Elyanor sprach mit solcher Inbrunst, dass ich selbst ganz aufgeregt war und selbst die Königin schien ein wenig sprachlos zu sein. Elyanor war eben nicht das schüchterne und unbeholfene Mädchen, das alle in ihr zu sehen glaubten.

„Ich..."

„Sophia!", rief der König und ich zuckte zusammen. Er trat zu den beiden Frauen, sodass die Worte der Königin untergingen. Mit einem mahnenden Seitenblick signalisierte er ihr, dass sie besser nicht weiterreden sollte.

„Hast du die Baroness schon begrüßt? Die Gäste sollten sich bald auf ihren Plätzen einfinden." Mit diesen Worten und einer eindeutigen Geste schickte er sie weg, um sich selbst mit Elyanor zu befassen.

„Sollte es irgendwelche politischen Fragen geben, die Sie mit mir diskutieren wollen, wäre ich Ihnen dankbar, wenn Sie sich nicht gerade an meine Frau wenden würden, sondern an mich."

„Ich denke, das ist weder der Ort noch das Umfeld für ein Gespräch, auch wenn ich ein solches begrüßen würde", antwortete sie grazil und musterte scheinbar desinteressiert ihr Sektglas, bevor sie ihren Blick zum Altar wandern ließ. 

Aus dem Augenwinkel sah ich plötzlich Beatrice, die mit einem Tablett am König vorbeilief, auf dem nur noch ein einziges Glas stand. Sie steuerte auf eine Gruppe Militärangehöriger zu, die etwas weiter hinten standen. Doch als sie gerade am König vorbei lief, nahm sich dieser das Glas von ihrem Tablett.

„Sie sollten stolz auf Ihre Söhne sein", sagte Elyanor und der König erhob sein Glas, um mit ihr anzustoßen. 

„Durchaus. Genießen Sie die Feier." Der König stellte das halbleere Glas auf einem der Stehtische ab und wandte sich einem anderen Gast zu.

„Das werde ich", hörte ich Elyanor murmeln und sah noch, wie sie aus Versehen das Glas streifte, sodass sich der restliche Sekt in ein Blumenbeet ergoss.


* * *


Nach einer weiteren halben Stunde ohne besondere Vorkommnisse hatten sich die meisten Gäste auf ihren Plätzen eingefunden und man hörte nur noch einzelne Gespräche. 

Ich hatte mir einen Platz neben einem großen Bogen gesucht, der mit zahlreichen Blumen und Gräsern geschmückt war und stand noch immer in meine Schatten gehüllt daneben, auch wenn ich langsam spürte, wie viel mir die Anwendung meiner Gabe abverlangen konnte.

Erwartung lag in der Luft, als der Priester vor den freistehenden Altar trat und sich räusperte.

„Wir haben uns heute hier eingefunden, um die Vermählung von Prinz Aiden und Lady Rachel Anderson, Prinz Nicolas und Lady Grace Perez, sowie Prinz Calder und Lady Savannah Clark zu feiern."

Musik setzte ein und ich sah, wie die drei Prinzen aus dem Palast in den Garten traten und durch den mit Blumen geschmückten Bogen schritten, neben dem ich in meine Schatten gehüllt stand. Als Calder den Bogen passierte, runzelte er kaum merklich die Stirn und sah in meine Richtung.

Ich erstarrte und rührte mich keinen Millimeter, bis er vorne am Altar angekommen war und sich umdrehte. Mein Herz wurde schwer und mich überkam ein trauriges Gefühl, als ich ihn dort vorne stehen sah und daran dachte, dass er Savannah heiraten würde.

Der Priester sprach erneut und ich versuchte wieder mich auf mein eigentliches Ziel zu konzentrieren. Jetzt, wo alle Gäste auf ihren Plätzen saßen, hatte ich auch einen besseren Überblick, wer alles anwesend war.

Ich war mir sicher, dass sich einige Rebellen unter die Gäste gemischt hatten und dass sie bewaffnet waren. Jeder war zwar beim Einlass kontrolliert worden, aber die Rebellen hätten sowieso die Tunnel benutzt, um hier herzukommen.

Ich wurde jäh aus meinen Gedanken gerissen, als die Musik erneut einsetzte und ich hinter mir Rachel sah, die am Arm ihres Vaters den Gang zum Altar entlangschritt. Sie sah wunderschön aus und als ich Aiden einen Blick zuwarf, sah ich, wie er sich aufrichtete und ihr ein strahlendes Lächeln schenkte.

Mein Blick wanderte von ihrer kunstvollen Hochsteckfrisur ihren Schleier entlang nach unten auf den Boden. Mit gerunzelter Stirn beobachtete ich, wie einer der Gäste seine dreckverschmierten Schuhe unter dem Blumenschmuck versteckte.

Ich überlegte. Letzte Nacht hatte es stark geregnet. Ich war draußen auf dem Trainingsplatz hinter dem Haus gewesen und meine Schuhe hatten danach ähnlich ausgesehen. Das Wasser war sicher auch in die alten Tunnel gelaufen und hatten die Erde aufgeweicht.

Im Hintergrund hörte ich, wie Rachel und Aiden ihr Ehegelübde ablegten, doch meine gesamte Aufmerksamkeit galt dem Rebellen, der sicher nicht grundlos hier war. In zitternde Schatten gehüllt ging ich langsam die Reihen der Gäste ab und hoffte, dass ich noch genügend Energiereserven hatte, um meiner Schatten für die Dauer der Zeremonie aufrechtzuerhalten.

Dabei entdeckte ich mindestens ein Duzend weitere Männer mit den selben dreckigen Schuhen. Schnell ging ich im Kopf alle Möglichkeiten durch, die ich hatte. Zu Grace konnte ich auf keinen Fall gehen. 

Sie konnte mir auch nicht helfen und hätte Todesangst an einem Tag, der eigentlich der schönste ihres Lebens werden sollte. Wenn ich mich sichtbar machte und einem der Palastwachen meine Vermutung erzählte, war ich schneller hinter Gittern, als eine Braut 'Ja, ich will' sagen konnte.

Ich musste zu Marlies, das Problem war nur, dass ich keine Ahnung hatte, wo sie war. Unter den Wachen, die auf der Hochzeit anwesend waren, konnte ich weder sie, noch einen anderen Soldaten aus ihrer Einheit entdecken, was bedeutete, dass sie einen anderen Bereich des Palastes sicherte.

Rachel und Aiden setzten sich auf zwei Stühle neben dem Altar und Nicolas trat vor. Er strahlte ebenfalls über das ganze Gesicht, sodass ich mich umdrehte und Grace am Arm ihres Vaters unter dem geschmückten Bogen sah.

Und unter den Gästen waren mindestens zwei Duzend Rebellen, von denen niemand wusste. 



Fortsetzung folgt ... 

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Hallo 💕 

Erstmal tut es mir leid, dass so lange nichts mehr kam, ich habe gerade leider kaum Zeit zu Schreiben, deshalb kann es noch ein bisschen dauern, bis wieder ein Kapitel kommt...

Ich wünsche euch aber weiterhin viel Spaß beim Lesen 😊 

 
~ 1565 Wörter 

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