Kapitel 14

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An der Front

Als Nakita aufwachte, hörte sie ein ruhiges Atmen, das von weiter weg kam. Sie setzte sich auf und sammelte kurz ihre Gedanken. Kribirsk, das Zelt des Generals und ... dass sie in Aleksanders Bett lag. Sofort richtete sie sich auf und sah sich nach ihm um. Er lag tatsächlich auf einem kleinen Feldbett, neben dem Tisch, direkt vor dem Holzpodest, auf dem das große Bett stand, in dem sie geschlafen hatte. Leise stand sie auf und streckte sich. Sie warf sich ihre Kefta über und überlegte was sie machen sollte. Sie konnte sehen, dass die Sonne am Aufgehen war und da sie fürchtete Aleksander zu wecken, ging sie hinaus. Kurz blendete sie das Licht der im Osten aufgehenden Sonne. Sie schirmte ihre Augen ab und blickte sich um. Anders als im kleinen Palast, stand keine Wache unmittelbar vor dem Zelt. Jedoch waren viele Soldaten schon auf den Beinen, so das reges Treiben herrschte. Bemüht unauffällig ging sie die Zeltreihen in Richtung der aufgehenden Sonne ab. Sie prägte sich den Weg ein und blickte sich aufmerksam um, doch niemand schien sie aufhalten zu wollen. Sie konnte eine Essensausgabe erkennen, die wohl für die Soldaten der ersten Armee sein musste. Je mehr sie in Richtung des Sonnenaufgangs ging, desto mehr tauchte sie unter den Soldaten der ersten Armee unter, die ihr missbilligende Blicke zuwarfen. Sie kannte diese Blicke. Die Soldaten der ersten Armee mussten ein simples Leben führen, mit vielen Entbehrungen. Dagegen war das Leben der Grisha absolut Verschwenderisch. Sie wusste das, da sie selbst lange Zeit in Geldnot gelebt hatte. Sie senkte ihren Kopf und schämte sich für ihre kugelsichere Kefta, während andere Soldaten an einer simplen Kugel starben, war sie, die nicht vor hatte jemals Soldatin zu sein, weit aus besser geschützt. Das erste Mal lastete das Gewicht der Kefta sehr auf ihr und sie zupfte unruhig die Kefta zurecht. Sie atmete auf, als sie die meisten Zelte hinter sich ließ und an einem Berghang ankam, der das Lager umgab. Sie stieg auf die kleine Anhöhe und bemerkte vereinzelt Soldaten, die auch ihre Ruhe gesucht hatten und den Sonnenaufgang beobachteten. Sie ließ sich ebenfalls auf einem Stein nieder, abseits von den anderen Soldaten, die sie wieder missbilligend ansahen und vermutlich wünschten, sie würde wieder gehen.

