III

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-Michael-

Ich wollte nicht gestört werden. Es war falsch, Percy vor versammelter Mannschaft so anzugehen, aber ich war wütend gewesen. Ehrlich gesagt, wollte ich einfach nur schnell vergessen, was passiert war und mich auf meine Patientin konzentrieren.

Ich setzte mich auf einen Stuhl neben ihrem Bett und beobachtete sie, um sicher zu gehen, dass sie noch atmete. Als ich sie so ansah, fielen mir zahlreiche, großflächige Narben auf ihren Armen auf. Es waren Brandnarben. Sie musste in der Vergangenheit schon vielen Monstern gegenüber getreten sein.

Diesen Gedanken schob ich jedoch beiseite und legte meinen Zeige- und Mittelfinger auf ihren Innenarm, knapp unter den Handballen am Daumen. Ihr Puls war sehr langsam, aber er existierte.

Ich hatte die anderen angelogen, als ich sagte, sie sei außer Lebensgefahr. Ihre Verletzung war weitaus schwerwiegender, als sie aussah. Jedoch wollte ich nicht, dass jeder eine Erwartungshaltung meinem Bruder und mir gegenüber innehielt, es reichte schließlich, wenn wir beide diese hatten.

,,Michael?", unterbrach eine Stimme meinen Gedankengang. Ich sah auf. Es war Will, mein Bruder. Dass wir "nur" Halbbrüder waren, wusste jeder, jedoch vermied ich diesen Begriff, da ich in uns mehr als nur eine halbe Brüderlichkeit sah. Wir waren beste Freunde, Kollegen- und natürlich Brüder.

,,Willst du mal eine Pause machen? Du bist seit 2 Stunden hier und hast deinen Posten nicht verlassen." Ich seufzte und sah auf meine Uhr. Er hatte recht. ,,Geht nicht. Ich hab noch Schicht, und...vielleicht ist es besser, wenn ich mich draußen erstmal nicht sehen lasse.", gab ich zurück.

Der lockige Blondschopf zog eine mitfühlende Miene. ,,Wegen Percy?", fragte er, ich nickte. ,,Ich verstehe dich, Michael. Zugegeben, jeder war überrascht, als du so mit ihm geredet hast, schließlich ist man das nicht von dir gewohnt, aber...", er machte eine kleine Pause und sah mich weiterhin an. ,,Ich finde, dass du im Recht bist, Bruder. Wärst du nicht gewesen, wäre dieses Mädchen tot."

Einerseits war ich erleichtert über sein Verständnis, aber das hieß nicht, dass es mir wieder gutging. Denn es gab noch eine Sache, die ich ihm beichten musste. ,,Will, da ist noch etwas, das du wissen solltest.", begann ich, zu sprechen und hatte wieder seine volle Aufmerksamkeit.

,,Es kann sein, dass unsere Patientin nicht mehr aufwacht." Stille. Nur unsere Blicke trafen sich. Will, der aussah, als hätte er das schrecklichste Monster überhaupt gesehen. Mein Blick, der müde und leer in sein Gesicht starrte.

,,Aber du-" ,,Eine Lüge.", unterbrach ich ihn. ,,Wir haben alles getan, was wir konnten. Mehr Ambrosia können wir ihr unmöglich geben und eine Bluttransfusion hat sie bereits bekommen. Ich weiß, ich habe geschworen, dass ich keinen meiner Patienten sterben lasse, aber-", meine Stimme versagte.

Wir waren so nah am Ziel, sie zu retten, ihr helfen zu können, aber doch erschien ihre völlige Genesung fast unmöglich.

,,Ich bin nicht Dad. Ich bin kein Gott, Will. Keiner von uns." Ich sprach leise. Ich fühlte mich gedemütigt, doch mein Bruder setzte sich auf einen Stuhl neben mir und klopfte mir aufmunternd auf die Schultern.

,,Hey...keiner hier verlangt absolute Perfektion. Jeder weiß, welchen Job du täglich als Chefarzt des Camps leistest, Michael. Bitte sei nicht zu streng zu dir selbst, ja?" Seine Worte brachten ein kleines Lächeln auf meine Lippen.

,,Danke.", sprach ich, Will lächelte nun ebenfalls. ,,Und jetzt solltest du wirklich mal aus diesem Krankenzimmer raus. Lass ihr etwas Ruhe. Ich bin zuversichtlich, dass sie es schafft. Sie ist bis hier her gekommen. Sie wird jetzt nicht aufgeben."

,,Ja, du hast recht. Lass uns gehen.", antwortete ich und wir gingen aus dem Krankenzimmer.

-Ophelia-

Der Schatten Der SonneOnde histórias criam vida. Descubra agora