8. Wenn es rote Rosen regnet (1)

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Die Tage bis zu meiner Verabredung mit Philippe verbringe ich mit Lernen. Wie immer in letzter Zeit fühle ich mich bereits mittags vollkommen ausgelaugt, sodass ich trotz des nasskalten Wetters damit anfange, in den Pausen eine kleine Runde joggen zu gehen. Ich weiß, dass das Pensum, was ich mir antue, auf Dauer nicht gesund ist. Viel zu oft hat mir Alessia schon etwas von Stressbewältigung vorgebetet. Aber ihr muss doch auch bewusst sein, dass es nun mal notwendig ist, so viel zu lernen.

Außerdem versuche ich, ein bisschen in das Tagebuch zu schreiben, das mir meine Großeltern zum achtzehnten Geburtstag geschenkt haben. In den Weihnachtsferien habe ich die Ereignisse des letzten Jahres darin festgehalten, weil ich das Gefühl hatte, sie irgendjemandem mitteilen zu müssen. Dabei kam ich mir vor wie Maria Vecca, die ihre Erlebnisse aus demselben Grund aufgeschrieben hat. Ein bisschen hat das sogar geholfen.

Diesmal wollen mich die Worte jedoch nicht verlassen und sich auf dem Papier zu einer Geschichte zusammen fügen. Ein paar Sätze purzeln holprig aus der Mine meines Stifts, aber sie erscheinen mir zu plump, um das festzuhalten, was gerade in mir vorgeht. Als wäre ich ausgebrannt und sie mit mir.

Am folgenden Freitag treffe ich mich mit Pietro zum Lernen, bevor ich am Abend mit Philippe verabredet bin. „So willst du aber nicht mit ihm ausgehen?", fragt Pietro und deutet auf meine Kleidung. Ich trage eine Jogginghose und ein T-Shirt mit Totenkopfaufdruck. Die dunklen Haare habe ich lose zu einem Knoten in meinem Nacken zusammengebunden.

Auf seinen Kommentar hin zucke ich nur mit den Schultern. „Wieso nicht?", frage ich. Als ob ich mich für Philippe extra hübsch machen würde. Auf gar keinen Fall. Wenn er mit mir ausgehen will, dann soll er mich auch bekommen und zwar so, wie ich eben bin.

„Nun ja... also heute ist Valentinstag", meint Pietro, „da sind bestimmt alle schick."

„Was zur Hölle?!" Ich angele mir ein Handy, um aufs Datum zu schauen. Tatsächlich, wir haben den vierzehnten Februar. Wenn ich das gewusst hätte, hätte ich niemals diesen Tag für unser Treffen vorgeschlagen.

Auf Pietros Drängen hin wechsele ich jedoch meine Hose und kämme mir die Haare. Sogar ein bisschen Wimperntusche lege ich auf. Ich seufze. Eigentlich ist das eine ziemliche Verschwendung. Blöder gesellschaftlicher Druck!

„Das mache ich nicht noch einmal", fluche ich. Pietro scheint das allerdings ziemlich zu amüsieren, genau wie Kate, die sich zu ihm aufs Bett setzt und mir dabei zusieht, wie ich Makeup auflege. „Du solltest öfter ausgehen, das wird ganz schön witzig für uns", meint sie. Dann wendet sie sich Pietro zu. „Was denkst du, sollten wir Wetten abschließen, wie lange sie es mit ihm aushält?"

„Ich sage, es sind keine fünf Minuten", entgegnet Pietro grinsend.

„Ich glaube, schon eine Stunde. Falls er ihr wirklich etwas Neues verrät", hält Kate dagegen.

„Spinnt ihr eigentlich?" Wütend wirbele ich herum. In meinen Blick versuche ich dabei so viel Wut und Energie wie möglich zu legen. Tatsächlich verstummen die beiden für einen Moment. Aber Kate kennt mich zu gut. Sie weiß, dass ich nicht wirklich lange sauer sein kann, deshalb grinst wie schon kurz darauf wieder breit.

„Nö."

„Ich meins ernst, darum wird nicht gewettet!" Genau in diesem Moment klingelt es an der Tür. Hastig schnappe ich meine Tasche und verlasse das Zimmer. Nicht dass Kate und Pietro am Ende noch auf die Idee kommen, sie könnten sich in Philippes Anwesenheit über mich lustig machen.

Schwungvoll öffne ich die Tür. Philippe sieht fein und gestriegelt aus. So wie immer. Ein schwarzer Stoffmantel hängt über seinen Schultern und die Lederschuhe, die er trägt, sind definitiv nicht für den Matsch auf den Straßen gemacht. „Guten Abend", sagt er.

Die ElementeWhere stories live. Discover now