Aleksander wachte etwas ausgeruhter aber mit Rückenschmerzen auf dem Feldbett auf. Die Materialki sollten sich beeilen und ihm ein neues Bett herstellen, bevor er sich noch das Genick brach. Gleichzeitig schallte er sich selbst. Viele Soldaten schlafen seit Monaten oder gar Jahren auf solchen Feldbetten, er war einfach zu verwöhnt vom kleinen Palast. Aufmerksam sah er zu dem großen Bett, das ihn verlockend ansah. Noch einmal musste er kurz überlegen, warum er nicht in dem großen Bett schlafen konnte. Das Bild vom vorigen Abend kam ihm in den Kopf. Wie Nakita selig ruhig und nach langer Zeit wieder entspannt in dem Bett schlief. Es hatte ihn unbewusst lächeln lassen, doch nun blickte er sich angespannt um. Sie war weg. Nakita war nicht da. Für einen kurzen Moment wallte in ihm Angst auf, dann jedoch sammelte er sich und trat aus dem Zelt hinaus. Keine Wache stand davor. Er musste gestern Abend vergessen haben, einen Korporalki mit der Wache zu beauftragen. Er ärgerte sich selbst über sein Versäumnis. Kurz sah er sich um, als er sie jedoch nicht in unmittelbarer Nähe ausmachen konnte, stapfte er zu Ivans Zelt. Die anderen Soldaten machten einen großen Bogen um ihn, als sie seine düstere Stimmung bemerkten. Bei Ivan und Fedyor angekommen bemerkte er, dass die beiden noch schliefen. Er weckte sie unsanft und erteilte sofort den Befehl, das Lager nach dem Mädchen abzusuchen. Fedyor grummelte und auch Ivan sah wütend aus, dennoch standen beide sofort auf, warfen sich ihre Kefta über und folgten ihm nach draußen. „Ich werde in Richtung der Flur gehen, vielleicht war sie neugierig und wollte sie sich näher ansehen." Sagte Ivan und ging mit Zustimmung des Generals los. Fedyor würde das Camp im Umkreis des Zeltes durchsuchen und die Kreise immer größer ziehen, bis er sie fand. Damit ging auch er davon. Ratlos blieb General Kirigan stehen. Dann dachte er nach. Ein Sonnenstrahl blendete ihn, die Sonne kam hinter einem Hügel im Osten hervor. Sie kannte sich im Lager nicht aus, doch war Nakita gerne alleine und frei, er vermutete, dass sie in Richtung der aufgehenden Sonne gegangen war. Sofort setzte er sich in Bewegung und steckte bei der Essensausgabe zwei Stücke Brot ein. Er bemerkte die angstvollen Blicke, die ihm von den Soldaten der ersten Armee zugeworfen wurden. Er ignorierte sie, doch fürchtete, dass die Soldaten an Nakita gesehen hatten. Die erste Armee war nicht für die Achtung der Grisha bekannt. Nakita war ein hübsches Mädchen... eine hübsche Frau. Sie hatte zur Verteidigung ihre Kräfte, dennoch fürchtete er, was den Soldaten durch den Kopf ging, als sie sie sahen. Er verspürte Wut, dass sie bereits am ersten Morgen ausriss. Als er den Hügel erreichte standen die meisten anderen auf und gingen. Seine Präsenz ertrugen nur wenige Soldaten der ersten Armee. Nur eine Person blieb auf einem Stein sitzen und sah geistesabwesend zu der aufgehenden Sonne, die den Hügel in oranges Licht tauchte. Er blieb kurz stehen und musterte die Gestalt. Es war eindeutig Nakita, nur schwer verkennbar bei ihrer Kefta. Als er sie jedoch sah und ihn Erleichterung durchflutete, spürte er, wie die Wut ihn verließ. Leise ging er zu ihr und ließ sich dann neben ihr nieder. Sie erschrak und blickte zu ihm auf. Dann entspannte sie sich wieder. „Ach du bist es Aleksander, guten Morgen." Sagte sie wieder ruhiger und wandte ihren Blick erneut der Sonne zu. Er schnaufte. „Es wäre ein guter Morgen, wenn ich nicht mehrere Grisha, mich eingeschlossen, hätte nach dir suchen lassen müssen." Sie sah ihn überrascht an. „Warum denn das?" Er runzelte die Stirn. „Wir sind hier im Kriegsgebiet, du kannst nicht einfach unbehelligt umherwandern, zudem ohne dass du dich auskennst. Außerdem solltest du dich vor den Soldaten der ersten Armee in Acht nehmen." Das letztere sagte er leiser und sah sich zur Sicherheit um, damit niemand sonst seine Worte vernahm. „Tut mir leid. Ich dachte hier ist es sicher." Sagte sie und ernsthafte Reue stand in ihrem Blick. Überrascht sah er sie an. Sie entschuldigte sich so gut wie nie, etwas musste sich verändert haben. „Ich wollte dich nicht wecken und das Lager etwas erkunden. Ich hab mich eingesperrt gefühlt." Er nickte und war dankbar für ihre Ehrlichkeit. „Du wolltest mich nicht wecken?" Sie zuckte mit den Schultern. „Du sahst müde aus. Vielleicht sollte ich auf dem Feldbett schlafen oder ..." Neugierig sah er sie an. „Oder?" Sie seufzte und rieb sich über die Stirn. „Nicht so wichtig. Du solltest auf jeden Fall in deinem Bett schlafen, das Feldbett ist doch viel zu klein." Er versuchte mit dem Gefühl umzugehen, dass ihn plötzlich erfasste. Nun saß jemand vor ihm, der sich wirklich, ernsthaft um sein Wohlbelangen sorgte. Er spürte eine innere Wärme und Geborgenheit, wie er sie sonst nur in den Schatten seiner Kraft verspürte. Sie gab ihm ein Gefühl von Heimat, obwohl er soweit vom Palast entfernt war. Er legte ihr einen Arm um den Rücken und dachte darüber nach, was sie hatte sagen wollen. Wollte sie vorschlagen, dass sie woanders nächtigte? In einem anderen Zelt? Er schüttelte geistesabwesend den Kopf, das würde er nicht zulassen.

