68. Geschmack der Veränderung (1)

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Als ich wieder aufwache, sind wir fast an der Villa Belluco angekommen. Die Straßen, die an uns vorüberziehen kommen mir so vertraut und bekannt vor. Kate hat aufgehört zu reden und sieht nun ebenfalls stumm aus dem Fenster. Die Sonne ist bereits untergegangen und draußen ist es dunkel. Nur schwach huscht das Licht der Straßenlaternen über meine müden Beine.

Ich seufze. Erschöpfung pusliert durch meinen Körper. Ich bin dreckig, hungrig und durstig. Am liebsten wäre ich jetzt nach Hause gefahren statt zur Villa Belluco. Um ehrlich zu sein, habe ich nicht sonderlich viel Lust, den Mitgliedern des Geheimbundes zu erzählen, was ich heute herausgefunden habe und ich hoffe, dass niemand nachfragen wird, wie ich auf die Idee gekommen bin, Leonardo Falcini könnte noch am Leben sein.

Doch ich ahne schon, dass ich nicht ohne Erklärungen davon kommen werde. Spätestens als mein Vater das Auto auf den Kiesweg vor der Villa Belluco lenkt und ich die vielen Autos auf dem Parkplatz vor dem Hauptquartier des Geheimbundes sehe, weiß ich, dass heute noch ein längerer Abend wird. Hier ist tatsächlich mehr los als bei den monatlichen Treffen.

Alessia, ihre Freundin, Philippe, Susanna und eine der Frauen, die mit in Apice waren, warten bereits vor dem Eingang der Villa Belluco auf uns. Als sie uns sehen, kommt Alessia strammen Schrittes zu uns gelaufen.  „Mein Vater und Lucca sind noch unterwegs", erklärt sie ohne Umschweife, „aber es dauert nicht mehr lange, bis sie hier sind. Vielleicht so zehn Minuten. Wir warten noch auf sie und werden dann mit ihnen zusammen die Neuigkeiten verkünden. Wenn ihr wollt, könnt ihr schon mal reingehen. Rosalinda, Timothy und Fiona sind da. Und Fiona hat ihren Freund mitgebracht."

„Ist gut", antworte ich. Am liebsten hätte ich mich hingesetzt und hier, vor dem Eingang der Villa, auf Lucca und Pietro gewartet, doch meine Schwester sieht mich auffordernd von der Seite an. Deshalb trete ich gemeinsam mit Kate und meinem Vater über die Schwelle der Villa Belluco.

Wie bereits vor neun Monaten, als Kate enführt wurde, hat sich hier alles in nur kurzer Zeit komplett verändert. In die große Empfangshalle wurden Tische gestellt, zwischen denen die Mitglieder des Geheimbundes herumwuseln. Ein bisschen erinnert es mich an ein Polizeirevier im Fernsehen. Alles ist laut und hell. Eine komplette Reizüberflutung.

Die Mitgleider quatschen hektisch miteinander und sind augenscheinlich sehr beschäfttigt. Kaum jemand hat unser Eintreten bemerkt. Lediglich eine Frau, die ich von den monatlichen Treffen des Geheimbundes kenne, kommt zielstrebig auf uns zu. „Wie gut, dass ihr da seid. Habt ihr etwas von den anderen gehört? Ich habe nur mitgekriegt, dass die Cinquenti geflohen sind und dass Giacomo Neuigkeiten zu verkünden hat", sagt sie.

„Den anderen geht es gut", antworte ich, „Giacomo kommt gleich und dann wird er alles noch einmal genauer erzählen." Soll er dem Geheimbund dosch sagen, was passiert ist.

Einer der Mitglieder erkennt meinen Vater, denn er stupst die Frau an, die neben ihm steht und deutet nicht mal unauffällig in unsere Richtung. „Ist das nicht Ernesto? Wo kommt der denn auf einmal her?!" Doch er spricht uns nicht darauf an.

Plötzlich stürmt Mum von der Seite auf uns zu. Erschrocken zucke ich zusammen. Ihr Gesicht ist knallrot und ihre Augen sind geschwollen. Sieht ganz so aus, als hätte sie geweint. Ehe ich mich versehe, schließt sie Kate und mich in ihre Arme. Ich lasse die Umarmung steif über mich ergehen. „Ich habe mir solge Sorgen gemacht", schluchzt sie. Sie lehnt ihr tränennnassens Gesicht gegen meine Schulter und drückt mich noch enger an ihre Brust. Ein scharfer Schmerz durchzuckt meine linke Flanke.

„Alles gut, Mummy", flüstert Kate und streicht Mum über den Rücken.

Dann fällt Mums Blick auf meinen Vater. Augenblicklich versteift sie sich. Sie hört sogar auf zu weinen. Erschrocken lösst sie uns los und richtet sich kerzengerade auf, nur damit ihre Schultern schon im nächsten Moment wieder nach unten sacken.

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