Kapitel 10

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Lektion

Unruhig ging General Kirigan in seinem Arbeitszimmer auf und ab. Ihm war klar, dass er selbst Nakita die Bewegungsfreiheit im Palast zugesagt hatte und dennoch überspannte sie den Bogen erneut. Kein Tag mit ihr verlief ruhig und er hatte keine Zeit für wichtige Kriegsbesprechungen mit hohen Generälen, da er ständig das sture Mädchen suchen oder retten musste. Fahrig strich er sich eine Strähne aus der Stirn. Er selbst musste in einigen Tagen wieder an die Front aufbrechen und sich einen Bild vom Zustand seiner Soldaten machen, er hatte keine Zeit sich mit ihr zu streiten. Immer wieder wog er die Möglichkeiten ab. Würde er ihr mehr Freiheiten lassen, würde sie flüchten, denn sie testete mit ihrem Verhalten bereits Grenzen aus. Würd er sie allerdings einsperren, so würde ihr Vertrauen zu ihm bröckeln und die Möglichkeit sie als Soldatin zu gewinnen tendierte gegen null. Ihr nur wenig Freiheiten zu lassen ging aber auch nicht, wie der heutige Tag ihm bewiesen hatten, da sie sich dann zu viel herausnahm. Es war ein Dilemma für ihn und dabei hatte er große Hoffnung, dass sie ein mächtiges Mittel im Kampf sein könnte. Leise klopfte es und Nakita betrat den Raum. Ohne ihre Kefta sah sie deutlich jünger und weniger streng aus. Der General nickte und wies sie an, sich hinzusetzen. „Ich habe mir etwas überlegt." Setzte er an, als sie sich hingesetzt hatte. „Ich muss in ein paar Tagen aufbrechen und möchte, dass du mich begleitest, Nakita." Überrascht hielt sie in ihrer Bewegung inne. Sie wusste nicht, warum er ihr eine Fluchtmöglichkeit auf dem Silbertablett serviert, aber sie hörte erst einmal aufmerksam zu. „Ich werde in Richtung Kribirsk aufbrechen. Meine Anwesenheit ist dort erforderlich." Sofort lehnte sich Nakita etwas enttäuscht zurück. Das war alles andere als ideal, in Kribirsk war die Front. Direkt an der Schattenflur. Dort wollte sie bestimmt nicht hin. Und in Anbetracht der dort anwesenden Soldaten, war eine Fluchtmöglichkeit mehr als unwahrscheinlich. „Du siehst nicht begeistert aus, ich dachte du freust dich, wenn du mal etwas rauskommst." Fragte er bedächtig und versuchte ihr Körpersprache zu lesen. Sie blieb still und sah ihn nur an, sie hatte nichts zu sagen, da es eh seine Entscheidung war. „Nakita" sagte er leise und griff nach ihrer Hand. „Sprich mit mir." Misstrauisch sah sie auf seine Hand. „Habe ich eine Wahl?" Er schmunzelte. „Die hast du nicht. Aber du kannst mir trotzdem sagen was du denkst." Sie schüttelte den Kopf. „Wie ihr befehlt, moi Soverenyi, dann begleite ich euch." Seine Augen funkelten. „Gut. Aber sei dir einer Sache gewiss, du wirst nicht entkommen. Ich werde die ganze Zeit bei dir sein und ich bin nicht so unaufmerksam wie manche Wachen." Innerlich seufzte sie, doch äußerlich blieb sie ruhig. „Natürlich, General." Er nickte. „Gut. Dann geh jetzt zu deinen anderen Unterrichtsstunden." Sie zog eine Augenbraue hoch. Er lächelte „Keine Angst, es ist nicht Schreiben und Lesen lernen." Sie lächelte ihn betont falsch an und zischte „Wie schön." Ehe sie aus dem Raum verschwand. „In der Tat" murmelte Kirigan noch leise und betrachtete ihre schöne Gestalt, doch sie hörte ihn bereits nicht mehr.

Ivan und Fedyor begleiteten sie zu ihrem Missfallen zu allen weiteren Stunden, so dass sie sich am Ende des Tages müde und genervt ins Bett fallen ließ. Selbst dem Abendessen blieb sie fern, auch wenn sie Hunger hatte. Aber mit Ivan und Fedyor als Wachhunde hatte sie keine Lust wieder wie ein Sträfling unter den Blicken aller zu essen. Nachdenklich sah sie sich in ihrem Zimmer um. Sie hatte sich zugegeben schnell an den neuen Komfort gewöhnt. Der Gedanke irgendwo in Kribirks auf harten Feldbetten zu schlafen stieß ihr Übel auf. Insbesondere wenn sie daran dachte, wie hoch die Wahrscheinlichkeit war, dass es einen Zusammenstoß mit Fjerdan geben könnte. Immer noch erinnerte sie sich lebhaft an den Tag, an dem sie sich das erste Mal auf einem Steckbrief wiedergefunden hatte. Es war ein Bild von ihrem jüngeren Ich, jemand hatte in der Sprache der Fjerda das Wort „Hexe" darunter geschrieben und ein Kopfgeld auf sie ausgesetzt. Ungläubig hatte sie den Steckbrief abgerissen und die Zeichnung von sich betrachtet. Unter anderem wurde ihr Mord zu Last gelegt. Seitdem hatte sie sich meist nur noch in den Schatten bewegt, ihr Gesicht verdeckt und versucht nicht aufzufallen. Bis zu dem Tag, als sie dem Zirkus beitrat. Wenn sie jetzt daran dachte, in welcher Gefahr sie in Kribirks schweben würde, dann würde sie lieber von Volcra in der Flur getötet werden, als von den Fjerdan elendig gefoltert und ertränkt. Wütend schmiss Nakita einen Kerzenständer gegen die Wand. Es klirrte fürchterlich und kurz hatte sie ein schlechtes Gewissen wegen des teuren Silbers, doch dann war es ihr egal, als sie daran dachte, wie unfreiwillig sie hier war. „Miss Belyaeva?" Kam es sofort von draußen vor der Tür. Sie konnte die Stimme nicht zumuten und ordnete sie einen Korporalki zu, der die Wache von Ivan und Fedyor übernommen haben musste. Sie rollte nur mit den Augen und ignorierte die Wache. Doch diese gab keine Ruhe und klopfte erneut. Wütend raufte sie sich die Haare und ließ sich auf den Boden fallen. Eine Kreis von Flammen umgab sie, entfacht von ihrer Wut und unkontrolliert. Verloren bettete sie ihren Kopf auf ihren Knien und versuchte zu atmen, um den Stress zu kontrollieren. „Verschwinde endlich du nutzloses Feuer!" Zischte sie leise und starrte in die Flammen. Die Wache fing nun an an der Tür zu ruckeln, ohne erfolg, da die Tür abgeschlossen war. „Miss Belyaeva öffnen sie unverzüglich die Tür!" Sagte eine andere Wache lauter. Dann hörte sie, wie sich Schritte von der Tür entfernten. Sie atmete durch und konzentrierte sich wieder auf sich. „Kontrolle, los Nakita" zischte sie sich selbst leise zu, doch es gelang ihr nicht. Als immer noch nichts geschah, seufzte sie und gab auf. Sie setzte sich in den Schneidersitz und beobachtete einfach nur ihre eigenen Flammen. Es hatte etwas Hypnotisierendes, so dass sie nicht bemerkte, wie sich erneut Schritte der Tür näherten.

Das Spiel mit dem Feuer - General Kirigan fanfictionWhere stories live. Discover now