Nakita spürte seine warme Hand auf ihrem Rücken und lehnte sich leicht gegen Aleksander. Sie genoss den kurzen Moment der Zweisamkeit und traute sich nicht ihre Gedanken auszusprechen. Sie konnte ihm einfach nicht vorschlagen, mit ihr zusammen in dem großen Bett zu schlafen. Zwar war das Bett tatsächlich groß genug, doch sie fürchtete um die Bedeutung einer solchen Geste. Zudem würde sie niemals solche Ausflüge heimlich machen können, wenn er neben ihr läge und sofort mitbekäme, wenn sie aufsteht. Ihre Wangen färbten sich leicht rot bei dem Gedanken. Plötzlich griff er in seine Tasche und holte Brot heraus. Er gab ihr ein Stück und aß das andere selbst. Sie zögerte und begutachtete das Brot. „Ich hab eigentlich keinen Hunger." Sagte sie leise. Er blickte zweifelnd von seinem Essen auf. „Das höre ich seit Tagen von dir. Schmeckt dir das Essen nicht oder was ist los?" Sie schüttelte den Kopf, auch früher hatte sie sich oft mit einfacher Kost begnügt, sie störte sich nicht am Brot. „Nein daran liegt es nicht. Es ist nur, diese Unruhe in mir sorgt dafür, dass ich keinen Hunger habe. Meine Gedanken rasen und ich habe ..." Er sucht den Augenkontakt und fand sich in seinen Gedanken bestätigt. „Du hast Angst." Stellte er fest. Sie antwortete nicht und sah wieder zum Brot, von dem sie ein kleines Stück abriss. „Sind wir mal ehrlich. Wenn die Fjerdan mich erwischen bin ich so gut wie tot. Und es hat gestern nicht einmal zwei Minuten gedauert, bis du verschwunden warst und ich komplett allein an einem fremden Ort war. Du bist Befehlshaber, du hast andere Aufgaben als auf mich aufzupassen. Doch ich wittere überall die Gefahr und fühle mich schutzlos. Ich kenne niemanden außer dich und ein paar der Korporalki, die mit uns reisten." Er strich sich eine Strähne zurück und verdaute ihre Worte, wissend, dass sie Recht hat. „Aber allein durch das Lager zu irren, ohne das jemand weiß wo du bist, das verbessert die Lage nicht, Nakita." Sie nickte. „Ich weiß. Ich wäre nur gern woanders." Er spürte einen Knoten in seinem Magen, als ihm bewusst wurde, wie attraktiv eine Flucht wieder für sie zu sein schien. Doch er würde sie nicht gehen lassen, ganz gleich was es kostet, dessen war er sich ebenfalls bewusst. Deshalb beugte er sich zu ihr und küsste sie. Sie erwiderte den Kuss und berührte Aleksanders Hand. Dann jedoch rief sie sich in Erinnerung wo sie war und löste sich wieder von ihm. „Was wenn uns jemand sieht, du hast einen Ruf zu verlieren." Er schnaubte. „Es geht mir nicht um meinen Ruf, sondern lediglich um deine Sicherheit." Sie nickte. „Komm, gehen wir zurück." Sie zögerte und sah ihn nachdenklich an. Dann spannte sie sich an. „Ich habe eine Bedingung." Sagte sie leise und er sah sie aufmerksam an, bedeutete ihr, fortzufahren. „Von nun an, nimmst du mich mit zu deinen Beratungen. Ich interessiere mich für militärische Taktik und werde dich nicht blamieren. Ich werde mich nicht einmischen. Ich wäre sozusagen dein stiller Schatten. Aber bitte, lass mich nicht wieder Stunden zurück. Sonst werde ich wieder durch das Lager wandern und darüber hinaus, soweit mich meine Beine tragen." Er warf ihr einen skeptischen Blick zu, gab sich aber dann geschlagen. „Na schön, wie du willst. Aber du wirst dir noch wünschen ich hätte dich nicht mitgenommen. Die Sitzungen sind langweilig und die Offiziere der ersten Armee rau und unhöflich. Sie werden keinen Hehl daraus machen, was sie von dir halten." Nakita lächelte. „Gut, ich auch nicht." „Eins noch, Nakita. Du blamierst mich nicht. Schätze dich selbst nicht so gering. Du bist einzigartig und stark. Du trägst nicht ohne Grund eine schwarze Kefta. Wenn, dann blamieren sie sich vor dir. Diese Mentalität wird dir helfen." Sie sah ihn fragend an. „Helfen womit?" Er lächelte. „Es wird dir helfen, deinen Platz in der Nahrungskette zu finden. Du bist Trägerin einer schwarzen Kefta und unterstehst meinem Schutz. Du stehst über ihnen allen, vergiss das nicht." Sie nickte, erstaunt von dem Gewicht seiner Worte. Sie ertappte sich dabei, wie sie sich selbst immer noch als wandernde Künstlerin, einsamen Wolf identifizierte. Oder nur als die blaue Flamme. Doch er hatte Recht. Sie war weitaus mehr als das und langsam begann sie, ihren eigenen Wert zu realisieren. Nun galt es, sich auch dementsprechend zu verhalten.

Das Spiel mit dem Feuer - General Kirigan fanfictionWhere stories live. Discover now