Kapitel 34

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Langsam verschwand die Dunkelheit vor meinen Augen wieder. Ich blickte an die steinerne Decke des Krankenflügels. Dieses Jahr war ich schon so oft hier, diese Decke würde ich überall erkennen.
Mein Kopf tat immer noch höllisch weh. Ich hievte meinen schweren Körper nach oben, bis ich aufrecht im Bett saß.

Alle Betten waren belegt. Einige Tragen, mit Personen darauf, lagen zusätzlich auf dem Boden. Madame Pomfrey eilte umher, gab Anweisungen an Schüler und Lehrer, welche zum Helfen hier waren.

„Kürbissaft?" Erschrocken drehte ich mich zu der freundlichen Stimme. Luna stand neben mir, mit einem Glas und einem großen Krug Saft in der Hand. Sie hatte ein paar Kratzer an der Wange, ihre Augen funkelten nicht so fröhlich wie sonst und im allgemeinen machte sie einen traurigen und müden Eindruck. Ich nickte.
„Was genau ist passiert?", meine Stimme war schwach und leise.
„Die Todesser sind in Hogwarts eingedrungen. Der Orden kam dazu und es gab einen Kampf." Wieder nickte ich. Daran konnte ich mich erinnern oder zumindest, dass ich gekämpft hatte. Gegen Todesser.
Und das, obwohl ich so müde war, da ich erst kurz vorher in meinem Bett war. Denn davor war ich unterwegs . . Ich zog die Luft scharf ein. Es fiel mir wieder ein.

Glasklar vor meinem inneren Auge - Malfoys Kuss. Mein Körper wurde von einer Gänsehaut überzogen. „Oh du frierst ja", Luna zückte ihren Zauberstab und ließ eine Decke herbei schweben. Mir war zwar alles andere als kalt, aber das konnte ich ihr schlecht sagen.
„Es gab wohl einen Kampf auf dem Astronomieturm, darüber reden die Erwachsenen. Das dunkle Mal erschien am Himmel und Dumbledore war tot." Traurig blickte sie zu Boden. Ich verschluckte mich an meinem Kürbissaft.
„WAS?" Geschockt sah ich sie an. Meine Augen füllten sich mit Tränen. Ich schüttelte den Kopf. „Das . . Das kann nicht sein. Das geht . . nicht. Er ist Dumbledore . . Der mächtigste Zauberer", stammelte ich vor mich hin, während meine Trauer mich überrannte. Luna nahm mich in den Arm.

„Jemand hat die Todesser nach Hogwarts gelassen und dann . . dann waren es zu viele." Sie reichte mir ein Taschentuch. „Vieles wird sich nun ändern. Aber erstmal ist es wichtig, dass du dich ausruhst", ein leeres, trauriges Lächeln erschien auf ihrem Gesicht. „Mrs. Lovegood, hier drüben", eine besorgt aussehende Madame Pomfrey eilt herbei. „Ich muss weiter." Mit diesen Worten entfernte sich Luna von mir und versorgte gemeinsam mit der Heilerin einen anderen Schüler.

Meine Kehle schnürte sich zusammen, mein Magen drohte den Saft wieder hinauszubefördern. Jemand hatte Todesser in die Schule gebracht. Ich wusste nur zu gut, wer dieser Jemand war. Harry hatte die ganze Zeit über recht.
Malfoy war ein Todesser. Er hatte diese schrecklichen Leute nach Hogwarts gebracht, er hatte Teil an all dem Leid hier, er hatte Teil an der Tatsache, dass Dumbledore tot war. Und ich hätte das alle verhindern können.
Ich hätte seit unserer ersten Begegnung auf der Mädchentoilette mit Harry über diesen Vorfall reden können. Ich hätte ihn bestärkt in seiner Vermutung und dann hätten wir ihn Aufhalten können. Und Dumbledore das Leben retten können.

Ich vergrub mein Gesicht in der Decke. Ich fühlte mich so elendig und wollte niemanden mehr sehen. Wie konnte er so etwas nur tun?
Warum zerstörte Malfoy immer alles? Und warum küsste er mich, kurz bevor er die Hölle eröffnen würde?

Mein Kopf schmerzte von meinen Gedanken, mein Körper zitterte und tat schrecklich weh. Ich konnte es nicht glauben, ich wollte es nicht.
Er hatte geweint, ich hatte es mit eigenen Augen gesehen. Malfoy war ein Arschloch, ein eingebildetes Frettchen, aber er war kein Mörder, kein komplett bösartiger Mensch. Er war noch ein Kind, ein dummer Teenager mit Flausen im Kopf, der sich diesem Ausmaß doch gar nicht bewusst war. Oder?

Ich verstand nicht warum, aber eine kleine Stimme in meinem Kopf, klammerte sich an diesen Gedanken. Doch vielleicht musste ich mir auch eingestehen, dass meine Menschenkenntnis schlecht war und ich ihn nicht so gut kannte, wie ich es mir in diesem Moment wünschte.

* * * *

Heute war der Tag von Dumbledores Beerdigung. Der Himmel war grau und trist, die Stimmung sehr gedrückt. Natürlich, es war schließlich eine Beerdigung.
Aber das was nun vor uns lag, der Verlust des Mannes, welcher uns wahrscheinlich am besten beschützen konnte, war unglaublich schwer. Und die Zukunft würde nur noch schwieriger werden. Viele Leute waren da, man sah überall verquollene Gesichter und Rotunterlaufende Augen.
Nach der Zeremonie suchte ich das Trio. Ich wollte mit ihnen reden, wollte wissen, ob Harry etwas über Malfoy wusste und vielleicht würde ich sie sogar um Hilfe bitten. Vielleicht war dies nun der richtige Moment.

Ich zwängte mich zwischen den Mengen hin und her, doch nirgends konnte ich sie erblicken. Auch auf dem Weg zurück zum Schloss sah ich niemanden. Es herrschte ein allgemeines Gewusel, da das Schuljahr vorzeitig enden würde. Morgen würde Hogwarts wieder verlassen sein. Obwohl ich wusste, dass Hermine noch nicht gepackt hatte, konnte ich sie nirgends ausfindig machen. Nicht einmal Ginny fand ich. Sie waren alle wie vom Erdboden verschluckt.
Ich ließ mich auf einen der Fensterbänke nieder und starrte in die weite Ferne. Wie sollte es nun weitergehen? Was würde aus Hogwarts werden? Wenn der, dessen Name nicht genannt werden darf, nun wirklich machtvoll wurde und Einfluss ausübte, wäre ich hier nicht mehr sicher. Vielleicht sollte ich so weit weg wie nur möglich. Ein Neuanfang. Das hörte sich doch gut an. Abhauen und untertauchen.

Ich könnte mir einen neuen Namen aussuchen und mein altes Leben hinter mir lassen. In meinem Kopf formten sich Pläne. Von Hogsmeade nach Frankreich oder vielleicht Italien. Spanien soll auch schön sein. Hauptsache alles Neu.
In einem anderen Land, mit anderen Leuten und dann würde vielleicht alles wieder gut werden. Ein leiser Seufzer entlockte sich mir.
Würde jemals alles wieder gut werden?

UnbreakableWhere stories live. Discover now