Rückkehr nach Tyggenburg

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Das Telefon klingelte und ich hob ab. Es war kein leichter Entschluss für mich, abzuheben, denn das Telefon meldete sich um drei Uhr morgens und ich konnte vor Müdigkeit kaum aus den Augen sehen. Trotzdem hielt ich den Hörer ans Ohr und schnaufte vernehmbar in die Muschel.

Ich kannte die Stimme.

„Hallo", sagte er.

„Nein", sprach ich und legte auf.

Christine hatte sich neben mir aufgerichtet und sah mich aus trägen Augen an. Ich drehte mich zu ihr um.

„Keine Frage", sagte ich müde, „ich gehe nicht."

Danach ließ ich mich wieder in die Kissen fallen und suchte nach dem Schlaf. Es war ein böser Schlaf. Löwen zerrissen mich in tausend kleine Stücke, die blitzschnell von Ameisen weggetragen und wieder zusammengesetzt wurden, nur um erneut wieder von den Löwen zerrissen zu werden. Dann kam endlich der Wildhüter mit dem Minenspiel meines Vorgesetzten und machte dem Spiel ein Ende. Leider erwischte er mich gerade im aufgelösten Zustand. Als er mich zusammenkehrte und ich in der Mülltonne verschwinden sollte, wachte ich auf.

„Warum schreist Du dauernd", fragte mich Christine.

„Nichts", sagte ich erschöpft und sah auf die Uhr. Es war sechs Uhr früh. Draußen zwitscherten die Vögel und die Sonne lugte durch den Vorhang. Ich kann Vögel nicht ausstehen und finde Hitze unangenehm.

Die Zahncreme schmeckt schal.

Dann klingelte das Telefon.

Christine ging dran.

Nein, hörte ich sie sagen, er geht nicht, er hat sich schon entschieden. Dankbar lächelte ich ihr zu. Warum verstand er nicht? Christine lächelte zurück, dann legte sie auf.

„Er versteht es nicht", meinte sie leise.

„Natürlich. Völlig vernagelt. Alle" knurrte ich umso lauter. Meine Stimme schwang durch das Badezimmer und ich fühlte mich sonderbar befreit. Niemand kann etwas für seine Herkunft und ich war ein autonomer Typ. Ich hauchte die Spiegelscheibe an und meinte, die Sache wäre erledigt.

Ich meinte es bis etwa halb neun Uhr.

„Marvin", erklärte ich energisch in das Telefon. „Ich will nicht. Warum versteht ihr das nicht?"

„Warum willst Du denn nicht", klang es aus der Muschel zurück.

„Ich habe es Dir schon tausendmal erklärt", brüllte ich in den Hörer, „und wenn Du noch öfter anrufst, zeige ich Dich an wegen Telefonterror."

„Das ist mir egal", erklärte Marvin und ich gab ihm leider recht. Der Tag begann fürchterlich. In der Firma streikte der Computer und alle gaben mir die Schuld. Warum mir? Ich kann nichts dafür und ich verstehe nichts von Computer, ich habe nie irgendetwas von Computern verstanden. Sie interessieren mich überhaupt nicht. Sie sind seelenlose Kästen, die mich eines Tages von meinem Job verdrängen werden. Und dann?

Auf dem blassgrünen Bildschirm erschien eine sonderbare Frage.

„Warum weigerst Du Dich?"

„Lass mich in Ruhe", brüllte ich und das ganze Büro drehte sich um. Mein Chef bekam seinen besorgten Blick und betrachtete mich mitleidend. Ich kann es nicht haben, wenn ich mitleidig betrachtet werde.

„Na und?" fragte ich aggressiv.

„Sind Sie überarbeitet", erkundigte sich mein Chef mit mitleidiger Stimme. „So eine kleine Panne..."

Es war der Stuhl, der mich auffing und das Taschentuch, das mir den Schweiß von der Stirn wischte. Danach fühlte ich mich wohler, obwohl alle um mich herumstanden und ihre Meinung um mein Befinden kundgaben. Ich starrte schweigend zurück. Glauben Sie an Geister, meine Damen und Herren?

Tyggenburg - Geschichten aus AnderswoWhere stories live. Discover now