Der Weg in den Palast

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Er musste über seine Gedanken eingeschlafen sein. Jedenfalls bemerkte er Georg erst, als dieser ihn an der Schulter rüttelte. Pierre blinzelte.

Georg, Babylas und Jourdain standen neben seinem Lager. Der Bauer nickte ihm zu. »Du bist dir sicher, dass du es jetzt tun willst?«

»Wir haben keine Wahl.« Pierre gähnte. Er setzte sich auf, strich sich mit den Händen durch das Haar, spannte seine Schultern. »Mein Bein kann ich wieder benutzen und was wir vorhaben, wird auch ohne die Hand gehen.«

Jourdain schüttelte den Kopf. »Es wird diesmal schwer, dich in den Palast zu bringen. Wir haben keine Nacht zum Schutz.«

»Wir werden es irgendwie schaffen. Ich glaube kaum, dass man mich da draußen erkennen wird.«

»Vergiss nicht, dass einer der Sterne dich gesehen hat«, warf Georg ein. »Und er hat dich trotz des Bartes erkannt.«

»Simon hatte einen guten Einfall. Glück. Außerdem habe ich ihn angesprochen, wahrscheinlich war es meine Stimme. Wir dürfen uns nicht damit aufhalten. Gib mir die Gefäße, Georg.«

Der Abtrünnige holte die Fläschchen mit dem Gift aus seinem Gewand und reichte sie Pierre. »Ich wünsche dir alles Glück, dass man haben kann.«

»Das wünsche ich uns auch.« Pierre deponierte das Gift in einem kleinen Beutel, den er an seinem Gürtel befestigte. Er nickte Jourdain zu. »Lass uns gehen.«

»Warte einen Moment!« Georg trat den beiden Männern in den Weg. »Vielleicht braucht ihr auch etwas davon, man weiß nie.« Er reichte Jourdain einige Flugblätter. »Geht vorsichtig damit um, nicht, dass irgendjemand deshalb hingerichtet wird.«

Jourdain nickte. Er führte Pierre über die ausgetrockneten Felder zum Palast. Ihr Weg war gesäumt von Tierkadavern und verdorrten Pflanzenresten, von irgendwo in der Ferne drang Brandgeruch zu ihnen. Im Westen über dem Meer türmten sich dunkle Wolken zu einem gigantischen Gebirge auf, während die Sonne die Stadt in ein bedrohliches Orange tauchte. Das Licht brannte in Pierres Augen und ließ winzige weiße und schwarze Punkte in seinem Blick tanzen. Der Kontrast zwischen den hellen Hauswänden und trockenen Feldern und den wenigen noch grünen Pflanzen war scharf, wie die Ränder des gezeichneten Drachentöters auf den Flugblättern. Der ehemalige Stern hielt den Kopf gesenkt und die Augen halb geschlossen, um überhaupt sehen zu können. Die Hitze, die sich in den letzten Tagen angestaut hatte, war kaum zu ertragen und trieb ihm schon nach wenigen Schritten den Schweiß auf die Haut. Bis sie den Palast durch die verlassene Stadt erreicht hatten, war Pierres Gewand nass und seine Kehle so trocken wie die Felder, über die sie gelaufen waren. Vom Meer her drang lauter Donner über die Stadt.

Vor den Toren des Palastes griff Jourdain grob den linken Oberarm Pierres und zerrte ihn hinter sich her zu den Wachen.

Eine von ihnen musterte die beiden Männer. Sie senkte ihren Speer und deutete mit der Spitze auf Pierre. »Wer ist das?«

»Einer der Aufrührer. Ich habe ihn gefangen, als er dabei war, gotteslästerliche Schriften zu verteilen.« Jourdain reichte den Torwachen den Stapel Flugblätter. »Ich will ihn zum Papst bringen.«

Die Wache runzelte die Stirn, nahm die Flugblätter entgegen und betrachtete sie flüchtig. Sie nickte. »Ich verstehe. Gut, du kannst rein.« Er gab die Zettel an Jourdain zurück.

Der steckte sie in die Tasche seiner Uniformjacke und schob Pierre an den beiden Torwachen vorbei in den Palastgarten. Sie trotteten den Weg zum Haupttor entlang, bogen aber sofort in den Gemüsegarten des Palastes, als das Tor hinter ihnen verschlossen wurde. Die Bäume im Garten hatten ihre Blätter abgeworfen, die nun einen raschelnden Teppich über Wegen und Beeten bildeten. Die Pflanzen auf den Beeten direkt am Palast waren dagegen noch grün und trugen vereinzelt Blüten und Früchte.

Pierre schüttelte den Kopf. Auch der Papst und die Sterne würden nicht mehr ewig aushalten können. Es waren nur Tage, vielleicht zwei oder drei Wochen vergangen, und die Pflanzen reagierten schon heftig auf das andauernde Sonnenlicht und die Hitze, die mit ihm verbunden war. Er senkte den Blick.

Jourdain schob ihn durch die Tür in die Küche. Er ging zum Koch und tauschte Handzeichen mit ihm aus, die Pierre nicht deuten konnte. Danach verabschiedete sich die Palastwache und ging durch die Küche in den Speiseraum. Der Koch nickte Pierre über die Schulter zu.

Pierre erwiderte den Gruß. Er sah sich in der Küche um. An Haken an den Wänden hingen verschiedene Töpfe und Pfannen, Kisten unter der Arbeitsfläche beherbergten die Vorräte des Palastes. Wenigstens die, die in der nächsten Zeit verbraucht würden. Er konnte nicht ausmachen, woraus die nächste Mahlzeit des Papstes bestehen würde, um die Zutaten bereits im Vorfeld zu vergiften.


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