Ich.Will.Nicht.In.Den.Krieg

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Mein ganzer Körper schüttelte sich, als ich daran dachte, dass ich, Valentin, mit meinen achtzehn Jahren bald an der Front stehen müsste. Das wollte ich nicht! Ich wollte nicht unnötig unschuldiges Blut vergießen und unsinnig sterben!

Aber was blieb mir schon für eine Wahl?- Verweigerte man, wurde man gleich an die Wand gestellt- und erschossen! Ich könnte es meiner Familie nicht antun, als Feigling mein Leben zu lassen.

Meine Mutter hatte fruchtbar geweint, als ich gehen musste. Sie hatte ja nur noch mich und meine beiden Schwestern. Vater war im Krieg geblieben.

Niederlage in Stalingrad. Etwas, das wir nie für möglich gehalten hatten, war eingetreten. Und so langsam wurde mir klar, dass wir ganz sicher nicht gewinnen würden. Warum konnten wir uns das nicht einfach eingestehen und den Krieg für beendet erklären?

Wir waren auch nicht besser als die anderen, keine Herrenrasse, die über den anderen thronen sollte. Wir waren alle Menschen, denen es am meisten wehtat, zu verlieren. Ob nun Sieger oder Verlierer, jeder war irgendwie mit Verlust in Berührung gekommen.

Wenn ich schon daran dachte, was mich bald erwarten würde! In Russland war es kalt, das waren wir alle nicht gewöhnt! Viele hatten erfrorene Gliedmaßen gehabt, es aber nicht mal selbst mitbekommen, weil sie von der Regierung irgendeinen Stärkungstrank oder so bekamen, der sie den Schmerz nicht fühlen und munter weitermarschieren ließ. Ich könnte von Glück sprechen, wenn ich hinterher überhaupt normal laufen könnte. Wenn ich dann überhaupt noch leben würde...

Es half kein Wenn und Aber, wir mussten los. Allein die Rüstung fühlte sich schwerer an als ich selbst, unsere Verpflegung hatten wir auch noch bei uns. Aber Zeit zum Essen und Trinken, oder auch nur zum kurzen Verschnaufen, pft, die hatten wir nicht! Wir mussten so schnell wie möglich nach Russland gelangen, um uns dort einen Mann zu stehen. Einen grausamen, vernichtenden Mann.

Ich zitterte, als sich meine Finger um meine Waffe legten. Natürlich hatte ich in der Hitlerjugend, kurz HJ, gelernt, wie man damit umgeht, aber damals war das doch alles nur Spaß gewesen, jetzt, wo wir vor einer befeindeten Gruppe Soldaten standen, auf die wir schießen mussten, um nicht selbst von ihnen erschossen zu werden, war das etwas ganz anderes.

Aus den Augenwinkeln sah ich, wie ein guter Bekannter von mir zu Boden stürzte. Er war getroffen worden, doch nicht einfach so, in der Mitte des Herzens und sofort tot umgefallen. Nein, er lebte noch reichliche zwanzig Minuten, mit einem offenen Bauch, aus dem schon dessen Gedärme herausguckten. Ächzend und stöhnend und alle Heiligen, die er kannte, anflehend.

Entsetzt hielt ich mir die Hände vors Gesicht, aber eigentlich hatte ich schon genug gesehen, was sich in meinem Gedächtnis festgebrannt hatte. Ein einziger Wunsch überkam mich, dass sie mich erschießen mögen, kurz und schmerzlos, damit ich mich nie wieder an dieses Grauen erinnern möge. Doch diesen Gefallen taten sie mir nicht. Ich war dazu verdonnert, am Leben zu bleiben.

Und ich vergaß nie. Auch nicht, als Hitler bereits tot und der Krieg beendet war. Auch nicht, als das Land wieder allmählich aufgebaut wurde. Auch nicht, als sich der Mauerfall ereignete und West- und Ostdeutschland endlich wieder miteinander vereint wurde. Auch heute nicht...

Geboren neben Asche und Leichen- Überlebenschance?Where stories live. Discover now