderte.

Der Schatten Der SonneWhere stories live. Discover now