Kapitel 1

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Das große Fest

Blitzende Augen sahen ihr entgegen. Die einen freudig erleuchtet, voller Neugierde und Begeisterung, die anderen misstrauisch, fürchtend. Manch andere Augen wandten sich ihr nicht direkt zu, dennoch verharrten ihre Besitzer in der Nähe, unsicher, was zu tun sei. Nakita kannte alle Reaktionen, doch die letzte Art von Reaktion verärgerte sie stets. Sie wusste, dass viele das Feuer fürchteten und nur wenige sich davon begeistern ließen und dennoch, so hatten beide Ansichten etwas gemein, sie hatten eine Entscheidung getroffen, wie sie zu dem Feuer stehen. Nakita gehört jedoch selbst zu den Unentschlossenen und verabscheute sich für den Zwiespalt. So viel Unglück hatte Feuer über sie gebracht und dennoch auch so viel Gutes. So viel Leid schrieb sie dem Feuer zu, doch auch so viele Chancen. Feuer war der Teil von ihr, der sie nicht hungern ließ, aber für Einsamkeit sorgte. Er ließ sie sich verstecken und doch der ganzen Welt zeigen. Langsam ließ sie die Flammen über ihre Finger tanzen, mit winzigen geübten Bewegungen verwandelte sie die Flammen in kleine galoppierende Pferde, sehr zur Freude der Kinder, oder in große beeindruckende Vögel, zum Erstaunen der Erwachsenen. Gopia, der Zirkus Inhaber, stand wie stets neben der Bühne und begutachtete die Künste seiner neusten Attraktion. Er kannte sie noch nicht lange, aber er war begierig ihre Talente auszunutzen, um möglichst viel Geld in die Kassen zu spülen. Zwar hatte er nicht viel übrig für die ruppige Grisha, jedoch schätzte er ihr Talent. Insbesondere dafür, dass ihr Talent ihm einen Auftritt im großen Palast eingebracht hatte. Die Königin war sehr generös, weshalb er sich Hoffnungen machte, sie würde über das vereinbarte Budget hinaus zahlen, um ihrer Begeisterung Ausdruck zu verleihen. Nakita beendete ihre Vorstellung und wurde auf der Bühne von zwei Artisten abgelöst, die breit grinsend ihre Tricks zum Besten gaben. Schnell verließ sie die Bühne, ein Lächeln vortäuschend, welches sie sofort hinter der Bühne absetzte. Gopia nickte ihr nur zu. Natürlich hatte der ältere leicht dickliche Mann Gefallen an ihren Fähigkeiten gefunden, aber ihr entging nicht, dass er sie als Person nicht sehr zu schätzen schien. Es überraschte sie nicht, sie war eine Grisha, wenn gleich sie auch nie im kleinen Palast aufgewachsen war, die Leute hielten Abstand von ihr, da sie sie für hochnäsig hielten. Es war ihr nur recht, da sie meist keine engen Bindungen eingehen wollte. Nur wenige gute Freunde hatte sie in ihren 20 Jahren Leben erfahren, aber keiner von ihnen lebte mehr. Deshalb kam sie irgendwann zu dem Entschluss, sich fernzuhalten. Mit der Abneigung gegenüber Grisha machten es ihr viele leicht. Die Einsamkeit überkam sie häufig nachts, wenn ihr Kopf frei war und sie keinen Dingen nachging. Ausgelaugt griff sie nach etwas Wasser und stürzte es ihre trockene Kehle hinab. Die blaue Flamme, ihre Spezialität, kostete sie viel Energie, mehr als normales Feuer. Die Konzentration die die minimalistischen Bewegungen von ihr forderten, um kleine Figuren zu formen, taten ihr übriges, sodass sie stets erschöpft von der Bühne trat.

„Die Menschen waren begeistert!" Sagte Gopia abschätzend und blickte sie an. Sie nickte und sah ihn abwartend an, nicht sicher, warum er das Gespräch suchte. „Nun" fuhr er fort „In ein paar Tagen ist die Feier im großen Palast." Nakita nickte, damit er weiterredete. „Da du dort die Abschlussnummer sein wirst solltest du dich ausruhen. Du beherrscht die Nummer, aber ich will sichergehen, dass du genug Kraft an dem Tag hast. Der Auftritt muss gelingen, er ist das Letzte was den Leuten im Gedächtnis bleibt und ich hoffe auf die große Generosität der Königin." „Natürlich." Erwiderte sie nur wortkarg wie immer, er nickte nun ebenfalls und setzte seinen Gang zu den anderen Künstlern fort. Unruhig strich sie sich eine Strähne aus dem Gesicht, sie wusste, dass der Auftritt Fluch und Segen zugleich war. Noch nie war sie dem kleinen Palast so dicht gekommen, der Ort, an dem alle Grisha unterrichtet und in ihren Kräften gelehrt werden. Sie hatte es eigentlich auch nicht vor, jedoch war der Auftritt im großen Palast eine gute Möglichkeit, viel Geld einzustecken. Geld das sie dringend brauchte. Allerdings glich es einem Drahtseilakt. Sie wusste nicht viel von dem kleinen Palast. Sie hoffte, dass niemand merken würde, dass sie eine fremde Grisha ist, die dort nie unterrichtet wurde. Sie konnte sich jedoch auch nicht vorstellen, dass irgendjemand dort genau wusste, welche Grisha wann unterrichtet wurde. Sie selbst hatte nie Ambitionen teil der zweiten Armee zu werden, sie wusste, wäre sie im kleinen Palast aufgewachsen, dann wäre sie mit ihrer Gabe zum Dienst an der Waffe gezwungen worden. Sie konnte sich einfach nicht vorstellen ihr Leben Tag ein und Tag aus an der Front zu verbringen, gegen Fjerdan zu kämpfen und im Dreck zu hausen. Ihr jetziges Leben gefiel ihr zwar auch nicht gut, aber immerhin war sie frei.

