Kapitel 26

10 0 0
                                    


Ava

Schreiend fahre ich aus dem Schlaf hoch. Schweiß läuft mir die Stirn hinunter. Meine Zimmertür fliegt auf und Thor kommt zu mir geeilt. Er setzt sich neben mich und zieht mich in seinen Arm.
„Es war nur ein Traum. Das war nicht Real.", sagt er und streicht über meinen Rücken. Aber nein, das war nicht nur ein Traum. Es war der Moment nach dem Schnipser. Als Loki sich bei mir auflöste. Genau davor hatte ich Angst. Das mein Unterbewusstsein es mir immer und immer wieder vorspielt. Es scheint, als wäre alles echt und würde sich wiederholen. Die Gefühle, der Geruch des Waldstücks und die Geräusche. Ich vernehme alles genau wie es war.
„Nein, Thor. Es ist nicht einfach nur ein Traum. Es ist der Moment, den ich immer und immer wieder wiederhole.", sage ich leise und befreie mich aus seinem Arm. Ich stehe auf und gehe zum Bad.
„Geh schlafen. Ich muss mich frisch machen und meine Kleidung wechseln.", sage ich. Er steht auf und sieht mich mitfühlend an.
„Bist du dir sicher?", fragt er.
„Ja. Geh einfach.", sage ich in einem garstigen Ton. Als er dann endlich das Zimmer verlässt, mache ich mich frisch und ziehe mich um. Aber keinen Pyjama. Ich schlüpfe in eine Sporthose und einen Hoodie. Daraufhin verlasse ich mein Zimmer und fahre rauf auf die Dachterrasse. Ich setze mich dort auf die Liege und sehe in den Sternenhimmel hinauf. Ich hatte nur noch Thor. Meine Heimat ist zerstört, mein Ehemann ist tot, Freunde sind ebenfalls fort und mich habe ich auch verloren. Für einen kurzen Moment überlege ich, was wohl passiert, wenn ich einfach von der Dachterrasse springe. Ist es hoch genug, damit ich drauf gehe? Verletze ich mich bloß? Aber ich schüttle den Gedanken schnell weg. Loki und ich haben uns vermählt, bis das der Tod uns scheidet. Das es gerade mal zwei Wochen benötigt bis dieser Fall eintritt hätte vorher keiner gedacht. Ich dachte wir sitzen mit 8000 immer noch zusammen und lachen über unseren Blödsinn. Nun bin ich Witwe. Wie soll ich denn bitte schlafen, wenn es mich immer wieder an den Ort zurückführt, wo das Schlimmste passiert ist, was ich in meinem Leben erlebt habe? Selbst wenn ich jetzt hoch in die Sterne schaue, hoffe ich ein Sternbild zu finden, dass aussieht wie er oder sein Helm. Ich suche nach Zeichen, dass er mich von Walhalla aus beobachtet und begleitet. Ich verspüre nur noch Schmerz, Wut und Hass. Von Tag zu Tag frisst es mich weiter auf. Ich vergrabe meine Hände in der Tasche vom Hoodie und starre einfach auf den Himmel.

