Zurück am Hafen

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Der Hafen lag bereits in Sichtweite und Pierre konnte das große Schiff sehen, von dem Simon sprach. Es war mindestens so groß wie ein Haus, mit zwei hohen Masten und breiten Segeln. Auf dem Schiff fanden sicher mehr als vierzig Mann Unterkunft. Er musste an die Worte Georgs denken, an die Länder jenseits des Ozeans. »Warum suchen sie eine solche Gefahr?«

»Einige von ihnen sind der Meinung, dass allein die Größe des Schiffes das Meer bezwingen kann. Sie sind dumm, aber das Meer ruft nach ihnen, wie die Fischer sagen. Auch in den alten Geschichten geht vom Wasser eine eigenartige Macht aus. Als ob da unten ein riesiges, menschenfressendes Wesen sitzt, dass seine Beute mit süßen Worten anlockt.« Simon grinste breit.

Pierre konnte nicht sagen, ob er die Worte glaubte oder sich über die Fischer lustig machte, die solche Geschichten erzählten.

»Wie dem auch sei. Wir sollen die Umgebung des Schiffes beaufsichtigen und alle festnehmen, die im irgendwie auffällig werden, egal, ob sie mit den Fischern zu tun haben, oder nicht. Und in den nächsten Tagen werden wir den Hafen weiter beaufsichtigen müssen. Sollte das Schiff auslaufen und kentern, was sicher ist, werden sich vielleicht neue Aufrührer finden, die die Ordnung unserer schönen Stadt bedrohen.«

Pierre nickte abwesend. Er hatte Simon nur mit halbem Ohr zugehört. Die Stürme waren das Werk der Baroque, zumindest dann, wenn Georg die Wahrheit gesagt hatte. Die Menschen hatten vollkommen recht, den Papst und die Mönche für die Tode verantwortlich zu machen. Ob Simon darüber Bescheid wusste? Nein, sicher nicht. Niemand klärte je die einfachen Mönche über solche Dinge auf. Ob er auch so sehr hinter seine Aufgabe stehen würde, wenn er die Wahrheit kannte? Dass die wütenden Menschen keine Ketzer und Aufrührer waren, sondern völlig im Recht handelten? Er konnte nur hoffen, dass ein größeres Schiff besser gegen die Wellen gewappnet war als die kleinen Fischerboote. Sollten die Menschen doch Land jenseits des Ozeans finden und besiedeln. Er blinzelte, schüttelte den Kopf und sah Simon an. »Weißt du eigentlich etwas über die Bücher, die der Verräter gestohlen hatte?«

»Sie sind verboten und wahrscheinlich steht lauter Unsinn darin. Ich meine, warum sollte man gute, wahre Bücher verbieten?«

»Warum sollte man unwahre und dumme Bücher aufbewahren?«

Simon rang mit seinen Lippen. Er wackelte unkoordiniert mit dem Kopf. »Über solche Dinge sollten wir nicht nachdenken. Die Äbte werden ihre Gründe haben.«

Pierre nickte. Er patrouillierte an der Seite des Sterns den Hafen. Die Fischer gingen ihrer täglichen Arbeit nach, ebenso die Händler an ihren Ständen entlang des Hafens. Als die beiden Sterne allerdings eine Gasse passierten, sprang eine alte Frau daraus hervor und rang den überraschten Pierre zu Boden.

Beide rollten sich ein paar Schritte über den Weg, ehe Pierre die Oberhand gewann und die Frau an den Schultern auf den Boden drückte. Ihr Gesicht weckte eine dumpfe Erinnerung in ihm, aber er konnte nicht sicher sagen, wo er sie schon einmal gesehen hatte.

Die Frau spuckte ihm ins Gesicht.

Pierre schüttelte den Kopf. Er setzte sich auf, wobei er die Frau losließ. »Du bist es.«

»Wenigstens erkennt Ihr mich, Estelle.« Die Frau stand auf, richtete ihr zerschlissenes Kleid und verschränkte die Arme.

Simon trat näher an die beiden. »Du kennst de Wahnsinnige? Oh, lass mich raten, Eugene und du haben sie in den Kerker gebracht?«

Pierre erhob sich ebenfalls. Er vermied es, einen der anderen anzusehen. »Ja. Eugene hat damals darauf bestanden, obwohl wir bereits in der anderen Sache unterwegs waren.«

»Sie scheint ja nicht viel gelernt zu haben.« Simon zog erneut sein Messer aus der Tasche. Er klappte es sorgsam auseinander, wischte mit seinem weißen Gewand das noch nicht völlig getrocknete Blut ab und betrachtete sein Spiegelbild in der Klinge. »Nach all der Zeit hat sie es noch nicht gelernt.«

Pierre schüttelte matt den Kopf. »Lass sie, sie ist verzweifelt.«

»Ich bin nicht verzweifelt, Estelle! Ich sehe klar, ganz im Gegensatz zu Euch! Ihr, die Ihr geblendet seid vom Licht eurer Sonne!«

»Halt dein Maul, Ketzer!« Simon fuhr herum und stach mit dem Messer nach ihr, doch die alte Frau wich erstaunlich geschickt aus.

»Ihr alle sollt elendig verrecken für das, was Ihr unseren Familien antut! Die Sterne, der Papst und sämtliche Mönche mit ihm!« Sie drohte den beiden Sternen mit der Faust, entfernte sich aber gleichzeitig mit raschen Schritten von ihnen.

Simon schnaubte. Er klappte das Messer wieder zusammen. »Wir müssen von dem Vorfall berichten. Morgen werden die richtigen Sterne nach ihr suchen gehen.«

»Ich verstehe.« Pierre sah der Frau nach, bis diese zwischen den Fischern und Händlern im Hafen verschwunden war. Die Sonne ließ das Meer wie einen Bottich frischen Blutes erscheinen. »Lass uns für heute Schluss machen. Ich will endlich aus diesem Sonnenlicht heraus. Ich muss diese Bauernfarbe endlich loswerden.«

Simon musterte ihn aus dem Augenwinkel. Er grinste. »Eigentlich passt diese Farbe besser zu deiner Gesinnung als die Blässe der Baroque, findest du nicht?«

Pierre wandte sich ab und schritt durch den Hafen zurück auf die Straße, die ihn zum Palast führte.


BaroqueWhere stories live. Discover now