Die Tage vergingen und der Auftritt im Palast rückte nahe. Immer öfter lag Nakita nachts wach und grübelte über alles nach. Es beschlich sie das Gefühl, dass sie einen Fehler machte. Sie saß neben Gopia in der Kutsche, in der allerlei Material für den Auftritt lagerte. Immer wieder beäugte der unangenehm riechende Mann sie von der Seite. „Du musst morgen unbedingt bei vollen Kräften sein, geh heute früher schlafen." Sagte er, während die Räder der Kutsche unruhig über das Pflaster rappelten. Sie hielt sich an dem Holzbrett links von ihr fest und ignorierte das unschöne holprige Gefühl. „Gopia was wisst ihr über den Palast?" Fragte sie leise, erstaunt blickte der Mann wieder zu ihr, da sie nur selten von sich aus das Gespräch fortführte. „Warum fragst du mich das? Was soll ich da schon wissen, er ist groß und voller Leute mit zu viel Geld." Nakita blickte nachdenklich zu dem Tor welches sie sich näherten. „Und was wisst ihr über den kleinen Palast?" Fragte sie noch ein wenig leiser, so dass er Mühe hatte, sie zu verstehen. Er musterte sie kurz. „Eigentlich müsste ich das doch dich fragen, Grisha." Sie sah kurz zu ihm, doch blieb stumm. Leise seufzte er und sagte „Ich habe schon lange geahnt, dass du den kleinen Palast noch nie von innen gesehen hast. Dann solltest du umso mehr auf der Hut sein." Er schien nachdenklich und sie war überrascht, dass der unscheinbar wirkende Mann so schnell ihre Situation erfasst hatte. „Woher?" Fragte sie leise, doch er unterbrach sie. „Ich bitte dich. Du bist zwar noch nicht lange bei uns, aber dass du keine typische Grisha bist sieht ein Blinder." Seine Antwort beunruhigte sie, wenn ein alter Mann sie bereits so schnell durchschaute, was würde dann erst im Palast geschehen. Er räusperte sich. „Hör mal, mir liegt viel daran, dass du dich nach deinem Auftritt morgen unverzüglich ausruhst." Er wurde noch ein bisschen leiser und beugte sich leicht zu ihr, da sie bereits fast das Tor und damit die Wachleute erreicht hatten. „Und damit meine ich, dass du nach dem Auftritt sofort verschwindest. Ich hole dich in ein paar Tagen in Os Alta ab, du hast mein Wort, du wirst dein Geld kriegen." Sie drehte ihren Kopf ruckartig zu ihm. „Nein. Ich will mein Geld nach dem Auftritt. Sofort." Er schüttelte den Kopf. „Und riskieren dass jemand Fragen stellt? Nein. Wir machen es so, ich gebe dir einen Anteil und den Rest in Os Alta." Verstimmt runzelte sie die Stirn, sie wusste dass ihr nur diese Möglichkeit bleib oder gar nicht dabei zu sein. Aber kein Geld zu verdienen würde für sie bedeuten, dass sie bald hungern müsste und das war ihr auch nicht möglich. „Wie du willst alter Mann." Sagte sie leise und sah wie er ihr einen warnenden Blick zuwarf, bevor er einen strahlendes unschuldiges Lächeln aufsetzte und die Wachen wie alte Freunde begrüßte. Skeptisch musterten die Wachen die Kutsche und den Auftragsschein. Allerdings stellten sie nicht viele Fragen, als sie das königliche Wachssigel auf dem Auftrag des Zirkusleiters sahen und ließen die Kolonne der Zirkusleute passieren. Bald kam der Palast in Sicht. Nakitas Unruhe stieg immer mehr, sie fürchtete, dass sie als ungelehrte Grisha, als Kriegsdienstverweigerin enttarnt würde, da ihre blauen Flammen sehr speziell waren und sie unverwechselbar machten. Sie seufzte leise und sah sich gründlich um, um nach Fluchtmöglichkeiten Ausschau zu halten. An jedem Ausgang standen Wachen, doch nicht viele von ihnen waren Grisha. Denn sie trugen nicht die Kefta, ein typischer Mantel und Erkennungszeichen von Grisha, aus besonders edlem Material. An der Kefta konnte man die Fähigkeit des Grishas erkennen. Sie selbst hatte nie so einen Mantel gehabt und war auch nicht begierig darauf, da es sie außerhalb des Palastes zu einer lebenden Zielscheibe machen würde. „Da hinten sind die Stallungen, ziemlich abgelegen vom Palast und nah am östlichen Ausgang." Sagte Gopia betont beiläufig und ergänzte. „Aber ziemlich weiter Weg vom Palast aus." Sie nickte und legte sich eine Strategie zurecht, zumindest versuchte sie es, denn die Gegebenheiten waren gänzlich ungünstig für eine schnelle Flucht.

Der Abend verging schnell, die Zirkus Artisten hatten alle eine Kammer zugewiesen bekommen und legten sich früh schlafen, keiner von ihnen konnte sich am nächsten Tag einen Fehler erlauben. Nur Nakita lag noch lange wach. Außer dem Ort der Bühne kannte sie nicht viel vom Palast, der jedoch riesig aussah. Sie fürchtete wie viele Wachen sich morgen dort aufhalten würden.

Das Spiel mit dem Feuer - General Kirigan fanfictionDonde viven las historias. Descúbrelo ahora