„Da bist du ja.", höre ich Steve hinter mir und reiße die Augen auf. Es ist hell und ich scheine eingeschlafen zu sein.
„Ja. Und?", frage ich.
„Thor hat dich gesucht. Deine Zimmertür stand offen.", sagt er.
„Ja. Ich konnte nach meinem Traum letzte Nacht nicht wieder einschlafen und habe mich hierher gesetzt. Anscheinend war ich doch noch ziemlich müde.", sage ich.
„Magst du mit reinkommen?".
„Damit ihr mich wieder zwingt zu essen?", frage ich. Steve setzt sich zu mir und nimmt meine Hand.
„Ava, wir tun das nur, damit du überlebst. Ich weiß dir geht es schlecht. Aber dein Körper braucht Energie.".
„Ich weiß. Aber es fällt mir so schwer.".
„Dann mache ich dir eine Suppe. Da musst du nicht kauen. Und dadurch wird es dir besser gehen. Dann wirst du Kraft haben was richtiges zu essen. Wenn wir das geschafft haben, werden wir das mit dem Schlafen auch hinbekommen.".
„Na gut.", sage ich und stehe auf. Es ist eher ein schleppen, aber ich folge ihm. Als ich das Wohnzimmer betrete kommt Thor auf mich zugerannt. Er schließt mich in seine Arme und sagt, „Ich habe mir Sorgen gemacht. Wo warst du?".
„Auf dem Dach. Konnte nicht schlafen. Habe also Sterne geguckt, bis ich wohl doch eingeschlafen bin.", sage ich, während ich wie ein Fisch, labbrig in seinem Arm hänge. Steve geht in die Küche und holt einen Topf raus. Er wurschtelt umher und als Thor mich loslässt setze ich mich an den Esstisch. Während Steve kocht, stellt Thor mir ein Glas Wasser hin. Bevor er etwas sagt, ziehe ich das Glas mit einem Mal leer.
„Die Suppe muss noch eine gute Stunde ziehen.", sagt Steve.
„Dann gehe ich baden.", sage ich.
„Ist gut.", sagt er und lächelt schwach. Ich nehme mir das Glas und fülle es auf, gehe dann in mein Badezimmer und lasse Wasser ein. Vorsichtig versuche ich die Knoten aus meinen Haaren zu bürsten. Als die Wanne voll ist, lege ich mich hinein. Ich trinke das Wasser aus meinem Glas und schließe die Augen. Das Glas stelle ich zur Seite und tauche einmal unter das Wasser. Dort schreie ich einmal meinen gesamten Frust raus und tauche wieder auf. Ich lasse das Wasser ab und merke dann, wie schlecht mein Kreislauf ist. Aus eigener Kraft schaffe ich es nicht raus. An ein Handtuch komme ich auch nicht.
„F.R.I.D.A.Y., bitte sag Nat, dass sie in mein Bad kommen soll. Es ist dringend.", sage ich. Wie ein Wal liege ich in der leeren Wanne und komme nicht weg. Es dauert einen Moment, aber Nat kommt. Sie klopft.
„Ava?", fragt sie.
„Ja. Komm bitte rein.", sage ich und als sie durch die Tür tritt sieht sie mich verwirrt an.
„Ich brauche deine Hilfe. Mein Kreislauf ist nicht gut und ich schaffe es alleine nicht raus.", sage ich.
„Oh. Ja. Komm her.", sagt sie und hält mir die Hand entgegen. Ich ergreife sie und sie hilft mir, dass ich aufstehen kann. Sie wickelt das Handtuch um mich und sorgt dafür, dass ich mich auf der Toilette setze. Sie öffnet das Fenster, füllt das Glas am Wasserhahn auf und drückt es mir in die Hand. Ich trinke und sie sagt, „Geht es?".
„Ja. Danke.", sage ich, während ich die frische Luft in meine Lunge sauge.
„Soll ich dir die Haare föhnen? Dann kannst du noch kurz akklimatisieren.", bietet sie an.
„Würdest du das echt tun?".
„Natürlich.", sagt sie und holt meinen Föhn aus dem Regal.
„Danke.", sage ich und drehe mich um. Ich sitze im Schneidersitz auf der Toilette und Nat steht hinter mir und föhnt meine Haare. Ganz behutsam bürstet sie die Haare und ich schließe die Augen und genieße einen Moment, die Spa-Behandlung. Als sie den Föhn abstellt, will ich aufstehen, jedoch hält Nat mit fest und sagt, „Warte noch. Ich will mal was ausprobieren.", sagt sie und beginnt mich zu frisieren. Fünfzehn Minuten später habe ich einen geflochtenen Zopf und sehe mich im Spiegel an.
„Wow. Das sieht gut aus.", sage ich.
„Du hast so tolle Haare.", sagt Nat.
„Danke. Wenn ich jetzt generell frisch aussehen würde, wäre es schon ein Fortschritt.".
„Das kommt. Du hast halt einen Ernährungsmangel.".
„Ich weiß. Deswegen werde ich auch zurück in die Küche gehen. Steve hat mir Suppe gemacht.". Ich gehe in mein Zimmer, schlüpfe in Unterwäsche und ein Shirtkleid und gehe mit Nat in die Küche.
„Gut, dass du wieder da bist. Essen ist fertig.", sagt Steve. Er stellt einen Teller auf den Tisch und zieht mir den Stuhl zurück. Ich setze mich und reiche an der Suppe.
„Riecht super. Danke, Steve.", sage ich und nehme den Löffel. Er setzt sich zu mir und ich probiere die Suppe.
„Wow. Das Fleisch ist aber zart. Die Suppe ist sehr gut.", sage ich und esse weiter.
„Freut mich sehr.", sagt er und hält mir eine Packung entgegen.
„Was ist das?", frage ich.
„Eine Packung mit Schlaftabletten. Bruce hat sie mir gegeben. Wenn du magst kannst du sie abends nehmen. Für die nächsten Tage. Sie sind nicht stark, aber helfen beim Durchschlafen. Vielleicht hilft es dir dabei zur Ruhe zu kommen.", sagt er. Ich nicke und widme mich meiner Suppe. Noch am gleichen Abend nehme ich eine der Tabletten und hoffe, dass die Nacht ruhiger wird.

FLAMES ON MY SKINWhere stories live. Discover now