28. Zugfahrt ins Ungewisse (4)

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Im ersten Moment bin ich völlig perplex und auch Toscanis Mitarbeiterinnen sehen mich verwirrt an. „Was war das denn?", will eine von ihnen wissen.

Lucca und ich wechseln einen Blick. Dann sprinten wir Toscani hinterher, ohne auch nur einen Augenblick zu zögern. Seine Angst scheint Toscani Schnelligkeit zu verleihen, denn schon bald ist er nirgends mehr auszumachen. „So ein Mist", fluche ich. Lucca und ich sehen uns in dem Foyer um. Überall wimmelt es nur so von Leuten, doch Toscani kann ich nirgends entdecken. Weder bei den Postern, noch auf der Treppe, die ins Obergeschoss führt. So viel Schnelligkeit hätte ich dem kleinen, gebückten Mann gar nicht zugetraut.

„Da", ruft Lucca plötzlich und deutet auf einen schmalen Seitengang. Dort steht Toscani und schaut sich hektisch um. Scheinbar möchte er sich vergewissern, ob wir ihm folgen. Doch er kann uns in der Menge der Menschen nicht ausmachen. Trotzdem stürmt es so schnell es geht weiter davon. Währenddessen schieben Lucca und ich uns an den Anwesenden vorbei. Wann immer wir ein bisschen Platz finden, rennen wir. Der Absatz meiner Schuhe schlägt hart auf den schwarzen Marmorboden und für einen Moment wünsche ich mir, ich hätte noch meine Sneakers an. Mit denen könne ich jetzt wenigstens vernünftig rennen.

Immer wieder schiebe ich Leute beiseite, die uns den Weg versperren. Meistens bekomme ich dann empörte Ausrufe zu hören, doch das ist mir egal. „Also wirklich", beschwert sich eine Frau, „solch ein unzivilisiertes Verhalten."

Als wir die Stelle erreichen, an der wir Toscani zuletzt gesehen haben, ist er schon längst außer Sicht. Blindlings sprinten wir in die Richtung, in der er verschwunden ist. Durch die hohen Absätze knickt der Fuß, den ich aufsetzen möchte, unter mir weg. Fluchend entledige ich mich meiner Schuhe und renne barfuß weiter.

Der Korridor, den wir entlang hasten, führt uns zum Hinterausgang des Gebäudes. Hier befindet sich ein Parkplatz mit jeder Menge Fahrradständern. Außerdem reihen sich Vesparoller und Motorräder aneinander. In zweiter Reihe parken eine Menge Autos, darunter ein paar schickere, protzige Karren, aber auch klapprige alte Kisten.

Kaum ein Mensch ist auf dem Parkplatz unterwegs, aber Toscani stürmt unbeirrt zwischen den Autoreihen hindurch. Immer wieder dreht er sich hektisch um. Da entdeckt er uns. Seine Augen weiten sich und er beschleunigt seine Schritte noch einmal. Ohne nachzudenken rennen Lucca und ich die Treppe hinunter und über den Schotterparkplatz. Die Steine stechen in meine Fußsohlen. Trotzdem laufe ich weiter, so gut es geht. Lucca ist deutlich schneller als ich und sprintet regelrecht auf Toscani zu. Der hat mittlerweile sein Auto erreicht, einen schlichten, schwarzen BMW, der nicht weiter auffällt.

„Warten Sie doch!", ruft Lucca ihm hinterher. Währenddessen kramt er in seiner Hosentasche, so als würde er nach etwas suchen. Toscani dreht sich gehetzt zu Lucca um, der ihn beinahe erreicht hat. Ohne ein Wort zusagen, wendet er sich wieder seinem Auto zu, schließt es mit der Fernbedienung auf und schiebt sich auf den Fahrersitz. In diesem Moment erreicht Lucca das Auto. Er legt beide Hände flach auf die Heckscheibe. Doch Toscani ist gnadenlos. Ohne auf Lucca zu achten, startet er den Motor und legt den Rückwärtsgang ein. Lucca springt erschrocken beiseite, da Toscani ihn sonst überrollt hätte.

Mit quietschenden Reifen bugsiert Toscani das Auto über den Parkplatz. Obwohl meine Füße schmerzen, beschleunige ich die Schritte und versuche, ihm den Weg zu versperren. Doch auch auf mich fährt er zielstrebig und schnell zu, sodass ich aus der Fahrbahn springe. Mir bleibt nichts anderes übrig, als ihm dabei zu zu sehen, wie er mit seinem Auto auf die Straße saust. Dort reiht er sich in den Verkehr ein, wo er rechts überholt, abbiegt und aus meinem Sichtfeld verschwindet.

Zuerst versuche ich noch, dem Auto nachzulaufen, doch schon nach ein paar Metern muss ich einsehen, dass das keinen Sinn hat. „So ein Mist!", rufe ich laut aus. Ich stampfe einmal wütend auf, was angesichts der Tatsache, dass ich keine Schuhe trage, keine sonderlich gute Idee ist. Jaulend greife ich mir an die Knöchel und begutachte meine Fußsohlen. Bis auf dass sie ein paar Druckstellen aufweisen, sind sie jedoch unverletzt. Schnell krame ich in meinem Rucksack nach den Turnschuhen und ziehe sie über.

Die ElementeWhere stories live. Discover now