Der Palast der Sonne

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Sie Erreichten eine mannshohe Mauer, die den Palast umgab, traten durch das vergoldete Tor und folgten dem Weg bis zur Fassade des Palastes. Nur der goldene Rahmen zeigte überhaupt an, dass es eine Tür geben musste. Deniel trat vor und betätigte mit der flachen Hand einen Mechanismus. Die Tür zum Inneren des Palastes schwang auf und ließ die vier Männer eintreten. Vor ihnen erstreckte sich ein Saal, so groß wie die Kapelle an Bord der Baroque. Ein von Säulen gesäumter Gang führte direkt von der Eingangstür zu einem Podest, auf welchem sich drei Stühle befanden. Auch im Inneren des Palastes war alles in Weiß und Gold gehalten, doch fehlte hier das gleißende Sonnenlicht. Stattdessen verbreiteten goldene Lampen ein weiches, gelbliches Leuchten, welches gerade so die entferntesten Ecken des Saales erreichte.

Alban löste sich aus der Gruppe. Er stolzierte den Gang entlang und setzte sich schließlich auf den größten Stuhl in der Mitte des Podestes. Pierre und Eugene folgten ihm erst nach einer Aufforderung durch den Inquisitor. Pierre ließ sich zur Linken, Eugene zur Rechten des Papstes nieder.

Deniel betrat als Letzter das Podest. Er ging schwerfällig vor Alban auf die Knie, senkte jedoch nicht den Blick. Er ergriff die Hände des Papstes. »Ich wünsche Euch mehr Erfolg als Eurem Vorgänger, Alban Ponitfé. Mögt Ihr ein langes Pontifikat führen und viele Bewohner des Gesteins vom Glauben an die Sonne überzeugen. Mögen Eure Sterne sich als nützlich erweisen.« Er erhob sich ebenso schwerfällig, wie er niedergekniet war, trat hinter den Thron und beugte sich zum Ohr Albans.

Pierre sah, dass sich seine Lippen bewegten, aber er konnte nicht verstehen, was der Älteste dem Papst mitteilte.

Alban nickte. »Ich weiß um meine Aufgaben, Deniel Abbé. Lasst uns nur erst ein paar Tage Zeit, um uns zurechtzufinden. Ihr solltet Euch außerdem um Eure Aufgaben kümmern. Der alte Papst muss bestattet werden und das Volk der Stadt muss mich anerkennen, ehe ich meinen Aufgaben nachkommen kann.«

»Sicher, sicher.« Der Älteste stieg vom Podest herunter und blieb im Gang stehen, die Hände hinter dem Rücken verschränkt und das Gesicht zur Tür gewandt. »Ich werde mich gleich morgen um die Vorbereitungen bemühen. Zuvor sollten sich Eure Sterne gut ausruhen, immerhin müssen sie für meine und Eure Sicherheit sorgen. Zeiten des Umbruchs sind immer gefährlich, insbesondere, wenn dort draußen Ketzer und Ungläubige lauern.«

Eugene sah auf. »Wir dürfen nicht an den Feierlichkeiten teilnehmen? Weshalb?«

»Eure Aufgabe ist es, mein Leben und den Frieden dieser Welt zu schützen. Während der Zeremonie bin ich nicht gefährdet, aber sicher werden sich außerhalb des Platzes die Ketzer treffen. Während ich vor den Menschen als neuer Papst inthronisiert werde, müsst ihr sie suchen und beseitigen. Eure Aufgabe ist es, den Glauben an die Sonne zu verbreiten, nicht, Teil einer inszenierten Volksbelustigung zu sein.«

Pierre runzelte die Stirn. »Inszeniert?«

Deniel drehte sich zu den Männern auf dem Podest herum. Er nickte bedächtig. »Ja, inszeniert. Die Feierlichkeiten hier unten sind nichts als der Versuch, den einfachen Bewohnern des Gesteins die Abläufe der Sonne greifbar zu machen. Ihr, die ihr Teil der Baroque ward, habt keinerlei Notwendigkeit dafür. Ihr müsst wichtigeren Aufgaben nachkommen. Eine davon ist es auch, unnötige Fragen verstummen zu lassen.«

Pierre zuckte zusammen. Der Älteste hatte vollkommen recht. In den letzten Stunden war seine Neugierde gefährlich angewachsen. Er nickte. »Natürlich, Euer Gnaden. Verzeiht meine Fragen ein letztes Mal. Wir werden natürlich unseren Aufgaben nachkommen.«

Eugene nickte ebenfalls. »Wir werden Alban Ponitfé beschützen und die Ketzer in der Stadt finden und zum wahren Glauben bekehren.«

»Ich bin froh, mich nicht in euch getäuscht zu haben.« Alban winkte mit der Hand in Richtung Deniels. Dieser deutete eine Verbeugung an und verließ den Raum. »Ihr müsst sichergehen, dass ihr die Ketzer findet, bevor sie ihre unheilbringenden Absichten verbreiten können. Und ihr müsst mir mitteilen, wann immer ein Kind geboren wird oder ein Mensch dort draußen stirbt. Ihr seid meine Augen und Ohren und, wenn es nötig ist, der rechte Arm meines Gesetzes. Wann immer ihr ein Verbrechen findet, werdet ihr es ahnden. Für nichts anderes hat euch die Sonne eure Paralizatoren gegeben.«

Eugene griff in den Arm seines Gewandes, wo er das schwarze Kästchen aufbewahrte. »Aber was ist ein Verbrechen? Woran können wir die Ketzer erkennen?«

»Die Ketzer verstecken sich gut, Eugene Estelle. Sie zu erkennen wird eure ganze Aufmerksamkeit fordern und vielleicht gelingt es euch in den ersten Tagen nicht, sie zu entdecken. Sie sind der Ansicht, dass das heilige Wissen der Baroque allen Menschen dieses Gesteins zusteht. Sie verbreiten Bücher und Texte und versuchen, all den anderen Lesen und Schreiben beizubringen. Sie verbreiten Lügen über ein Wissen, welches über die Notwendigkeit eines Bauern- oder Händlerlebens hinausgeht. Vor allem sind sie auf der Suche nach den Büchern der Äbte.«

»Aber sie können sie nicht bekommen, nicht wahr? Die Bücher mit dem gefährlichen Wissen sind sicher an Bord der Baroque verwahrt?«

Alban sah über Eugenes Kopf hinweg. »Ja, das sind sie. Und wir sind hier, um dafür zu sorgen, dass es so bleibt. Die Sonne sorgt für die Menschen des Gesteins und die Baroque hilft ihr dabei. Unnötiges Wissen steht nicht im Dienste des heiligen Lebens. Hier wie an Bord muss jeder nur das wissen, was seine eigentliche Aufgabe betrifft. Ein Bauer muss wissen, wie er das Feld bestellt. Ein Schneider muss wissen, wie man ein Gewand näht.«

»Und niemand muss wissen, was sich in der gefährlichen Wildnis verbirgt.« Pierre nickte. »Ich verstehe, Ponitfé. Eugene und ich werden unser Bestes geben, um die Ketzer zu finden und aufzuhalten.«

»Das höre ich gerne. Nun lasst euch auf eure Zimmer führen. Ihr werdet dort die Gesetzbücher finden, die eure anderen Fragen beantworten werden. Morgen werdet ihr euren ersten Tag als meine Sterne antreten. Ihr solltet euch gut ausruhen, am Anfang kann eure Arbeit sehr anstrengend sein.«


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