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»Nicolas!« Eine Stimme, klar wie funkelndes Eis. Surrend.

Melissa spürte Nicolas Körper sich anspannen, sie von sich schiebend, nur ein kleines Stück, aber es fühlte sich an wie Welten zwischen ihnen. Sie riss die Augen auf. Nicolas richtete sich auf, den Kopf hoch erhoben. Weg von ihr.

»Nicolas.« Wieder diese Stimme, die direkt in sie fuhr und ihr Innerstes gefrieren ließ. Nicolas Finger lösten sich von den ihren, seine Hand verließ ihre Taille, seine Wärme strömte aus ihrem Körper hinaus, verließ sie schlagartig und ließ sie fröstelnd zurück. Er griff nach ihrem Arm und führte sie von der Tanzfläche. »Komm«, knurrte er rau.

Eine kleine zarte Frau stand völlig reglos neben der Bar, aber ihre Präsenz füllte den gesamten Raum und sie wirkte so mächtig und einschüchternd. Ihre porzellanartigen Gesichtszüge schienen unglaublich fein geschnitten, bildschön, wie aus Stein gehauen, und wurden von kinnlangen braun schimmernden Haaren eingerahmt. Ein hautenges Kleid betonte ihre Figur.

Sie war perfekt.

Ein zartes Lächeln umspielte ihren Mund und sie fixierte Nicolas mit tiefdunklen Augen.
Ihre Aura schien zu flirren. Sie wirkte so unschuldig und gleichzeitig so bedrohlich. Melissa hatte nicht gewusst, dass so etwas möglich war. Niemand musste ihr die Natur dieser Frau erklären, es war dermaßen offensichtlich, dass Melissa sich wunderte, dass nicht alle Gäste von ihrem Anblick gefesselt waren. Sie selbst konnte den Blick kaum abwenden. Fasziniert und verstört zugleich.

Doch diese Frau hatte nur einen kurzen abschätzigen Blick für Melissa übrig. Süffisant verzog sie ihren Mund, bevor sie sich erneut Nicolas zuwendete, als dieser im Begriff war, Melissa an der Frau vorbeizuschieben.

»Es tut so gut, dich zu sehen, mein Schöner!«, gurrte sie.

Nicolas blieb stehen, drehte sich der Fremden entgegen und kniff die Augen zusammen. Seine Muskeln spannten sich an. Dann breitete sich ein Lächeln auf seinem Gesicht aus, während er gleichzeitig den Griff um Melissas Arm verstärkte.

»Kari!« Seine Stimme tief und melodisch. »Wie lange haben wir uns nicht gesehen.« Wie gebannt lag Nicolas Blick auf der fremden Frau. Es war offensichtlich, dass die beiden von der gleichen Art waren. Und sie kannten sich.

Warum störte Melissa das?

»Eine Ewigkeit! Ich sehe, du hast eine kleine Freundin dabei.« Wieder glitt der Blick der Frau über Melissa und diesmal warf sie ihr ein bedrohliches Lächeln entgegen. »Willst du uns nicht vorstellen?« Ihre Stimme war ein einziges Schnurren, warm und sanft und dennoch fühlte es sich an, als könnte sie Stein durchschneiden. Melissa stellten sich die Nackenhärchen auf.

»Nur eine Bekanntschaft. Sie wollte gerade gehen.« Karis Augen weiteten sich kaum merklich und sie betrachtete Melissa zum ersten Mal ernsthaft. Ihr Blick blieb auf Nicolas Hand an Melissas Arm liegen.

»Oh, wie schade. Ich hoffe, ich habe euch nicht gestört?«

Nicolas schob Melissa weiter zur Garderobe. Fassungslos registrierte sie, dass er ihren Mantel nahm und sie weiter zur Tür drängte. »Keineswegs. Ich begleite sie nur schnell hinaus. Dann bin ich für dich da.«

Er öffnete die schwere Holztür und Melissa stand auf dem Gehweg vor dem Pub, bevor sie überhaupt eine Chance hatte, zu begreifen, was gerade passiert war. Ganz beiläufig legte Nicolas ihr ihren Mantel um die Schultern und drückte ihr etwas in die Hand. »Danke für den angenehmen Abend. Komm gut zurück«, sagte er förmlich und verschwand im Pub.

Die kühle Nachtluft strich ihr über das erhitzte Gesicht und sie fröstelte augenblicklich, als der letzte Lichtstrahl durch die sich schließende Tür fiel. Schnell fuhr sie mit den Armen in die Mantelärmel und schloss diesen. Dann betrachtete sie den Gegenstand in ihrer Hand. Die Schlüsselkarte für das Hotelzimmer. Gab es eine eindeutigere Art jemanden aufzufordern sofort zu verschwinden? Die Situation hatte sich so unerwartet gewendet, dass ihre Gedanken nicht mehr hinterherkamen. Hatte Nicolas sie ernsthaft vor die Tür gesetzt? Weil er jemand anderem begegnet ist? Einer Freundin? Oder war es etwas anderes? Sie wusste nicht, was sie denken sollte. Wie sollte sie diese Situation bewerten? Nicolas hatte sie rausgeschmissen, im denkbar unpassendsten Moment. Er hatte mit ihr gespielt.

♥︎Bad Salvation♥︎ - The Girl With The VampireWhere stories live. Discover now